Bedenken schienen ihm kleinlich, er beurtheilte ihn auf einer Höhe, wo selbst der Narr berechtigt ist und die Tollheit nur für sport gilt. Zu solch geistiger Vornehmheit erhob ihn der Anblick eines Gebäudes! Das Haus hatte aber wirklich seines Gleichen nicht in allem Glanz seiner Umgebung. Es stand da, wie ein Mensch, der nichts Gemeines denkt, unter Menschen, die ihre Gemeinheit mit Gold bedecken. Seine Verhältnisse waren einfach, seine Ornamente schicklich, jede Linie mit dem Tacte des Genies getroffen. Das Auge lief auf und ab daran und empfand nichts Störendes, nur Harmonie und höchste Idealität der Formen. Moorfeld fragte nach dem Baumeister -- es war freilich eine Copie des Palazzo Pandolfini Nencini in Florenz und die ge¬ borene Kunstschönheit hatte den Plan dazu gemacht -- Raphael.
Ein Reflex der untergehenden Sonne warf ein charakteristisches Schlaglicht über das Haus und die Ulmen-Parthie vor demselben und adelte den Anblick noch mehr. Moorfeld pries die gute Stunde, da er gekommen; sein Gefühl für diesen Besuch wurde immer voller, immer ahnungsreicher. So stieg er die geschliffenen Granitstufen der Freitreppe hinan, der Lord zog die Klingel, ein Neger in weißen Glacehandschuhen öffnete. Wie befindet sich der junge Herr? rief derselbe sogleich die Dogge an, die ihm wedelnd entgegensprang. Er ist eurer Gesellschaft überlassen, ich hoffe sie ist eine gute, sagte der Lord, worauf der Neger sich ernsthaft verbeugte. Aber Moorfeld hatte keine Zeit mehr, diesen Eintritt sich zu Herzen zu nehmen. Jetzt galt ihm's, von dem Hause, dessen Aeußeres Raphael war, das Innere in sich aufzunehmen, das Bennet war. Er stand im Vestibül. Der Eindruck war ein vollkommener. Marmorboden, Marmorwände, Marmortreppen mit vergoldetem Bronce-Geländer u. s. w. verstand sich von selbst. Worauf es hier ankam war das Wie? Moorfeld hatte manch reichornamentirtes Vorhaus gesehen, reicher als dieses. Im Hause seines Banquiers hüteten zwei marmorene Sphinxen den Eingang; ohne Frage ein prächtiges Ornament, aber die Sphinxen trugen blau und roth gemalte Schabracken. Andere Vestibüls waren mit Gold- und Lackfarben im Arabesken-Styl ausgemalt, aber leider hatte man auch die Pracht gemalter Fenstergläser über dem Hausthore nicht missen wollen und Niemand fühlte, daß die einfallenden Bunt¬ lichter mit den inwendigen Malereien einen optisch-gräßlichen Krieg
Bedenken ſchienen ihm kleinlich, er beurtheilte ihn auf einer Höhe, wo ſelbſt der Narr berechtigt iſt und die Tollheit nur für sport gilt. Zu ſolch geiſtiger Vornehmheit erhob ihn der Anblick eines Gebäudes! Das Haus hatte aber wirklich ſeines Gleichen nicht in allem Glanz ſeiner Umgebung. Es ſtand da, wie ein Menſch, der nichts Gemeines denkt, unter Menſchen, die ihre Gemeinheit mit Gold bedecken. Seine Verhältniſſe waren einfach, ſeine Ornamente ſchicklich, jede Linie mit dem Tacte des Genies getroffen. Das Auge lief auf und ab daran und empfand nichts Störendes, nur Harmonie und höchſte Idealität der Formen. Moorfeld fragte nach dem Baumeiſter — es war freilich eine Copie des Palazzo Pandolfini Nencini in Florenz und die ge¬ borene Kunſtſchönheit hatte den Plan dazu gemacht — Raphael.
Ein Reflex der untergehenden Sonne warf ein charakteriſtiſches Schlaglicht über das Haus und die Ulmen-Parthie vor demſelben und adelte den Anblick noch mehr. Moorfeld pries die gute Stunde, da er gekommen; ſein Gefühl für dieſen Beſuch wurde immer voller, immer ahnungsreicher. So ſtieg er die geſchliffenen Granitſtufen der Freitreppe hinan, der Lord zog die Klingel, ein Neger in weißen Glacehandſchuhen öffnete. Wie befindet ſich der junge Herr? rief derſelbe ſogleich die Dogge an, die ihm wedelnd entgegenſprang. Er iſt eurer Geſellſchaft überlaſſen, ich hoffe ſie iſt eine gute, ſagte der Lord, worauf der Neger ſich ernſthaft verbeugte. Aber Moorfeld hatte keine Zeit mehr, dieſen Eintritt ſich zu Herzen zu nehmen. Jetzt galt ihm's, von dem Hauſe, deſſen Aeußeres Raphael war, das Innere in ſich aufzunehmen, das Bennet war. Er ſtand im Veſtibül. Der Eindruck war ein vollkommener. Marmorboden, Marmorwände, Marmortreppen mit vergoldetem Bronce-Geländer u. ſ. w. verſtand ſich von ſelbſt. Worauf es hier ankam war das Wie? Moorfeld hatte manch reichornamentirtes Vorhaus geſehen, reicher als dieſes. Im Hauſe ſeines Banquiers hüteten zwei marmorene Sphinxen den Eingang; ohne Frage ein prächtiges Ornament, aber die Sphinxen trugen blau und roth gemalte Schabracken. Andere Veſtibüls waren mit Gold- und Lackfarben im Arabesken-Styl ausgemalt, aber leider hatte man auch die Pracht gemalter Fenſtergläſer über dem Hausthore nicht miſſen wollen und Niemand fühlte, daß die einfallenden Bunt¬ lichter mit den inwendigen Malereien einen optiſch-gräßlichen Krieg
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Bedenken ſchienen ihm kleinlich, er beurtheilte ihn auf einer Höhe, wo
ſelbſt der Narr berechtigt iſt und die Tollheit nur für sport gilt. Zu
ſolch geiſtiger Vornehmheit erhob ihn der Anblick eines Gebäudes!
Das Haus hatte aber wirklich ſeines Gleichen nicht in allem Glanz
ſeiner Umgebung. Es ſtand da, wie ein Menſch, der nichts Gemeines
denkt, unter Menſchen, die ihre Gemeinheit mit Gold bedecken. Seine
Verhältniſſe waren einfach, ſeine Ornamente ſchicklich, jede Linie mit
dem Tacte des Genies getroffen. Das Auge lief auf und ab daran
und empfand nichts Störendes, nur Harmonie und höchſte Idealität
der Formen. Moorfeld fragte nach dem Baumeiſter — es war freilich
eine Copie des Palazzo Pandolfini Nencini in Florenz und die ge¬
borene Kunſtſchönheit hatte den Plan dazu gemacht — Raphael.
Ein Reflex der untergehenden Sonne warf ein charakteriſtiſches
Schlaglicht über das Haus und die Ulmen-Parthie vor demſelben und
adelte den Anblick noch mehr. Moorfeld pries die gute Stunde, da
er gekommen; ſein Gefühl für dieſen Beſuch wurde immer voller,
immer ahnungsreicher. So ſtieg er die geſchliffenen Granitſtufen der
Freitreppe hinan, der Lord zog die Klingel, ein Neger in weißen
Glacehandſchuhen öffnete. Wie befindet ſich der junge Herr? rief
derſelbe ſogleich die Dogge an, die ihm wedelnd entgegenſprang. Er
iſt eurer Geſellſchaft überlaſſen, ich hoffe ſie iſt eine gute, ſagte der
Lord, worauf der Neger ſich ernſthaft verbeugte. Aber Moorfeld hatte
keine Zeit mehr, dieſen Eintritt ſich zu Herzen zu nehmen. Jetzt galt
ihm's, von dem Hauſe, deſſen Aeußeres Raphael war, das Innere
in ſich aufzunehmen, das Bennet war. Er ſtand im Veſtibül. Der
Eindruck war ein vollkommener. Marmorboden, Marmorwände,
Marmortreppen mit vergoldetem Bronce-Geländer u. ſ. w. verſtand
ſich von ſelbſt. Worauf es hier ankam war das Wie? Moorfeld
hatte manch reichornamentirtes Vorhaus geſehen, reicher als dieſes.
Im Hauſe ſeines Banquiers hüteten zwei marmorene Sphinxen den
Eingang; ohne Frage ein prächtiges Ornament, aber die Sphinxen
trugen blau und roth gemalte Schabracken. Andere Veſtibüls waren
mit Gold- und Lackfarben im Arabesken-Styl ausgemalt, aber leider
hatte man auch die Pracht gemalter Fenſtergläſer über dem Hausthore
nicht miſſen wollen und Niemand fühlte, daß die einfallenden Bunt¬
lichter mit den inwendigen Malereien einen optiſch-gräßlichen Krieg
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/200>, abgerufen am 25.11.2024.
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