hat mit einer Viertelmillion in Thran fallirt, und streift sich lustig die Hemdärmel auf, um rechts ein Bushel Zwiebel zu messen, und links ein Rudel Schulrangen zu Paaren zu treiben -- der Anfang zu einer neuen Viertelmillion. Und ich, der Rector magnificus, wie Sie sagen, helfe ihm Zwiebel messen und Schulkinder kämmen, da ich doch jede Professorenstelle am Harvard-College versehen könnte, -- nur daß ich sie noch nicht habe. Das ist amerikanische Handwerks¬ ehre! Nichts ist so gering hier, womit man nicht anfängt, aber nichts so hoch, womit man nicht enden wollte. Der Deutsche macht's um¬ gekehrt. Es ekelt ihm vor der seichten Stelle, wo Frösche laichen, er wagt sich aber auch nicht hinaus', wo Silberflotten segeln. Er kennt kein Fortschreiten von Einem zum Andern, sondern ein hübsches Be¬ harren in der Mitte. Meine Herren, das taugt nichts, und wär' es nicht schon so spät, ich würd' es eine Millionmal wiederholen: es taugt nichts! Diese freie Beweglichkeit, diese entschlossene Thatkraft, diese vollkommene Herrschaft über sich in allem äußern Handeln müssen Sie von Amerika lernen. Fürchten Sie deßhalb nicht gleich im Yankee¬ thum aufgehen zu müssen. Sie können dem Yankee tausend deutsche Tugenden dafür zurückgeben, und ihn eben so gut in unserm Volks¬ thum aufgehen lassen. Das ist ja der Plan, den die Vorsehung mit der deutschen Einwanderung nach Amerika im Schilde führt. Die zwei reichsten Völker der Erde sollen ihr Kapital auf Einen Satz einlegen, ein Product soll entstehen, welches der beste Jahrgang im Weinberge der Menschheit wird. Der Amerikaner hält seine Hand über Meer und Erde, jede Muskel an ihm ist ein Königreich werth -- er ist der Gott der Materie. Dafür hat er sich auch das Geistige vom Halse geschafft und Kunst, Wissenschaft und Religion in einer blechernen Formelbüchse getrocknet zum hastigsten Verzehr mittelst einer Kanne Theewasser. Der Deutsche kommt aus dem Lande der Wald¬ vögel, der Dichter, der Universitäten, der Dome -- er ist selbst ein lebendiger Dom, ein immerwährender Gottesdienst der Begeisterung. Aber er blieb auch unvollendet dieser Dom, die Erde ließ ihn im Stiche, weil er ihr gradeswegs gegen Himmel davonlief. Wohlan, der rührige Yankee ist ganz der Mann dazu, diesen himmlischen Stum¬ mel auszumauern. Lassen Sie seine Winden und Hebel spielen an sich, aber während er nur "Maschinenarbeit in Accord" zu machen
hat mit einer Viertelmillion in Thran fallirt, und ſtreift ſich luſtig die Hemdärmel auf, um rechts ein Buſhel Zwiebel zu meſſen, und links ein Rudel Schulrangen zu Paaren zu treiben — der Anfang zu einer neuen Viertelmillion. Und ich, der Rector magnificus, wie Sie ſagen, helfe ihm Zwiebel meſſen und Schulkinder kämmen, da ich doch jede Profeſſorenſtelle am Harvard-College verſehen könnte, — nur daß ich ſie noch nicht habe. Das iſt amerikaniſche Handwerks¬ ehre! Nichts iſt ſo gering hier, womit man nicht anfängt, aber nichts ſo hoch, womit man nicht enden wollte. Der Deutſche macht's um¬ gekehrt. Es ekelt ihm vor der ſeichten Stelle, wo Fröſche laichen, er wagt ſich aber auch nicht hinaus', wo Silberflotten ſegeln. Er kennt kein Fortſchreiten von Einem zum Andern, ſondern ein hübſches Be¬ harren in der Mitte. Meine Herren, das taugt nichts, und wär' es nicht ſchon ſo ſpät, ich würd' es eine Millionmal wiederholen: es taugt nichts! Dieſe freie Beweglichkeit, dieſe entſchloſſene Thatkraft, dieſe vollkommene Herrſchaft über ſich in allem äußern Handeln müſſen Sie von Amerika lernen. Fürchten Sie deßhalb nicht gleich im Yankee¬ thum aufgehen zu müſſen. Sie können dem Yankee tauſend deutſche Tugenden dafür zurückgeben, und ihn eben ſo gut in unſerm Volks¬ thum aufgehen laſſen. Das iſt ja der Plan, den die Vorſehung mit der deutſchen Einwanderung nach Amerika im Schilde führt. Die zwei reichſten Völker der Erde ſollen ihr Kapital auf Einen Satz einlegen, ein Product ſoll entſtehen, welches der beſte Jahrgang im Weinberge der Menſchheit wird. Der Amerikaner hält ſeine Hand über Meer und Erde, jede Muskel an ihm iſt ein Königreich werth — er iſt der Gott der Materie. Dafür hat er ſich auch das Geiſtige vom Halſe geſchafft und Kunſt, Wiſſenſchaft und Religion in einer blechernen Formelbüchſe getrocknet zum haſtigſten Verzehr mittelſt einer Kanne Theewaſſer. Der Deutſche kommt aus dem Lande der Wald¬ vögel, der Dichter, der Univerſitäten, der Dome — er iſt ſelbſt ein lebendiger Dom, ein immerwährender Gottesdienſt der Begeiſterung. Aber er blieb auch unvollendet dieſer Dom, die Erde ließ ihn im Stiche, weil er ihr gradeswegs gegen Himmel davonlief. Wohlan, der rührige Yankee iſt ganz der Mann dazu, dieſen himmliſchen Stum¬ mel auszumauern. Laſſen Sie ſeine Winden und Hebel ſpielen an ſich, aber während er nur „Maſchinenarbeit in Accord“ zu machen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="132"/>
hat mit einer Viertelmillion in Thran fallirt, und ſtreift ſich luſtig<lb/>
die Hemdärmel auf, um rechts ein Buſhel Zwiebel zu meſſen, und<lb/>
links ein Rudel Schulrangen zu Paaren zu treiben — der Anfang<lb/>
zu einer neuen Viertelmillion. Und ich, der <hirendition="#aq">Rector magnificus,</hi> wie<lb/>
Sie ſagen, helfe ihm Zwiebel meſſen und Schulkinder kämmen, da ich<lb/>
doch jede Profeſſorenſtelle am <hirendition="#aq">Harvard-College</hi> verſehen könnte, —<lb/>
nur daß ich ſie noch nicht habe. Das iſt amerikaniſche Handwerks¬<lb/>
ehre! Nichts iſt ſo gering hier, womit man nicht anfängt, aber nichts<lb/>ſo hoch, womit man nicht enden wollte. Der Deutſche macht's um¬<lb/>
gekehrt. Es ekelt ihm vor der ſeichten Stelle, wo Fröſche laichen, er<lb/>
wagt ſich aber auch nicht hinaus', wo Silberflotten ſegeln. Er kennt<lb/>
kein Fortſchreiten von Einem zum Andern, ſondern ein hübſches Be¬<lb/>
harren in der Mitte. Meine Herren, das taugt nichts, und wär' es<lb/>
nicht ſchon ſo ſpät, ich würd' es eine Millionmal wiederholen: es<lb/>
taugt nichts! Dieſe freie Beweglichkeit, dieſe entſchloſſene Thatkraft,<lb/>
dieſe vollkommene Herrſchaft über ſich in allem äußern Handeln müſſen<lb/>
Sie von Amerika lernen. Fürchten Sie deßhalb nicht gleich im Yankee¬<lb/>
thum aufgehen zu müſſen. Sie können dem Yankee tauſend deutſche<lb/>
Tugenden dafür zurückgeben, und ihn eben ſo gut in unſerm Volks¬<lb/>
thum aufgehen laſſen. Das iſt ja der Plan, den die Vorſehung mit<lb/>
der deutſchen Einwanderung nach Amerika im Schilde führt. Die<lb/>
zwei reichſten Völker der Erde ſollen ihr Kapital auf <hirendition="#g">Einen</hi> Satz<lb/>
einlegen, ein Product ſoll entſtehen, welches der beſte Jahrgang im<lb/>
Weinberge der Menſchheit wird. Der Amerikaner hält ſeine Hand<lb/>
über Meer und Erde, jede Muskel an ihm iſt ein Königreich werth —<lb/>
er iſt der Gott der Materie. Dafür hat er ſich auch das Geiſtige<lb/>
vom Halſe geſchafft und Kunſt, Wiſſenſchaft und Religion in einer<lb/>
blechernen Formelbüchſe getrocknet zum haſtigſten Verzehr mittelſt einer<lb/>
Kanne Theewaſſer. Der Deutſche kommt aus dem Lande der Wald¬<lb/>
vögel, der Dichter, der Univerſitäten, der Dome — er iſt ſelbſt ein<lb/>
lebendiger Dom, ein immerwährender Gottesdienſt der Begeiſterung.<lb/>
Aber er blieb auch unvollendet dieſer Dom, die Erde ließ ihn im<lb/>
Stiche, weil er ihr gradeswegs gegen Himmel davonlief. Wohlan,<lb/>
der rührige Yankee iſt ganz der Mann dazu, dieſen himmliſchen Stum¬<lb/>
mel auszumauern. Laſſen Sie ſeine Winden und Hebel ſpielen an<lb/>ſich, aber während er nur „Maſchinenarbeit in Accord“ zu machen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0150]
hat mit einer Viertelmillion in Thran fallirt, und ſtreift ſich luſtig
die Hemdärmel auf, um rechts ein Buſhel Zwiebel zu meſſen, und
links ein Rudel Schulrangen zu Paaren zu treiben — der Anfang
zu einer neuen Viertelmillion. Und ich, der Rector magnificus, wie
Sie ſagen, helfe ihm Zwiebel meſſen und Schulkinder kämmen, da ich
doch jede Profeſſorenſtelle am Harvard-College verſehen könnte, —
nur daß ich ſie noch nicht habe. Das iſt amerikaniſche Handwerks¬
ehre! Nichts iſt ſo gering hier, womit man nicht anfängt, aber nichts
ſo hoch, womit man nicht enden wollte. Der Deutſche macht's um¬
gekehrt. Es ekelt ihm vor der ſeichten Stelle, wo Fröſche laichen, er
wagt ſich aber auch nicht hinaus', wo Silberflotten ſegeln. Er kennt
kein Fortſchreiten von Einem zum Andern, ſondern ein hübſches Be¬
harren in der Mitte. Meine Herren, das taugt nichts, und wär' es
nicht ſchon ſo ſpät, ich würd' es eine Millionmal wiederholen: es
taugt nichts! Dieſe freie Beweglichkeit, dieſe entſchloſſene Thatkraft,
dieſe vollkommene Herrſchaft über ſich in allem äußern Handeln müſſen
Sie von Amerika lernen. Fürchten Sie deßhalb nicht gleich im Yankee¬
thum aufgehen zu müſſen. Sie können dem Yankee tauſend deutſche
Tugenden dafür zurückgeben, und ihn eben ſo gut in unſerm Volks¬
thum aufgehen laſſen. Das iſt ja der Plan, den die Vorſehung mit
der deutſchen Einwanderung nach Amerika im Schilde führt. Die
zwei reichſten Völker der Erde ſollen ihr Kapital auf Einen Satz
einlegen, ein Product ſoll entſtehen, welches der beſte Jahrgang im
Weinberge der Menſchheit wird. Der Amerikaner hält ſeine Hand
über Meer und Erde, jede Muskel an ihm iſt ein Königreich werth —
er iſt der Gott der Materie. Dafür hat er ſich auch das Geiſtige
vom Halſe geſchafft und Kunſt, Wiſſenſchaft und Religion in einer
blechernen Formelbüchſe getrocknet zum haſtigſten Verzehr mittelſt einer
Kanne Theewaſſer. Der Deutſche kommt aus dem Lande der Wald¬
vögel, der Dichter, der Univerſitäten, der Dome — er iſt ſelbſt ein
lebendiger Dom, ein immerwährender Gottesdienſt der Begeiſterung.
Aber er blieb auch unvollendet dieſer Dom, die Erde ließ ihn im
Stiche, weil er ihr gradeswegs gegen Himmel davonlief. Wohlan,
der rührige Yankee iſt ganz der Mann dazu, dieſen himmliſchen Stum¬
mel auszumauern. Laſſen Sie ſeine Winden und Hebel ſpielen an
ſich, aber während er nur „Maſchinenarbeit in Accord“ zu machen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/150>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.