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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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fortwährend werden Gebrauch machen wollen. Ich bedauere nur, daß
Sie die Beute von Betrügern geworden sind, eh' ich das Vergnügen
hatte, Sie zu besuchen. Die Richtschnur sich vor zukünftigem Schaden
zu bewahren ist im Wesentlichen diese: der Lehrling accordirt ein
Lehrgeld von zehn Dollar auf unbestimmte Zeit, d. h. bis er die
Fabrikation sämmtlicher Cigarren-Sorten gut und tüchtig gelernt
hat. Zugleich läßt er sich jedes selbstgefertigte, brauchbare Stück Ci¬
garre bezahlen, und zwar zu dem üblichen Preis. Das ist das einzig
reelle Verfahren. Meister, welche andere Bedingungen stellen, sind
Schwindler; Sie finden aber auch auf diese noch der Ehrlichen genug.
Ich notirte mir eine Reihe derselben zu Ihrem beliebigen Gebrauch.

Benthal gab eine Anzahl von Zetteln hintan zur großen Befrie¬
digung Vieler, welche mit Eifer darnach griffen. Nur hin und wieder
sah man eine Hand unschlüssig zucken -- unschlüssig zwischen dem
Orange der Noth und einem sehr bemerkbaren bürgerlichen Meister¬
stolz, der noch schnell zu überrechnen schien, ob seine Kasse vorhalten
würde, auch ohne dieses dargebotene Auskunftsmittel. Hin und wieder
hörte man aber auch den halb unterdrückten Seufzer eines Armen,
der traurig die vertheilten Adressen an sich vorübergehen ließ, weil
seine Umstände bereits so schlimm waren, daß sie ihm einen Aufwand
von zehn Dollar Lehrgeld nicht mehr erlaubten. Personen dieser beiden
Farben waren es, welche den Rector jetzt mit Fragen anlagen, was
ihm Entscheidendes über ihre betreffenden Berufszweige etwa bekannt
geworden. Benthal beschied sie so gut er's vermochte, ermangelnden
Falls machte er sich Noten und versprach möglichste Auskunft für das
Nächstemal. Daneben gab es aber auch welche, die sich selbst weder
in diese noch in jene der bezeichneten Schicksalskategorien zu rangiren
wußten, und offenbar noch keinerlei Mittel zwischen sich und der neuen
Welt gefunden hatten. So z. B. gestand der Schneider aus Würtem¬
berg unverhohlen, daß er sich in totaler Confusion über sein Geschäft
befinde. Agenten, Briefe von Auswanderern, kurz Alles hätte zu
Hause übereingestimmt, nichts sei sicherer und lohnender hier als die
Schneiderei. Nun laufe er aber schon wochenlang ohne einen Stich in
Newyork herum. Auch Landsleute am Hafen hätten ihm jede Hoffnung --

Nichts von den Landsleuten am Hafen! fiel Benthal lebhaft da¬
zwischen, die Race[ - 1 Zeichen fehlt]kennen wir! Das sind aller Welt Landsleute.

fortwährend werden Gebrauch machen wollen. Ich bedauere nur, daß
Sie die Beute von Betrügern geworden ſind, eh' ich das Vergnügen
hatte, Sie zu beſuchen. Die Richtſchnur ſich vor zukünftigem Schaden
zu bewahren iſt im Weſentlichen dieſe: der Lehrling accordirt ein
Lehrgeld von zehn Dollar auf unbeſtimmte Zeit, d. h. bis er die
Fabrikation ſämmtlicher Cigarren-Sorten gut und tüchtig gelernt
hat. Zugleich läßt er ſich jedes ſelbſtgefertigte, brauchbare Stück Ci¬
garre bezahlen, und zwar zu dem üblichen Preis. Das iſt das einzig
reelle Verfahren. Meiſter, welche andere Bedingungen ſtellen, ſind
Schwindler; Sie finden aber auch auf dieſe noch der Ehrlichen genug.
Ich notirte mir eine Reihe derſelben zu Ihrem beliebigen Gebrauch.

Benthal gab eine Anzahl von Zetteln hintan zur großen Befrie¬
digung Vieler, welche mit Eifer darnach griffen. Nur hin und wieder
ſah man eine Hand unſchlüſſig zucken — unſchlüſſig zwiſchen dem
Orange der Noth und einem ſehr bemerkbaren bürgerlichen Meiſter¬
ſtolz, der noch ſchnell zu überrechnen ſchien, ob ſeine Kaſſe vorhalten
würde, auch ohne dieſes dargebotene Auskunftsmittel. Hin und wieder
hörte man aber auch den halb unterdrückten Seufzer eines Armen,
der traurig die vertheilten Adreſſen an ſich vorübergehen ließ, weil
ſeine Umſtände bereits ſo ſchlimm waren, daß ſie ihm einen Aufwand
von zehn Dollar Lehrgeld nicht mehr erlaubten. Perſonen dieſer beiden
Farben waren es, welche den Rector jetzt mit Fragen anlagen, was
ihm Entſcheidendes über ihre betreffenden Berufszweige etwa bekannt
geworden. Benthal beſchied ſie ſo gut er's vermochte, ermangelnden
Falls machte er ſich Noten und verſprach möglichſte Auskunft für das
Nächſtemal. Daneben gab es aber auch welche, die ſich ſelbſt weder
in dieſe noch in jene der bezeichneten Schickſalskategorien zu rangiren
wußten, und offenbar noch keinerlei Mittel zwiſchen ſich und der neuen
Welt gefunden hatten. So z. B. geſtand der Schneider aus Würtem¬
berg unverhohlen, daß er ſich in totaler Confuſion über ſein Geſchäft
befinde. Agenten, Briefe von Auswanderern, kurz Alles hätte zu
Hauſe übereingeſtimmt, nichts ſei ſicherer und lohnender hier als die
Schneiderei. Nun laufe er aber ſchon wochenlang ohne einen Stich in
Newyork herum. Auch Landsleute am Hafen hätten ihm jede Hoffnung —

Nichts von den Landsleuten am Hafen! fiel Benthal lebhaft da¬
zwiſchen, die Race[ – 1 Zeichen fehlt]kennen wir! Das ſind aller Welt Landsleute.

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[120/0138] fortwährend werden Gebrauch machen wollen. Ich bedauere nur, daß Sie die Beute von Betrügern geworden ſind, eh' ich das Vergnügen hatte, Sie zu beſuchen. Die Richtſchnur ſich vor zukünftigem Schaden zu bewahren iſt im Weſentlichen dieſe: der Lehrling accordirt ein Lehrgeld von zehn Dollar auf unbeſtimmte Zeit, d. h. bis er die Fabrikation ſämmtlicher Cigarren-Sorten gut und tüchtig gelernt hat. Zugleich läßt er ſich jedes ſelbſtgefertigte, brauchbare Stück Ci¬ garre bezahlen, und zwar zu dem üblichen Preis. Das iſt das einzig reelle Verfahren. Meiſter, welche andere Bedingungen ſtellen, ſind Schwindler; Sie finden aber auch auf dieſe noch der Ehrlichen genug. Ich notirte mir eine Reihe derſelben zu Ihrem beliebigen Gebrauch. Benthal gab eine Anzahl von Zetteln hintan zur großen Befrie¬ digung Vieler, welche mit Eifer darnach griffen. Nur hin und wieder ſah man eine Hand unſchlüſſig zucken — unſchlüſſig zwiſchen dem Orange der Noth und einem ſehr bemerkbaren bürgerlichen Meiſter¬ ſtolz, der noch ſchnell zu überrechnen ſchien, ob ſeine Kaſſe vorhalten würde, auch ohne dieſes dargebotene Auskunftsmittel. Hin und wieder hörte man aber auch den halb unterdrückten Seufzer eines Armen, der traurig die vertheilten Adreſſen an ſich vorübergehen ließ, weil ſeine Umſtände bereits ſo ſchlimm waren, daß ſie ihm einen Aufwand von zehn Dollar Lehrgeld nicht mehr erlaubten. Perſonen dieſer beiden Farben waren es, welche den Rector jetzt mit Fragen anlagen, was ihm Entſcheidendes über ihre betreffenden Berufszweige etwa bekannt geworden. Benthal beſchied ſie ſo gut er's vermochte, ermangelnden Falls machte er ſich Noten und verſprach möglichſte Auskunft für das Nächſtemal. Daneben gab es aber auch welche, die ſich ſelbſt weder in dieſe noch in jene der bezeichneten Schickſalskategorien zu rangiren wußten, und offenbar noch keinerlei Mittel zwiſchen ſich und der neuen Welt gefunden hatten. So z. B. geſtand der Schneider aus Würtem¬ berg unverhohlen, daß er ſich in totaler Confuſion über ſein Geſchäft befinde. Agenten, Briefe von Auswanderern, kurz Alles hätte zu Hauſe übereingeſtimmt, nichts ſei ſicherer und lohnender hier als die Schneiderei. Nun laufe er aber ſchon wochenlang ohne einen Stich in Newyork herum. Auch Landsleute am Hafen hätten ihm jede Hoffnung — Nichts von den Landsleuten am Hafen! fiel Benthal lebhaft da¬ zwiſchen, die Race_kennen wir! Das ſind aller Welt Landsleute.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/138>, abgerufen am 24.11.2024.