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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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schem Namen und Charakter auf, und hatte seine Gründe, sich im
Hause des Gouverneurs einzuschmuggeln. Er legte sich auf's "Kamm¬
streicheln". So nennt der Amerikaner seine nationale Kunst, durch
Flattiren einen Zweck zu erreichen. Der Darsteller machte es nicht
schlecht. Die versteckte Bosheit und die geheuchelte Freundlichkeit
mischte er in der That mit einigen Begriffen von Kunst. Im Stücke
erreichte er auch seinen Zweck, denn der Gouverneur bat ihn zum
Thee, d. h. er wünschte seine Bekanntschaft fortzusetzen. In dem
Monolog, der hierauf folgte, wies aber der Intriguant sogleich die
Teufelsklaue. Er erklärte dem Publikum, er habe es auf die Nichte
des Gouverneurs, Jane Norwood, abgesehen, deren außerordentliche
Schönheit ihn auf den Gedanken gebracht, sie zu rauben und zu
New-Orleans als Sclavin zu verkaufen. Glücklicherweise sei sie eine
Brünette, und wenn er's pfiffig anfange, so werde er sie als angeb¬
liche Terz- oder Quaterone (denn der letzte Tropfen Negerblut ist ja
noch verkäuflich, sagte er mit tendenziös erhobener Stimme) so werde
er sie ohne Gefahr des Verraths theuer "an den Mann bringen",
wie er mit faunischer Zweideutigkeit betonte. Aber die gelungene
Mimik kam dem armen Künstler zunächst selbst theuer zu stehen.
Das Parterre-Publikum der Straßenjungen überschüttete den' Böse¬
wicht mit einem Hagel von faulen Eiern. Sie schienen so un¬
erschöpfliche Ladungen dieses übelriechenden Materials mit sich zu füh¬
ren, daß der Gestank desselben sich bald durch's ganze Haus verbreitete.
Moorfeld bat seinen Nachbar, ob er diesem Kunstgenuß vielleicht mit
einem Flacon eau de Cologne zu Hilfe kommen könne. Der Mann
reichte seine Tabatiere, brummte aber den Tumultuanten im Parterre
kopfnickend zu: Brave Bursche! werden früh Abolitionisten! Moorfeld
begriff bei diesem Schlagworte die ganze Demonstration, der Schauspieler
selbst aber, dem dieselbe galt, schien vollkommen vertraut mit solchen
Auftritten, ja fast geschmeichelt, und trat, als ihm eben ein Ei gegen
die Stirne flog, und zum allgemeinen Jubel wie ein Horn daran
festkleben blieb, mit großer Gelassenheit vor die Lampen, indem er das
jugendliche Gesindel im Parterre anredete: Meine Herren! ich erlaube
mir, Ihnen den Vorschlag zu machen, das sittliche Ungeheuer, welches
ich darzustellen die Ehre habe, statt mit faulen Eiern vielleicht lieber
mit Pomeranzenschalen oder andern trockenen Dingen zu bewerfen.

ſchem Namen und Charakter auf, und hatte ſeine Gründe, ſich im
Hauſe des Gouverneurs einzuſchmuggeln. Er legte ſich auf's „Kamm¬
ſtreicheln“. So nennt der Amerikaner ſeine nationale Kunſt, durch
Flattiren einen Zweck zu erreichen. Der Darſteller machte es nicht
ſchlecht. Die verſteckte Bosheit und die geheuchelte Freundlichkeit
miſchte er in der That mit einigen Begriffen von Kunſt. Im Stücke
erreichte er auch ſeinen Zweck, denn der Gouverneur bat ihn zum
Thee, d. h. er wünſchte ſeine Bekanntſchaft fortzuſetzen. In dem
Monolog, der hierauf folgte, wies aber der Intriguant ſogleich die
Teufelsklaue. Er erklärte dem Publikum, er habe es auf die Nichte
des Gouverneurs, Jane Norwood, abgeſehen, deren außerordentliche
Schönheit ihn auf den Gedanken gebracht, ſie zu rauben und zu
New-Orleans als Sclavin zu verkaufen. Glücklicherweiſe ſei ſie eine
Brünette, und wenn er's pfiffig anfange, ſo werde er ſie als angeb¬
liche Terz- oder Quaterone (denn der letzte Tropfen Negerblut iſt ja
noch verkäuflich, ſagte er mit tendenziös erhobener Stimme) ſo werde
er ſie ohne Gefahr des Verraths theuer „an den Mann bringen“,
wie er mit fauniſcher Zweideutigkeit betonte. Aber die gelungene
Mimik kam dem armen Künſtler zunächſt ſelbſt theuer zu ſtehen.
Das Parterre-Publikum der Straßenjungen überſchüttete den' Böſe¬
wicht mit einem Hagel von faulen Eiern. Sie ſchienen ſo un¬
erſchöpfliche Ladungen dieſes übelriechenden Materials mit ſich zu füh¬
ren, daß der Geſtank deſſelben ſich bald durch's ganze Haus verbreitete.
Moorfeld bat ſeinen Nachbar, ob er dieſem Kunſtgenuß vielleicht mit
einem Flacon eau de Cologne zu Hilfe kommen könne. Der Mann
reichte ſeine Tabatiere, brummte aber den Tumultuanten im Parterre
kopfnickend zu: Brave Burſche! werden früh Abolitioniſten! Moorfeld
begriff bei dieſem Schlagworte die ganze Demonſtration, der Schauſpieler
ſelbſt aber, dem dieſelbe galt, ſchien vollkommen vertraut mit ſolchen
Auftritten, ja faſt geſchmeichelt, und trat, als ihm eben ein Ei gegen
die Stirne flog, und zum allgemeinen Jubel wie ein Horn daran
feſtkleben blieb, mit großer Gelaſſenheit vor die Lampen, indem er das
jugendliche Geſindel im Parterre anredete: Meine Herren! ich erlaube
mir, Ihnen den Vorſchlag zu machen, das ſittliche Ungeheuer, welches
ich darzuſtellen die Ehre habe, ſtatt mit faulen Eiern vielleicht lieber
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[86/0104] ſchem Namen und Charakter auf, und hatte ſeine Gründe, ſich im Hauſe des Gouverneurs einzuſchmuggeln. Er legte ſich auf's „Kamm¬ ſtreicheln“. So nennt der Amerikaner ſeine nationale Kunſt, durch Flattiren einen Zweck zu erreichen. Der Darſteller machte es nicht ſchlecht. Die verſteckte Bosheit und die geheuchelte Freundlichkeit miſchte er in der That mit einigen Begriffen von Kunſt. Im Stücke erreichte er auch ſeinen Zweck, denn der Gouverneur bat ihn zum Thee, d. h. er wünſchte ſeine Bekanntſchaft fortzuſetzen. In dem Monolog, der hierauf folgte, wies aber der Intriguant ſogleich die Teufelsklaue. Er erklärte dem Publikum, er habe es auf die Nichte des Gouverneurs, Jane Norwood, abgeſehen, deren außerordentliche Schönheit ihn auf den Gedanken gebracht, ſie zu rauben und zu New-Orleans als Sclavin zu verkaufen. Glücklicherweiſe ſei ſie eine Brünette, und wenn er's pfiffig anfange, ſo werde er ſie als angeb¬ liche Terz- oder Quaterone (denn der letzte Tropfen Negerblut iſt ja noch verkäuflich, ſagte er mit tendenziös erhobener Stimme) ſo werde er ſie ohne Gefahr des Verraths theuer „an den Mann bringen“, wie er mit fauniſcher Zweideutigkeit betonte. Aber die gelungene Mimik kam dem armen Künſtler zunächſt ſelbſt theuer zu ſtehen. Das Parterre-Publikum der Straßenjungen überſchüttete den' Böſe¬ wicht mit einem Hagel von faulen Eiern. Sie ſchienen ſo un¬ erſchöpfliche Ladungen dieſes übelriechenden Materials mit ſich zu füh¬ ren, daß der Geſtank deſſelben ſich bald durch's ganze Haus verbreitete. Moorfeld bat ſeinen Nachbar, ob er dieſem Kunſtgenuß vielleicht mit einem Flacon eau de Cologne zu Hilfe kommen könne. Der Mann reichte ſeine Tabatiere, brummte aber den Tumultuanten im Parterre kopfnickend zu: Brave Burſche! werden früh Abolitioniſten! Moorfeld begriff bei dieſem Schlagworte die ganze Demonſtration, der Schauſpieler ſelbſt aber, dem dieſelbe galt, ſchien vollkommen vertraut mit ſolchen Auftritten, ja faſt geſchmeichelt, und trat, als ihm eben ein Ei gegen die Stirne flog, und zum allgemeinen Jubel wie ein Horn daran feſtkleben blieb, mit großer Gelaſſenheit vor die Lampen, indem er das jugendliche Geſindel im Parterre anredete: Meine Herren! ich erlaube mir, Ihnen den Vorſchlag zu machen, das ſittliche Ungeheuer, welches ich darzuſtellen die Ehre habe, ſtatt mit faulen Eiern vielleicht lieber mit Pomeranzenſchalen oder andern trockenen Dingen zu bewerfen.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/104>, abgerufen am 24.11.2024.