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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Fehler ihnen winzig dünken müssen, weil sie nur Herschel-Telescope in
Gebrauch nehmen, wenn davon die Rede ist; kurz, wie die eitelste
Nation der Welt ihr Frösteln und Beben nicht los wird vor einem
Menschenhaufen, der noch gar keine Nation ist; wenn ich mitten unter
diesen Wahrnehmungen täglich aufstehe und mich niederlege: so härtet
sich mir, wie im zehnfachen Feuer, die Ueberzeugung: es gibt nur
einen Gott, und die Deutschen sind sein auserwähltes Volk! Für
diesen Glauben könnte ich dann eben so gut spießen und braten lassen,
wie Torquemada für den seinigen.

Moorfeld sagte: Und Ihre Ketzer, glaube ich, wären noch etwas
straffälliger. Ich hörte hier von schändlichen Proben des Humbugs.
Kaum glaubt' ich sie, wenn ich persönlich nicht auch schon Erfahrungen
über diese Galeeren-Moral hätte.

Eigentlich betrügt der reine Amerikaner nicht um der Beute willen,
antwortete Benthal; kein Volk ist weniger habsüchtig und leichter ge¬
neigt, das erworbene Privatvermögen zu wohlthätigen und nützlichen
Zwecken der Oeffentlichkeit wieder zurückzugeben. Seine Listen und
Tücken sind's, die den Yankee nicht ruhen lassen, auch wenn er wollte.
Er kann nicht leben ohne das Gefühl der Ueberlegenheit über Andere.
Diesen Kitzel befriedigt er im Guten wie im Schlimmen. Seine Beute
ist nicht sowohl ein Raub, als vielmehr ein Preis; denn stillschweigend
besteht im ganzen Volke eine beständige Wette, wer es dem Andern
an Kniffen zuvorthut. Tropf, paß auf! ist die allgemeine Loosung.
Sie betrügen nicht, sie gewinnen nur die Preise ihrer ewigen National¬
wette. Sie sind mehr Schelme als Schufte. Freilich hat auch der
gemeine, echte Betrug um so leichteres Spiel unter diesem Schutze
der öffentlichen Meinung. Und wieder ist der böseste Betrug der Ver¬
zeihung gewiß, wenn er gegen den Deutschen geübt wird. Den Deut¬
schen herunterzubringen ist gleichsam Nationalsache. Viel verzeihen sich
die Amerikaner einander, was nirgend sonst durchginge; aber -- leider
darf ich es sagen! Alles verzeihen sie sich dem Deutschen gegenüber.
Es ist ein Deutscher! hat ihnen ungefähr die Bedeutung, wie den
alten Spaniern: es ist ein Moriske! Hier fehlt jede Gränze. Vor
Kurzem wurde in Newyork ein deutscher Familienvater erschlagen.
Ein Amerikaner that's, mit dem der Deutsche Wortwechsel hatte; aber
die brutalen Seevölker wechseln überhaupt nicht Worte, wie der den¬

Fehler ihnen winzig dünken müſſen, weil ſie nur Herſchel-Telescope in
Gebrauch nehmen, wenn davon die Rede iſt; kurz, wie die eitelſte
Nation der Welt ihr Fröſteln und Beben nicht los wird vor einem
Menſchenhaufen, der noch gar keine Nation iſt; wenn ich mitten unter
dieſen Wahrnehmungen täglich aufſtehe und mich niederlege: ſo härtet
ſich mir, wie im zehnfachen Feuer, die Ueberzeugung: es gibt nur
einen Gott, und die Deutſchen ſind ſein auserwähltes Volk! Für
dieſen Glauben könnte ich dann eben ſo gut ſpießen und braten laſſen,
wie Torquemada für den ſeinigen.

Moorfeld ſagte: Und Ihre Ketzer, glaube ich, wären noch etwas
ſtraffälliger. Ich hörte hier von ſchändlichen Proben des Humbugs.
Kaum glaubt' ich ſie, wenn ich perſönlich nicht auch ſchon Erfahrungen
über dieſe Galeeren-Moral hätte.

Eigentlich betrügt der reine Amerikaner nicht um der Beute willen,
antwortete Benthal; kein Volk iſt weniger habſüchtig und leichter ge¬
neigt, das erworbene Privatvermögen zu wohlthätigen und nützlichen
Zwecken der Oeffentlichkeit wieder zurückzugeben. Seine Liſten und
Tücken ſind's, die den Yankee nicht ruhen laſſen, auch wenn er wollte.
Er kann nicht leben ohne das Gefühl der Ueberlegenheit über Andere.
Dieſen Kitzel befriedigt er im Guten wie im Schlimmen. Seine Beute
iſt nicht ſowohl ein Raub, als vielmehr ein Preis; denn ſtillſchweigend
beſteht im ganzen Volke eine beſtändige Wette, wer es dem Andern
an Kniffen zuvorthut. Tropf, paß auf! iſt die allgemeine Looſung.
Sie betrügen nicht, ſie gewinnen nur die Preiſe ihrer ewigen National¬
wette. Sie ſind mehr Schelme als Schufte. Freilich hat auch der
gemeine, echte Betrug um ſo leichteres Spiel unter dieſem Schutze
der öffentlichen Meinung. Und wieder iſt der böſeſte Betrug der Ver¬
zeihung gewiß, wenn er gegen den Deutſchen geübt wird. Den Deut¬
ſchen herunterzubringen iſt gleichſam Nationalſache. Viel verzeihen ſich
die Amerikaner einander, was nirgend ſonſt durchginge; aber — leider
darf ich es ſagen! Alles verzeihen ſie ſich dem Deutſchen gegenüber.
Es iſt ein Deutſcher! hat ihnen ungefähr die Bedeutung, wie den
alten Spaniern: es iſt ein Moriske! Hier fehlt jede Gränze. Vor
Kurzem wurde in Newyork ein deutſcher Familienvater erſchlagen.
Ein Amerikaner that's, mit dem der Deutſche Wortwechſel hatte; aber
die brutalen Seevölker wechſeln überhaupt nicht Worte, wie der den¬

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[135/0153] Fehler ihnen winzig dünken müſſen, weil ſie nur Herſchel-Telescope in Gebrauch nehmen, wenn davon die Rede iſt; kurz, wie die eitelſte Nation der Welt ihr Fröſteln und Beben nicht los wird vor einem Menſchenhaufen, der noch gar keine Nation iſt; wenn ich mitten unter dieſen Wahrnehmungen täglich aufſtehe und mich niederlege: ſo härtet ſich mir, wie im zehnfachen Feuer, die Ueberzeugung: es gibt nur einen Gott, und die Deutſchen ſind ſein auserwähltes Volk! Für dieſen Glauben könnte ich dann eben ſo gut ſpießen und braten laſſen, wie Torquemada für den ſeinigen. Moorfeld ſagte: Und Ihre Ketzer, glaube ich, wären noch etwas ſtraffälliger. Ich hörte hier von ſchändlichen Proben des Humbugs. Kaum glaubt' ich ſie, wenn ich perſönlich nicht auch ſchon Erfahrungen über dieſe Galeeren-Moral hätte. Eigentlich betrügt der reine Amerikaner nicht um der Beute willen, antwortete Benthal; kein Volk iſt weniger habſüchtig und leichter ge¬ neigt, das erworbene Privatvermögen zu wohlthätigen und nützlichen Zwecken der Oeffentlichkeit wieder zurückzugeben. Seine Liſten und Tücken ſind's, die den Yankee nicht ruhen laſſen, auch wenn er wollte. Er kann nicht leben ohne das Gefühl der Ueberlegenheit über Andere. Dieſen Kitzel befriedigt er im Guten wie im Schlimmen. Seine Beute iſt nicht ſowohl ein Raub, als vielmehr ein Preis; denn ſtillſchweigend beſteht im ganzen Volke eine beſtändige Wette, wer es dem Andern an Kniffen zuvorthut. Tropf, paß auf! iſt die allgemeine Looſung. Sie betrügen nicht, ſie gewinnen nur die Preiſe ihrer ewigen National¬ wette. Sie ſind mehr Schelme als Schufte. Freilich hat auch der gemeine, echte Betrug um ſo leichteres Spiel unter dieſem Schutze der öffentlichen Meinung. Und wieder iſt der böſeſte Betrug der Ver¬ zeihung gewiß, wenn er gegen den Deutſchen geübt wird. Den Deut¬ ſchen herunterzubringen iſt gleichſam Nationalſache. Viel verzeihen ſich die Amerikaner einander, was nirgend ſonſt durchginge; aber — leider darf ich es ſagen! Alles verzeihen ſie ſich dem Deutſchen gegenüber. Es iſt ein Deutſcher! hat ihnen ungefähr die Bedeutung, wie den alten Spaniern: es iſt ein Moriske! Hier fehlt jede Gränze. Vor Kurzem wurde in Newyork ein deutſcher Familienvater erſchlagen. Ein Amerikaner that's, mit dem der Deutſche Wortwechſel hatte; aber die brutalen Seevölker wechſeln überhaupt nicht Worte, wie der den¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/153>, abgerufen am 24.11.2024.