von welchem er seinen Hebel an diese zu setzen versprach. Aber solch einen Punkt hatte Benthal in seiner Lehrstelle zur Noth eben auch, es blieb also immer seine Geschmackssache, ob er von einem Hinterwälder- Blockhaus oder von Mr. Mockingbird's Volksschule aus seine Hebel würde ansetzen wollen. Diese Ueberzeugungen schlugen unsern Freund ziemlich darnieder. Er hatte sich den Gedanken an Benthal's Genossen¬ schaft so rasch und feurig eigen gemacht, daß dieser Gedanke, wie ein Gerüst nach dem Brillantfeuerwerk, heute noch fest stand, wenn auch ohne die magische Verklärung von gestern. Viel ehrer erwartete das Gerüst die Wiederholung des Feuerwerks als das Schicksal, abgetragen zu werden.
Bei dieser Stimmung sah Moorfeld mit Ungeduld der Stunde seines gestern angekündigten Abendbesuches entgegen. Endlich brach sie an. Auf Flügeln eilte er fort. Doch, wir wollen ihm, wie er es im Geiste längst selbst that, in Person voraneilen und uns um einige Augenblicke den Vortritt vor ihm herausnehmen.
Im letzten Tagesdämmer finden wir uns in einer der einsamsten Straßen Newyorks -- und außer dem Broadway und Bowery können sie sehr einsam sein diese weiten Straßen Newyork's -- wir finden uns in einer der Nebenstraßen des Winkels von Bowery und Grand¬ street vor einem kleinen niedlichem Framehause von drei Fenstern Front. Es ist hellgelb angestrichen, hat grasgrüne Jalousien und ein paar Acazienbäumchen vor'm Eingang. Der gewöhnlich hol¬ ländisch-amerikanische Aufputz. Wir treten durch ein paar das Basement überbauende Stufen in's Parterre. Nach hiesiger Sitte würden wir hier das Parlour finden. Aber in den Glücksver¬ hältnissen der deutschen Mietherin ist weder von Parlour noch von Drawing-room die Rede. Im Parterre wohnt die Hauseigenthü¬ merin selbst, die pensionirte Wittwe eines Seeoffiziers, der im letzten englischen Kriege gefallen. Wir besteigen demnach das Gestock. Die¬ ses ist Frau v. Milden's Wohnung. Zwei kleine Zimmer und ein Cabinet bilden den bescheidenen Haushalt, welchen Benthal sein "Lorettohäuschen" nennt. Mit dem Geisterrechte, einzutreten ohne an¬ zuklopfen, und zu lauschen ohne erröthen zu dürfen, stehen wir jetzt im ersten dieser Gemächer. Da es kein Bett enthält, würde es der Pariser einen Salon nennen; bilden wir uns also ein, wir stehen im Salon der Frau v. Milden. Es ist eine schweigsame Visite, die wir
von welchem er ſeinen Hebel an dieſe zu ſetzen verſprach. Aber ſolch einen Punkt hatte Benthal in ſeiner Lehrſtelle zur Noth eben auch, es blieb alſo immer ſeine Geſchmacksſache, ob er von einem Hinterwälder- Blockhaus oder von Mr. Mockingbird's Volksſchule aus ſeine Hebel würde anſetzen wollen. Dieſe Ueberzeugungen ſchlugen unſern Freund ziemlich darnieder. Er hatte ſich den Gedanken an Benthal's Genoſſen¬ ſchaft ſo raſch und feurig eigen gemacht, daß dieſer Gedanke, wie ein Gerüſt nach dem Brillantfeuerwerk, heute noch feſt ſtand, wenn auch ohne die magiſche Verklärung von geſtern. Viel ehrer erwartete das Gerüſt die Wiederholung des Feuerwerks als das Schickſal, abgetragen zu werden.
Bei dieſer Stimmung ſah Moorfeld mit Ungeduld der Stunde ſeines geſtern angekündigten Abendbeſuches entgegen. Endlich brach ſie an. Auf Flügeln eilte er fort. Doch, wir wollen ihm, wie er es im Geiſte längſt ſelbſt that, in Perſon voraneilen und uns um einige Augenblicke den Vortritt vor ihm herausnehmen.
Im letzten Tagesdämmer finden wir uns in einer der einſamſten Straßen Newyorks — und außer dem Broadway und Bowery können ſie ſehr einſam ſein dieſe weiten Straßen Newyork's — wir finden uns in einer der Nebenſtraßen des Winkels von Bowery und Grand¬ ſtreet vor einem kleinen niedlichem Framehauſe von drei Fenſtern Front. Es iſt hellgelb angeſtrichen, hat grasgrüne Jalouſien und ein paar Acazienbäumchen vor'm Eingang. Der gewöhnlich hol¬ ländiſch-amerikaniſche Aufputz. Wir treten durch ein paar das Baſement überbauende Stufen in's Parterre. Nach hieſiger Sitte würden wir hier das Parlour finden. Aber in den Glücksver¬ hältniſſen der deutſchen Mietherin iſt weder von Parlour noch von Drawing-room die Rede. Im Parterre wohnt die Hauseigenthü¬ merin ſelbſt, die penſionirte Wittwe eines Seeoffiziers, der im letzten engliſchen Kriege gefallen. Wir beſteigen demnach das Geſtock. Die¬ ſes iſt Frau v. Milden's Wohnung. Zwei kleine Zimmer und ein Cabinet bilden den beſcheidenen Haushalt, welchen Benthal ſein „Lorettohäuschen“ nennt. Mit dem Geiſterrechte, einzutreten ohne an¬ zuklopfen, und zu lauſchen ohne erröthen zu dürfen, ſtehen wir jetzt im erſten dieſer Gemächer. Da es kein Bett enthält, würde es der Pariſer einen Salon nennen; bilden wir uns alſo ein, wir ſtehen im Salon der Frau v. Milden. Es iſt eine ſchweigſame Viſite, die wir
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von welchem er ſeinen Hebel an dieſe zu ſetzen verſprach. Aber ſolch
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blieb alſo immer ſeine Geſchmacksſache, ob er von einem Hinterwälder-
Blockhaus oder von Mr. Mockingbird's Volksſchule aus ſeine Hebel
würde anſetzen wollen. Dieſe Ueberzeugungen ſchlugen unſern Freund
ziemlich darnieder. Er hatte ſich den Gedanken an Benthal's Genoſſen¬
ſchaft ſo raſch und feurig eigen gemacht, daß dieſer Gedanke, wie ein
Gerüſt nach dem Brillantfeuerwerk, heute noch feſt ſtand, wenn auch
ohne die magiſche Verklärung von geſtern. Viel ehrer erwartete das Gerüſt
die Wiederholung des Feuerwerks als das Schickſal, abgetragen zu werden.
Bei dieſer Stimmung ſah Moorfeld mit Ungeduld der Stunde
ſeines geſtern angekündigten Abendbeſuches entgegen. Endlich brach ſie
an. Auf Flügeln eilte er fort. Doch, wir wollen ihm, wie er es im
Geiſte längſt ſelbſt that, in Perſon voraneilen und uns um einige
Augenblicke den Vortritt vor ihm herausnehmen.
Im letzten Tagesdämmer finden wir uns in einer der einſamſten
Straßen Newyorks — und außer dem Broadway und Bowery können
ſie ſehr einſam ſein dieſe weiten Straßen Newyork's — wir finden
uns in einer der Nebenſtraßen des Winkels von Bowery und Grand¬
ſtreet vor einem kleinen niedlichem Framehauſe von drei Fenſtern
Front. Es iſt hellgelb angeſtrichen, hat grasgrüne Jalouſien und
ein paar Acazienbäumchen vor'm Eingang. Der gewöhnlich hol¬
ländiſch-amerikaniſche Aufputz. Wir treten durch ein paar das
Baſement überbauende Stufen in's Parterre. Nach hieſiger Sitte
würden wir hier das Parlour finden. Aber in den Glücksver¬
hältniſſen der deutſchen Mietherin iſt weder von Parlour noch von
Drawing-room die Rede. Im Parterre wohnt die Hauseigenthü¬
merin ſelbſt, die penſionirte Wittwe eines Seeoffiziers, der im letzten
engliſchen Kriege gefallen. Wir beſteigen demnach das Geſtock. Die¬
ſes iſt Frau v. Milden's Wohnung. Zwei kleine Zimmer und
ein Cabinet bilden den beſcheidenen Haushalt, welchen Benthal ſein
„Lorettohäuschen“ nennt. Mit dem Geiſterrechte, einzutreten ohne an¬
zuklopfen, und zu lauſchen ohne erröthen zu dürfen, ſtehen wir jetzt
im erſten dieſer Gemächer. Da es kein Bett enthält, würde es der
Pariſer einen Salon nennen; bilden wir uns alſo ein, wir ſtehen im
Salon der Frau v. Milden. Es iſt eine ſchweigſame Viſite, die wir
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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