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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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webstühlen ausschließlich Leute vom Fach, die gut eingearbeitet sind,
nicht Praktikanten. Ueberdies versteht Herr Sorau kein Wort englisch.
Sagen Sie ihm also, es ist ein Glückspiel wie Pharao, wenn er länger
auf Verdienst in seinem Metier wartet.

Was soll er machen? fragte Sallmann achselzuckend.

Cigarren, antwortete Benthal hingeworfen.

Damit sind wir abgefahren, rief augenblicklich eine gute Anzahl
von Stimmen.

Ich will Ihnen auch erzählen wie es zuging, antwortete Benthal.
Sie nahmen die nächstbeste Zeitung zur Hand, und suchten und fanden
darin Annoncen, nach welchen, wie es hieß, "unter den solidesten Be¬
dingungen" Lehrlinge angenommen wurden. Ist es so?

Ja! ja!

Die Bedingungen waren: vier Wochen Lehrzeit und zehn bis
sechzehn Dollar Lehrgeld bei eigener Beköstigung. Waren das Ihre
Bedingungen?

Ja! ja!

Sie gingen auf dieselben ein. Nach der ersten Woche waren Sie
fähig, die ordinärste Penny-Cigarre zu fertigen. Dabei blieb's aber
auch die drei folgenden Wochen. Ihr sogenannter Meister verharrte
bei der Penny-Sorte. Sie aber kannten als Neulinge weder den ge¬
ringen Tabak, noch den geringen Preis, Sie kannten die schlechte
Rentabilität dieser Sorte nicht, wußten also auch nicht, was das ganze
Manövre mit Ihnen zu bedeuten hatte. Es bedeutete aber dieses:
Ihr sogenannter Meister hatte auf drei Wochen einen Arbeiter, den
er nicht bezahlte, von dem er umgekehrt bezahlt wurde. Als Sie dann
selbständig zu arbeiten anfingen, merkten Sie erst, auf welch' geringer
Stufe Ihrer Ausbildung Sie standen. Die Penny-Sorte hatte zwar
Ihrem sogenannten Meister rentirt, der ja Lohn sparte und Lohn
empfing; Sie dagegen verdienten nicht das Salz dabei. Für die fei¬
nere Arbeit, die besser bezahlt wird, hätten Sie einer neuen Lehrzeit
bedurft. Dazu fehlte aber jetzt: Muth, Geduld, Geld! So gaben
Sie das Cigarrenmachen auf. Ist es so?

Ja! ja! war die einstimmige Antwort der Obigen.

Benthal fuhr fort: Ich habe mich speciell über diese Verhältnisse
belehren lassen, weil ich annehmen muß, daß Viele von Ihnen davon

webſtühlen ausſchließlich Leute vom Fach, die gut eingearbeitet ſind,
nicht Praktikanten. Ueberdies verſteht Herr Sorau kein Wort engliſch.
Sagen Sie ihm alſo, es iſt ein Glückſpiel wie Pharao, wenn er länger
auf Verdienſt in ſeinem Metier wartet.

Was ſoll er machen? fragte Sallmann achſelzuckend.

Cigarren, antwortete Benthal hingeworfen.

Damit ſind wir abgefahren, rief augenblicklich eine gute Anzahl
von Stimmen.

Ich will Ihnen auch erzählen wie es zuging, antwortete Benthal.
Sie nahmen die nächſtbeſte Zeitung zur Hand, und ſuchten und fanden
darin Annoncen, nach welchen, wie es hieß, „unter den ſolideſten Be¬
dingungen“ Lehrlinge angenommen wurden. Iſt es ſo?

Ja! ja!

Die Bedingungen waren: vier Wochen Lehrzeit und zehn bis
ſechzehn Dollar Lehrgeld bei eigener Beköſtigung. Waren das Ihre
Bedingungen?

Ja! ja!

Sie gingen auf dieſelben ein. Nach der erſten Woche waren Sie
fähig, die ordinärſte Penny-Cigarre zu fertigen. Dabei blieb's aber
auch die drei folgenden Wochen. Ihr ſogenannter Meiſter verharrte
bei der Penny-Sorte. Sie aber kannten als Neulinge weder den ge¬
ringen Tabak, noch den geringen Preis, Sie kannten die ſchlechte
Rentabilität dieſer Sorte nicht, wußten alſo auch nicht, was das ganze
Manövre mit Ihnen zu bedeuten hatte. Es bedeutete aber dieſes:
Ihr ſogenannter Meiſter hatte auf drei Wochen einen Arbeiter, den
er nicht bezahlte, von dem er umgekehrt bezahlt wurde. Als Sie dann
ſelbſtändig zu arbeiten anfingen, merkten Sie erſt, auf welch' geringer
Stufe Ihrer Ausbildung Sie ſtanden. Die Penny-Sorte hatte zwar
Ihrem ſogenannten Meiſter rentirt, der ja Lohn ſparte und Lohn
empfing; Sie dagegen verdienten nicht das Salz dabei. Für die fei¬
nere Arbeit, die beſſer bezahlt wird, hätten Sie einer neuen Lehrzeit
bedurft. Dazu fehlte aber jetzt: Muth, Geduld, Geld! So gaben
Sie das Cigarrenmachen auf. Iſt es ſo?

Ja! ja! war die einſtimmige Antwort der Obigen.

Benthal fuhr fort: Ich habe mich ſpeciell über dieſe Verhältniſſe
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[119/0137] webſtühlen ausſchließlich Leute vom Fach, die gut eingearbeitet ſind, nicht Praktikanten. Ueberdies verſteht Herr Sorau kein Wort engliſch. Sagen Sie ihm alſo, es iſt ein Glückſpiel wie Pharao, wenn er länger auf Verdienſt in ſeinem Metier wartet. Was ſoll er machen? fragte Sallmann achſelzuckend. Cigarren, antwortete Benthal hingeworfen. Damit ſind wir abgefahren, rief augenblicklich eine gute Anzahl von Stimmen. Ich will Ihnen auch erzählen wie es zuging, antwortete Benthal. Sie nahmen die nächſtbeſte Zeitung zur Hand, und ſuchten und fanden darin Annoncen, nach welchen, wie es hieß, „unter den ſolideſten Be¬ dingungen“ Lehrlinge angenommen wurden. Iſt es ſo? Ja! ja! Die Bedingungen waren: vier Wochen Lehrzeit und zehn bis ſechzehn Dollar Lehrgeld bei eigener Beköſtigung. Waren das Ihre Bedingungen? Ja! ja! Sie gingen auf dieſelben ein. Nach der erſten Woche waren Sie fähig, die ordinärſte Penny-Cigarre zu fertigen. Dabei blieb's aber auch die drei folgenden Wochen. Ihr ſogenannter Meiſter verharrte bei der Penny-Sorte. Sie aber kannten als Neulinge weder den ge¬ ringen Tabak, noch den geringen Preis, Sie kannten die ſchlechte Rentabilität dieſer Sorte nicht, wußten alſo auch nicht, was das ganze Manövre mit Ihnen zu bedeuten hatte. Es bedeutete aber dieſes: Ihr ſogenannter Meiſter hatte auf drei Wochen einen Arbeiter, den er nicht bezahlte, von dem er umgekehrt bezahlt wurde. Als Sie dann ſelbſtändig zu arbeiten anfingen, merkten Sie erſt, auf welch' geringer Stufe Ihrer Ausbildung Sie ſtanden. Die Penny-Sorte hatte zwar Ihrem ſogenannten Meiſter rentirt, der ja Lohn ſparte und Lohn empfing; Sie dagegen verdienten nicht das Salz dabei. Für die fei¬ nere Arbeit, die beſſer bezahlt wird, hätten Sie einer neuen Lehrzeit bedurft. Dazu fehlte aber jetzt: Muth, Geduld, Geld! So gaben Sie das Cigarrenmachen auf. Iſt es ſo? Ja! ja! war die einſtimmige Antwort der Obigen. Benthal fuhr fort: Ich habe mich ſpeciell über dieſe Verhältniſſe belehren laſſen, weil ich annehmen muß, daß Viele von Ihnen davon

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/137>, abgerufen am 25.11.2024.