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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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ohne daß sich irgend ein Gespräch anknüpfte. Eines Tages war von
der Wortkargheit der Schiffsleute die Rede; ich bemerkte bei dieser
Gelegenheit, wie eigenthümlich mir's mit dem Kapitän ergehe: ich
könne von ihm nur die geographische Breite erfahren, nie die Länge,
unter welcher wir segelten. Meine Fragen nach der Länge seien ihm
stets verdrießlich, aber sein Stillschweigen darüber mir noch verdrie߬
licher. Ich vergaß nämlich nicht, den Damen zu bemerken, daß nach
den Längengraden der eigentliche Fortschritt der Fahrt angezeigt werde.
Bald darauf kam ich auf's Verdeck und fand Paulinen allein oben,
was wohl zuweilen, aber nur auf Augenblicke vorkam. Ich hatte be¬
reits aus der Ferne gegrüßt und wollte näher treten, da ging just
der Kapitän an ihr vorbei. Er grüßte und blieb stehen, sie schien
ihn mit irgend einer Ansprache festgehalten zu haben. Es entspann
sich eine Conversation, von welcher etwa Folgendes in meine Nähe
herüberscholl. Werden wir diesen heitern Himmel behalten, Herr
Kapitän? -- Es ist wahrscheinlich, mein Fräulein. -- Was war das
für ein Fisch, den Ihre Leute gestern harpunirten? -- Ein junger
Hai, white shark heißt die Art. -- Die Matrosen schienen sehr er¬
freut; ist das Thier so kostbar? -- Doch nicht, mein Fräulein, aber
kleinere Fische einer andern Gattung begleiten ihn, und halten sich
wohl auch in seinem Rachen auf; die haben prächtige Farben, und
schmecken wie die besten Forellen. -- Die Thierwelt des Meeres scheint
nicht weniger interessant als auf dem Festlande und noch viel reicher.
Schade, daß man sie nicht in so bestimmten geographischen Grenzen
überblicken und behalten kann, wie etwa die Regionen der Gemse oder
des Rennthiers. -- Das möchte ich in vielen Fällen doch sagen. Wir
kennen so ziemlich die Landschaften und Provinzen, um den Ausdruck
zu gebrauchen, in welchen jede Gattung vorkommt. -- Das sagt viel!
Ich glaube, Sie sind auf Ihrem Ocean zu Hause, wie wir in unsern
vier Wänden? -- Das geschmeichelte Lächeln des Kapitäns machte
einen breiten Riß durch sein muskulöses Gesicht. -- Paulinen aber
hörte ich fortfahren: In welcher Länge z. B. segeln wir jetzt,
Herr Kapitän? Der Seemann riß die Augen auf, und maß das
junge Mädchen mit einem verblüfften Gesicht. Er blickte auf dem Ver¬
decke umher, gleichsam als suchte er die Quelle dieser gelehrten Frage
irgendwo außer der Fragenden. Zuletzt sagte er zögernd: Sie meinen

ohne daß ſich irgend ein Geſpräch anknüpfte. Eines Tages war von
der Wortkargheit der Schiffsleute die Rede; ich bemerkte bei dieſer
Gelegenheit, wie eigenthümlich mir's mit dem Kapitän ergehe: ich
könne von ihm nur die geographiſche Breite erfahren, nie die Länge,
unter welcher wir ſegelten. Meine Fragen nach der Länge ſeien ihm
ſtets verdrießlich, aber ſein Stillſchweigen darüber mir noch verdrie߬
licher. Ich vergaß nämlich nicht, den Damen zu bemerken, daß nach
den Längengraden der eigentliche Fortſchritt der Fahrt angezeigt werde.
Bald darauf kam ich auf's Verdeck und fand Paulinen allein oben,
was wohl zuweilen, aber nur auf Augenblicke vorkam. Ich hatte be¬
reits aus der Ferne gegrüßt und wollte näher treten, da ging juſt
der Kapitän an ihr vorbei. Er grüßte und blieb ſtehen, ſie ſchien
ihn mit irgend einer Anſprache feſtgehalten zu haben. Es entſpann
ſich eine Converſation, von welcher etwa Folgendes in meine Nähe
herüberſcholl. Werden wir dieſen heitern Himmel behalten, Herr
Kapitän? — Es iſt wahrſcheinlich, mein Fräulein. — Was war das
für ein Fiſch, den Ihre Leute geſtern harpunirten? — Ein junger
Hai, white shark heißt die Art. — Die Matroſen ſchienen ſehr er¬
freut; iſt das Thier ſo koſtbar? — Doch nicht, mein Fräulein, aber
kleinere Fiſche einer andern Gattung begleiten ihn, und halten ſich
wohl auch in ſeinem Rachen auf; die haben prächtige Farben, und
ſchmecken wie die beſten Forellen. — Die Thierwelt des Meeres ſcheint
nicht weniger intereſſant als auf dem Feſtlande und noch viel reicher.
Schade, daß man ſie nicht in ſo beſtimmten geographiſchen Grenzen
überblicken und behalten kann, wie etwa die Regionen der Gemſe oder
des Rennthiers. — Das möchte ich in vielen Fällen doch ſagen. Wir
kennen ſo ziemlich die Landſchaften und Provinzen, um den Ausdruck
zu gebrauchen, in welchen jede Gattung vorkommt. — Das ſagt viel!
Ich glaube, Sie ſind auf Ihrem Ocean zu Hauſe, wie wir in unſern
vier Wänden? — Das geſchmeichelte Lächeln des Kapitäns machte
einen breiten Riß durch ſein muskulöſes Geſicht. — Paulinen aber
hörte ich fortfahren: In welcher Länge z. B. ſegeln wir jetzt,
Herr Kapitän? Der Seemann riß die Augen auf, und maß das
junge Mädchen mit einem verblüfften Geſicht. Er blickte auf dem Ver¬
decke umher, gleichſam als ſuchte er die Quelle dieſer gelehrten Frage
irgendwo außer der Fragenden. Zuletzt ſagte er zögernd: Sie meinen

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[140/0158] ohne daß ſich irgend ein Geſpräch anknüpfte. Eines Tages war von der Wortkargheit der Schiffsleute die Rede; ich bemerkte bei dieſer Gelegenheit, wie eigenthümlich mir's mit dem Kapitän ergehe: ich könne von ihm nur die geographiſche Breite erfahren, nie die Länge, unter welcher wir ſegelten. Meine Fragen nach der Länge ſeien ihm ſtets verdrießlich, aber ſein Stillſchweigen darüber mir noch verdrie߬ licher. Ich vergaß nämlich nicht, den Damen zu bemerken, daß nach den Längengraden der eigentliche Fortſchritt der Fahrt angezeigt werde. Bald darauf kam ich auf's Verdeck und fand Paulinen allein oben, was wohl zuweilen, aber nur auf Augenblicke vorkam. Ich hatte be¬ reits aus der Ferne gegrüßt und wollte näher treten, da ging juſt der Kapitän an ihr vorbei. Er grüßte und blieb ſtehen, ſie ſchien ihn mit irgend einer Anſprache feſtgehalten zu haben. Es entſpann ſich eine Converſation, von welcher etwa Folgendes in meine Nähe herüberſcholl. Werden wir dieſen heitern Himmel behalten, Herr Kapitän? — Es iſt wahrſcheinlich, mein Fräulein. — Was war das für ein Fiſch, den Ihre Leute geſtern harpunirten? — Ein junger Hai, white shark heißt die Art. — Die Matroſen ſchienen ſehr er¬ freut; iſt das Thier ſo koſtbar? — Doch nicht, mein Fräulein, aber kleinere Fiſche einer andern Gattung begleiten ihn, und halten ſich wohl auch in ſeinem Rachen auf; die haben prächtige Farben, und ſchmecken wie die beſten Forellen. — Die Thierwelt des Meeres ſcheint nicht weniger intereſſant als auf dem Feſtlande und noch viel reicher. Schade, daß man ſie nicht in ſo beſtimmten geographiſchen Grenzen überblicken und behalten kann, wie etwa die Regionen der Gemſe oder des Rennthiers. — Das möchte ich in vielen Fällen doch ſagen. Wir kennen ſo ziemlich die Landſchaften und Provinzen, um den Ausdruck zu gebrauchen, in welchen jede Gattung vorkommt. — Das ſagt viel! Ich glaube, Sie ſind auf Ihrem Ocean zu Hauſe, wie wir in unſern vier Wänden? — Das geſchmeichelte Lächeln des Kapitäns machte einen breiten Riß durch ſein muskulöſes Geſicht. — Paulinen aber hörte ich fortfahren: In welcher Länge z. B. ſegeln wir jetzt, Herr Kapitän? Der Seemann riß die Augen auf, und maß das junge Mädchen mit einem verblüfften Geſicht. Er blickte auf dem Ver¬ decke umher, gleichſam als ſuchte er die Quelle dieſer gelehrten Frage irgendwo außer der Fragenden. Zuletzt ſagte er zögernd: Sie meinen

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/158>, abgerufen am 27.11.2024.