meint, die Unsterblichkeit ist des Schweißes der Edlen werth, ich möchte gerechter sein und es umkehren: der Schweiß der Edlen ist der Un¬ sterblichkeit werth. Aber leider, daß der edelste Schweiß just am we¬ nigsten auf die Nachwelt kommt! Darum bewundere ich immer von Neuem Männer wie Sie, welche die entsagende Größe haben, das Beste an das Vergänglichste zu setzen.
An das Vergänglichste! wiederholte Benthal; -- freilich! aber wer weiß denn was vergänglich ist? Bis dieses Wissen kommt, handelt man im Glauben an dauernde Erfolge. Das kann unter Umständen sehr lange währen. Der Glaube ist dann das eigentlich Unsterbliche an der Sache.
Recht so! recht so! rief Moorfeld mit Wärme, der Glaube! der ist überhaupt Alles! Er ist die größte Heldenthat des Menschen. Ich werde nicht müde, das zu behaupten. Der Glaube ist der Vater der Menschheit; die Skepsis ist eine alte unfruchtbare Jungfer.
Benthal warf einen besorgten Blick auf seinen Begleiter. Moor¬ feld bemerkte es und fuhr lachend fort: Sein Sie ganz ruhig, Bester. Ich bin weder Jesuit, noch Kapuziner, noch Consistorialrath. Von jenem Glauben ist ja hier nicht die Rede. Oder vielmehr von ihm nicht allein. Glaube ist Selbstgefühl. Ich frage keinen Tischler, was er glaubt: er glaubt an seinen Hobel. Ach, Europa wimmelt von Tischlern, die nicht mehr an ihren Hobel glauben! Darum ergriff ich Ihre Hand, weil ich Sie so imposant glauben sah.
Benthal antwortete: Ach wohl! ich glaube wie jener Jude, der in Rom Christ wurde, der schlechten Christen wegen. So glaube ich hier an unser Volksthum. Wenn ich dem zerfahrenen Leben der Deutschen zusehe, und wie eifrig sie sich ihren eigenen Untergang angelegen sein lassen, so möchte ich mir oft mit Glüheisen meine deutsche Haut vom Leibe brennen. Es ist ein Schauspiel zum Rasendwerden. Wenn ich aber erstaune, daß ihnen ihre Selbstzerstörung doch nicht gelingt, daß sie immer wieder lebendig vom Boden aufstehen, auf dem sie todt hinge¬ sunken; wenn ich die hiesigen Nativisten betrachte, wie sie im Besitze des mächtigsten Staatslebens der Erde Bollwerk um Bollwerk aufthürmen gegen diese armen verlornen Söhne; wie sie in ihrer Presse die raf¬ finirtesten Gifte destilliren, um uns zum Teufel zu befördern; wie sie mit offenen Judenverfolgungen in unsre Quartiere einfallen; wie unsre
meint, die Unſterblichkeit iſt des Schweißes der Edlen werth, ich möchte gerechter ſein und es umkehren: der Schweiß der Edlen iſt der Un¬ ſterblichkeit werth. Aber leider, daß der edelſte Schweiß juſt am we¬ nigſten auf die Nachwelt kommt! Darum bewundere ich immer von Neuem Männer wie Sie, welche die entſagende Größe haben, das Beſte an das Vergänglichſte zu ſetzen.
An das Vergänglichſte! wiederholte Benthal; — freilich! aber wer weiß denn was vergänglich iſt? Bis dieſes Wiſſen kommt, handelt man im Glauben an dauernde Erfolge. Das kann unter Umſtänden ſehr lange währen. Der Glaube iſt dann das eigentlich Unſterbliche an der Sache.
Recht ſo! recht ſo! rief Moorfeld mit Wärme, der Glaube! der iſt überhaupt Alles! Er iſt die größte Heldenthat des Menſchen. Ich werde nicht müde, das zu behaupten. Der Glaube iſt der Vater der Menſchheit; die Skepſis iſt eine alte unfruchtbare Jungfer.
Benthal warf einen beſorgten Blick auf ſeinen Begleiter. Moor¬ feld bemerkte es und fuhr lachend fort: Sein Sie ganz ruhig, Beſter. Ich bin weder Jeſuit, noch Kapuziner, noch Conſiſtorialrath. Von jenem Glauben iſt ja hier nicht die Rede. Oder vielmehr von ihm nicht allein. Glaube iſt Selbſtgefühl. Ich frage keinen Tiſchler, was er glaubt: er glaubt an ſeinen Hobel. Ach, Europa wimmelt von Tiſchlern, die nicht mehr an ihren Hobel glauben! Darum ergriff ich Ihre Hand, weil ich Sie ſo impoſant glauben ſah.
Benthal antwortete: Ach wohl! ich glaube wie jener Jude, der in Rom Chriſt wurde, der ſchlechten Chriſten wegen. So glaube ich hier an unſer Volksthum. Wenn ich dem zerfahrenen Leben der Deutſchen zuſehe, und wie eifrig ſie ſich ihren eigenen Untergang angelegen ſein laſſen, ſo möchte ich mir oft mit Glüheiſen meine deutſche Haut vom Leibe brennen. Es iſt ein Schauſpiel zum Raſendwerden. Wenn ich aber erſtaune, daß ihnen ihre Selbſtzerſtörung doch nicht gelingt, daß ſie immer wieder lebendig vom Boden aufſtehen, auf dem ſie todt hinge¬ ſunken; wenn ich die hieſigen Nativiſten betrachte, wie ſie im Beſitze des mächtigſten Staatslebens der Erde Bollwerk um Bollwerk aufthürmen gegen dieſe armen verlornen Söhne; wie ſie in ihrer Preſſe die raf¬ finirteſten Gifte deſtilliren, um uns zum Teufel zu befördern; wie ſie mit offenen Judenverfolgungen in unſre Quartiere einfallen; wie unſre
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meint, die Unſterblichkeit iſt des Schweißes der Edlen werth, ich möchte
gerechter ſein und es umkehren: der Schweiß der Edlen iſt der Un¬
ſterblichkeit werth. Aber leider, daß der edelſte Schweiß juſt am we¬
nigſten auf die Nachwelt kommt! Darum bewundere ich immer von
Neuem Männer wie Sie, welche die entſagende Größe haben, das
Beſte an das Vergänglichſte zu ſetzen.
An das Vergänglichſte! wiederholte Benthal; — freilich! aber wer
weiß denn was vergänglich iſt? Bis dieſes Wiſſen kommt, handelt
man im Glauben an dauernde Erfolge. Das kann unter Umſtänden
ſehr lange währen. Der Glaube iſt dann das eigentlich Unſterbliche
an der Sache.
Recht ſo! recht ſo! rief Moorfeld mit Wärme, der Glaube! der
iſt überhaupt Alles! Er iſt die größte Heldenthat des Menſchen. Ich
werde nicht müde, das zu behaupten. Der Glaube iſt der Vater der
Menſchheit; die Skepſis iſt eine alte unfruchtbare Jungfer.
Benthal warf einen beſorgten Blick auf ſeinen Begleiter. Moor¬
feld bemerkte es und fuhr lachend fort: Sein Sie ganz ruhig,
Beſter. Ich bin weder Jeſuit, noch Kapuziner, noch Conſiſtorialrath.
Von jenem Glauben iſt ja hier nicht die Rede. Oder vielmehr von
ihm nicht allein. Glaube iſt Selbſtgefühl. Ich frage keinen Tiſchler,
was er glaubt: er glaubt an ſeinen Hobel. Ach, Europa wimmelt
von Tiſchlern, die nicht mehr an ihren Hobel glauben! Darum ergriff
ich Ihre Hand, weil ich Sie ſo impoſant glauben ſah.
Benthal antwortete: Ach wohl! ich glaube wie jener Jude, der in
Rom Chriſt wurde, der ſchlechten Chriſten wegen. So glaube ich hier
an unſer Volksthum. Wenn ich dem zerfahrenen Leben der Deutſchen
zuſehe, und wie eifrig ſie ſich ihren eigenen Untergang angelegen ſein
laſſen, ſo möchte ich mir oft mit Glüheiſen meine deutſche Haut vom
Leibe brennen. Es iſt ein Schauſpiel zum Raſendwerden. Wenn ich
aber erſtaune, daß ihnen ihre Selbſtzerſtörung doch nicht gelingt, daß ſie
immer wieder lebendig vom Boden aufſtehen, auf dem ſie todt hinge¬
ſunken; wenn ich die hieſigen Nativiſten betrachte, wie ſie im Beſitze des
mächtigſten Staatslebens der Erde Bollwerk um Bollwerk aufthürmen
gegen dieſe armen verlornen Söhne; wie ſie in ihrer Preſſe die raf¬
finirteſten Gifte deſtilliren, um uns zum Teufel zu befördern; wie ſie
mit offenen Judenverfolgungen in unſre Quartiere einfallen; wie unſre
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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