beider Parteien gewiß eine ehrenvolle gedäucht hätte, anders aber dem eigensinnigen Briten. Er rief seinen Hund zurück, faßte ihn sanft beim Ohr und sah ihm mit einem wehmüthigen Blick Aug' in Auge. Ist das Ihre Aufführung, Omar? Erröthen Sie nicht? Wie oft habe ich Ihr rücksichtsloses Betragen gegen Personen des anderen Geschlechts verabscheut! Empfinden Sie nicht das Unanständige Ihrer Galanterien? Sehen Sie mich an, Omar! Können Sie diesen Blick über sich er¬ gehen lassen, ohne eine bessere Regung zu fühlen? Leichtsinniger! Sie werden meine Geduld noch erschöpfen. -- Der Hund hörte diese zweck¬ losen Reden mit der ganzen Fassung eines unbefangenen Naturwesens, Moorfeld aber erschrack lebhaft darüber. Er schielte mit scheuem Blicke seitwärts nach den Leuten, welche anfingen stehen zu bleiben, und in¬ dem ihm der Reflex, der von der Tollheit seines Begleiters auf ihn selbst zurückfallen mußte, nichts weniger als gleichgiltig war, sagte er zu diesem auf französisch: Lassen Sie uns gehen, Sir, dieses Volk scheint mir wenig im Stande, den Humor Alt-Englands zu würdigen. Der Lord ignorirte die Begaffer mit der Sorglosigkeit des vornehmen Mannes, zu Moorfeld aber sagte er im Weitergehen: Pardon, Sir, ich möchte es nicht für Humor gehalten wissen, was ich mit dem jungen Omar spreche; mir gilt es den Ernst. Wie denken Sie von der Perfectibilität der Thierseele, Sir? Ich weiß nicht, ob Sie die¬ ses Philosophem Ihres speciellen Interesses zu würdigen pflegen, was mich betrifft, so thue ich es. Und um mein Bekenntniß über diesen Gegenstand abzulegen, so gestehe ich gerne, daß mir eine nicht zu um¬ gehende Consequenz darin zu liegen scheint, von der Bildungsfähigkeit der menschlichen Seele auf die des Thieres zu schließen. Denn wo, dürfen wir fragen, liegt die Grenzlinie zwischen der einen und der andern? In Wahrheit, man hat sie bisher noch nicht feststellen kön¬ nen; oder, um mich genauer auszudrücken, man hat eine Thatsache der Erfahrung, die nur nach einer Seite galt, irrthümlich für beide gelten lassen. Man schließt von der Thatsache, daß die Thierseele bisher nicht in dem Zustande der menschlichen Cultur erblickt worden ist, auch auf die Unmöglichkeit, daß sie diesen Zustand erreichen könne; aber man bedenkt nicht, daß man umgekehrt oft genug Menschen im Zustande völliger Thierheit vorgefunden hat, ohne daß es indeß ver¬ sucht worden wäre, auch in diesem Falle die Perfectibilität zu leugnen.
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beider Parteien gewiß eine ehrenvolle gedäucht hätte, anders aber dem eigenſinnigen Briten. Er rief ſeinen Hund zurück, faßte ihn ſanft beim Ohr und ſah ihm mit einem wehmüthigen Blick Aug' in Auge. Iſt das Ihre Aufführung, Omar? Erröthen Sie nicht? Wie oft habe ich Ihr rückſichtsloſes Betragen gegen Perſonen des anderen Geſchlechts verabſcheut! Empfinden Sie nicht das Unanſtändige Ihrer Galanterien? Sehen Sie mich an, Omar! Können Sie dieſen Blick über ſich er¬ gehen laſſen, ohne eine beſſere Regung zu fühlen? Leichtſinniger! Sie werden meine Geduld noch erſchöpfen. — Der Hund hörte dieſe zweck¬ loſen Reden mit der ganzen Faſſung eines unbefangenen Naturweſens, Moorfeld aber erſchrack lebhaft darüber. Er ſchielte mit ſcheuem Blicke ſeitwärts nach den Leuten, welche anfingen ſtehen zu bleiben, und in¬ dem ihm der Reflex, der von der Tollheit ſeines Begleiters auf ihn ſelbſt zurückfallen mußte, nichts weniger als gleichgiltig war, ſagte er zu dieſem auf franzöſiſch: Laſſen Sie uns gehen, Sir, dieſes Volk ſcheint mir wenig im Stande, den Humor Alt-Englands zu würdigen. Der Lord ignorirte die Begaffer mit der Sorgloſigkeit des vornehmen Mannes, zu Moorfeld aber ſagte er im Weitergehen: Pardon, Sir, ich möchte es nicht für Humor gehalten wiſſen, was ich mit dem jungen Omar ſpreche; mir gilt es den Ernſt. Wie denken Sie von der Perfectibilität der Thierſeele, Sir? Ich weiß nicht, ob Sie die¬ ſes Philoſophem Ihres ſpeciellen Intereſſes zu würdigen pflegen, was mich betrifft, ſo thue ich es. Und um mein Bekenntniß über dieſen Gegenſtand abzulegen, ſo geſtehe ich gerne, daß mir eine nicht zu um¬ gehende Conſequenz darin zu liegen ſcheint, von der Bildungsfähigkeit der menſchlichen Seele auf die des Thieres zu ſchließen. Denn wo, dürfen wir fragen, liegt die Grenzlinie zwiſchen der einen und der andern? In Wahrheit, man hat ſie bisher noch nicht feſtſtellen kön¬ nen; oder, um mich genauer auszudrücken, man hat eine Thatſache der Erfahrung, die nur nach einer Seite galt, irrthümlich für beide gelten laſſen. Man ſchließt von der Thatſache, daß die Thierſeele bisher nicht in dem Zuſtande der menſchlichen Cultur erblickt worden iſt, auch auf die Unmöglichkeit, daß ſie dieſen Zuſtand erreichen könne; aber man bedenkt nicht, daß man umgekehrt oft genug Menſchen im Zuſtande völliger Thierheit vorgefunden hat, ohne daß es indeß ver¬ ſucht worden wäre, auch in dieſem Falle die Perfectibilität zu leugnen.
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beider Parteien gewiß eine ehrenvolle gedäucht hätte, anders aber dem
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beim Ohr und ſah ihm mit einem wehmüthigen Blick Aug' in Auge.
Iſt das Ihre Aufführung, Omar? Erröthen Sie nicht? Wie oft habe
ich Ihr rückſichtsloſes Betragen gegen Perſonen des anderen Geſchlechts
verabſcheut! Empfinden Sie nicht das Unanſtändige Ihrer Galanterien?
Sehen Sie mich an, Omar! Können Sie dieſen Blick über ſich er¬
gehen laſſen, ohne eine beſſere Regung zu fühlen? Leichtſinniger! Sie
werden meine Geduld noch erſchöpfen. — Der Hund hörte dieſe zweck¬
loſen Reden mit der ganzen Faſſung eines unbefangenen Naturweſens,
Moorfeld aber erſchrack lebhaft darüber. Er ſchielte mit ſcheuem Blicke
ſeitwärts nach den Leuten, welche anfingen ſtehen zu bleiben, und in¬
dem ihm der Reflex, der von der Tollheit ſeines Begleiters auf ihn
ſelbſt zurückfallen mußte, nichts weniger als gleichgiltig war, ſagte er
zu dieſem auf franzöſiſch: Laſſen Sie uns gehen, Sir, dieſes Volk
ſcheint mir wenig im Stande, den Humor Alt-Englands zu würdigen.
Der Lord ignorirte die Begaffer mit der Sorgloſigkeit des vornehmen
Mannes, zu Moorfeld aber ſagte er im Weitergehen: Pardon, Sir,
ich möchte es nicht für Humor gehalten wiſſen, was ich mit dem
jungen Omar ſpreche; mir gilt es den Ernſt. Wie denken Sie von
der Perfectibilität der Thierſeele, Sir? Ich weiß nicht, ob Sie die¬
ſes Philoſophem Ihres ſpeciellen Intereſſes zu würdigen pflegen, was
mich betrifft, ſo thue ich es. Und um mein Bekenntniß über dieſen
Gegenſtand abzulegen, ſo geſtehe ich gerne, daß mir eine nicht zu um¬
gehende Conſequenz darin zu liegen ſcheint, von der Bildungsfähigkeit
der menſchlichen Seele auf die des Thieres zu ſchließen. Denn wo,
dürfen wir fragen, liegt die Grenzlinie zwiſchen der einen und der
andern? In Wahrheit, man hat ſie bisher noch nicht feſtſtellen kön¬
nen; oder, um mich genauer auszudrücken, man hat eine Thatſache
der Erfahrung, die nur nach einer Seite galt, irrthümlich für beide
gelten laſſen. Man ſchließt von der Thatſache, daß die Thierſeele
bisher nicht in dem Zuſtande der menſchlichen Cultur erblickt worden
iſt, auch auf die Unmöglichkeit, daß ſie dieſen Zuſtand erreichen könne;
aber man bedenkt nicht, daß man umgekehrt oft genug Menſchen im
Zuſtande völliger Thierheit vorgefunden hat, ohne daß es indeß ver¬
ſucht worden wäre, auch in dieſem Falle die Perfectibilität zu leugnen.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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