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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Gärtner hier in einen höchst pfiffigen Pacht gibt -- so lange natür¬
lich bis der Grund verbessert und die Frankfurter Gartenkunst vom
Yankee abgemerkt ist. Herr Birk hat sich nicht mit Unrecht die Frage
eigen gemacht, was der Zweck dieses Daseins sei? Deßungeachtet hat
Herr Birk ausgesorgt auf diesem Sandparadiese -- es liegt ja in
Kleindeutschland! Freilich hat Herr Birk gehört, daß in Cincinnati
eine gewinnreiche Blumenkultur florirt, daß ferner Cincinnati ein Hauptsitz
der Deutschen ist, und also ohne Zweifel auch guten Gemüse-Consum
hat: aber -- hier bedrängt uns eine andere Verlegenheit -- Reise¬
geld! Das ist der Punkt, "der Unglück läßt zu hohen Jahren kommen",
wie Hamlet sagt. Zwar trete ich mit dem Rath hervor, Reisegeld im
nächstbesten Taglohn zu verdienen -- das heißt jedoch die große Allarm¬
kanone abprotzen! Der deutsche Handwerksstolz ist empört bei dem
Gedanken des Taglöhners, das deutsche Handwerk fürchtet an seiner
Ehre zu freveln, wenn es Steine klopft oder die Schiffswinde dreht.

Meine Herren! wir alle hatten einen Hügel, von dem unsre El¬
tern, Geschwister und Freunde zum letzten Male ihre Taschentücher
schwenkten; auch wir knüpften die unsrigen an die Wanderstöcke, das
wehmuthsvolle Geflatter ging hin und her, wir glaubten nicht, daß
es ein Ende nehmen könne. Als es aber doch zu Ende war, da
rafften wir uns mannhaft empor und nun hieß es tapfer: Deutschland
ade! Wir versprachen uns, als neue Menschen die neue Welt zu be¬
treten. Wie, meine Herren, halten wir so Wort? Wehen die ver¬
weinten Taschentücher noch einmal? Wo bleibt der herzhafte Ab¬
schiedsruf: Deutschland ade? Ha, sind wir Auswanderer, die nicht
ausgewandert sind? Das verhüte Gott, meine Herren, denn dann wä¬
ren wir die unglücklichste Bastard-Gattung von allen Gattungen des
Thierreichs.

Verstehen Sie mich recht, meine Herren. Sie haben keinen jener
falschen Propheten vor sich, welche den perfiden Gemeinplatz ausbreiten,
der Deutsche müsse sich möglichst schnell yankeesiren, um sein Glück
zu machen. Nichts weniger. Ich beschwöre Sie sogar: schärfen und
schleifen Sie alle Spitzen Ihrer Nationalität wie ein chirurgisches
Besteck, und zerfleischen Sie Jeden damit, der Ihnen zu nahe tritt.
Ihren deutschen Tiefsinn stemmen Sie entgegen der routinirten Flach¬
heit, Ihr deutsches Gemüth der höflichen Herzenskälte, Ihre deutsche

D.B. VII. Der Amerika-Müde. 9

Gärtner hier in einen höchſt pfiffigen Pacht gibt — ſo lange natür¬
lich bis der Grund verbeſſert und die Frankfurter Gartenkunſt vom
Yankee abgemerkt iſt. Herr Birk hat ſich nicht mit Unrecht die Frage
eigen gemacht, was der Zweck dieſes Daſeins ſei? Deßungeachtet hat
Herr Birk ausgeſorgt auf dieſem Sandparadieſe — es liegt ja in
Kleindeutſchland! Freilich hat Herr Birk gehört, daß in Cincinnati
eine gewinnreiche Blumenkultur florirt, daß ferner Cincinnati ein Hauptſitz
der Deutſchen iſt, und alſo ohne Zweifel auch guten Gemüſe-Conſum
hat: aber — hier bedrängt uns eine andere Verlegenheit — Reiſe¬
geld! Das iſt der Punkt, „der Unglück läßt zu hohen Jahren kommen“,
wie Hamlet ſagt. Zwar trete ich mit dem Rath hervor, Reiſegeld im
nächſtbeſten Taglohn zu verdienen — das heißt jedoch die große Allarm¬
kanone abprotzen! Der deutſche Handwerksſtolz iſt empört bei dem
Gedanken des Taglöhners, das deutſche Handwerk fürchtet an ſeiner
Ehre zu freveln, wenn es Steine klopft oder die Schiffswinde dreht.

Meine Herren! wir alle hatten einen Hügel, von dem unſre El¬
tern, Geſchwiſter und Freunde zum letzten Male ihre Taſchentücher
ſchwenkten; auch wir knüpften die unſrigen an die Wanderſtöcke, das
wehmuthsvolle Geflatter ging hin und her, wir glaubten nicht, daß
es ein Ende nehmen könne. Als es aber doch zu Ende war, da
rafften wir uns mannhaft empor und nun hieß es tapfer: Deutſchland
ade! Wir verſprachen uns, als neue Menſchen die neue Welt zu be¬
treten. Wie, meine Herren, halten wir ſo Wort? Wehen die ver¬
weinten Taſchentücher noch einmal? Wo bleibt der herzhafte Ab¬
ſchiedsruf: Deutſchland ade? Ha, ſind wir Auswanderer, die nicht
ausgewandert ſind? Das verhüte Gott, meine Herren, denn dann wä¬
ren wir die unglücklichſte Baſtard-Gattung von allen Gattungen des
Thierreichs.

Verſtehen Sie mich recht, meine Herren. Sie haben keinen jener
falſchen Propheten vor ſich, welche den perfiden Gemeinplatz ausbreiten,
der Deutſche müſſe ſich möglichſt ſchnell yankeeſiren, um ſein Glück
zu machen. Nichts weniger. Ich beſchwöre Sie ſogar: ſchärfen und
ſchleifen Sie alle Spitzen Ihrer Nationalität wie ein chirurgiſches
Beſteck, und zerfleiſchen Sie Jeden damit, der Ihnen zu nahe tritt.
Ihren deutſchen Tiefſinn ſtemmen Sie entgegen der routinirten Flach¬
heit, Ihr deutſches Gemüth der höflichen Herzenskälte, Ihre deutſche

D.B. VII. Der Amerika-Müde. 9
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[129/0147] Gärtner hier in einen höchſt pfiffigen Pacht gibt — ſo lange natür¬ lich bis der Grund verbeſſert und die Frankfurter Gartenkunſt vom Yankee abgemerkt iſt. Herr Birk hat ſich nicht mit Unrecht die Frage eigen gemacht, was der Zweck dieſes Daſeins ſei? Deßungeachtet hat Herr Birk ausgeſorgt auf dieſem Sandparadieſe — es liegt ja in Kleindeutſchland! Freilich hat Herr Birk gehört, daß in Cincinnati eine gewinnreiche Blumenkultur florirt, daß ferner Cincinnati ein Hauptſitz der Deutſchen iſt, und alſo ohne Zweifel auch guten Gemüſe-Conſum hat: aber — hier bedrängt uns eine andere Verlegenheit — Reiſe¬ geld! Das iſt der Punkt, „der Unglück läßt zu hohen Jahren kommen“, wie Hamlet ſagt. Zwar trete ich mit dem Rath hervor, Reiſegeld im nächſtbeſten Taglohn zu verdienen — das heißt jedoch die große Allarm¬ kanone abprotzen! Der deutſche Handwerksſtolz iſt empört bei dem Gedanken des Taglöhners, das deutſche Handwerk fürchtet an ſeiner Ehre zu freveln, wenn es Steine klopft oder die Schiffswinde dreht. Meine Herren! wir alle hatten einen Hügel, von dem unſre El¬ tern, Geſchwiſter und Freunde zum letzten Male ihre Taſchentücher ſchwenkten; auch wir knüpften die unſrigen an die Wanderſtöcke, das wehmuthsvolle Geflatter ging hin und her, wir glaubten nicht, daß es ein Ende nehmen könne. Als es aber doch zu Ende war, da rafften wir uns mannhaft empor und nun hieß es tapfer: Deutſchland ade! Wir verſprachen uns, als neue Menſchen die neue Welt zu be¬ treten. Wie, meine Herren, halten wir ſo Wort? Wehen die ver¬ weinten Taſchentücher noch einmal? Wo bleibt der herzhafte Ab¬ ſchiedsruf: Deutſchland ade? Ha, ſind wir Auswanderer, die nicht ausgewandert ſind? Das verhüte Gott, meine Herren, denn dann wä¬ ren wir die unglücklichſte Baſtard-Gattung von allen Gattungen des Thierreichs. Verſtehen Sie mich recht, meine Herren. Sie haben keinen jener falſchen Propheten vor ſich, welche den perfiden Gemeinplatz ausbreiten, der Deutſche müſſe ſich möglichſt ſchnell yankeeſiren, um ſein Glück zu machen. Nichts weniger. Ich beſchwöre Sie ſogar: ſchärfen und ſchleifen Sie alle Spitzen Ihrer Nationalität wie ein chirurgiſches Beſteck, und zerfleiſchen Sie Jeden damit, der Ihnen zu nahe tritt. Ihren deutſchen Tiefſinn ſtemmen Sie entgegen der routinirten Flach¬ heit, Ihr deutſches Gemüth der höflichen Herzenskälte, Ihre deutſche D.B. VII. Der Amerika-Müde. 9

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/147>, abgerufen am 24.11.2024.