N001 Prof.Dr. Jürgen Kuczynski N002 1120 Weißensee N003 Parkstr0 94
N001 ms-bey 15. Juli 1985
N001 Lieber Genosse Kuczynski!
N001 Wenn ich mich reoht entsinne, waren wir bei unserem letzten N002 Briefwechsel so verblieben, daß aus verschiedenen Gründen re- N003 lativ regelmäßige Beiträge von Ihnen für die LVZ nicht mög- N004 lich seien, gelegentliche aber durchaus, weshalb ich mir wieder N005 einmal eine Bitte traue.
N001 Nachdem nun ganz offiziell der Vergleich der Arbeitsproduk- N002 tivität zwischen uns und hochentwickelten imperialistischen N003 Ländern wieder einmal angestellt wurde, scheint es mir an der N004 Zeit, darüber mal ein bißchen gründlicher zu Informieren. Gar N005 nicht nur mit mehr Zahlen, sondern mit ein bißchen exakteren N006 Aussagen darüber, was wir da eigentlich vergleichen. Beispiels- N007 weise* Müssen wir nicht sauberer unterscheiden zwischen der N008 Arbeitsproduktivität eines Arbeiters oder einer Wirtschafts- N009 einheit (mit der wir die Effektivität der dort geleisteten N010 Arbeit messen) und der "Arbeitsproduktivität" der Gesellschaft N011 als Ganzes (die etwas Über die Effektivität der Gesellschaft N012 aussagt) - die imperialistische Gesellschaft vergeudet ja eben N013 auch potentielle lebendige Arbeit in Massen. Oder* Worin be- N014 steht denn eigentlich der Vorsprung z.B. der BRD oder Japans in N015 der Arbeitsproduktivität? Wieviel davon ist Formen der Intensi- N016 tät sSteigerung, des Verzichts auf Arbeitsschutz usw. gesohuldet, N017 die wir nicht wollen? Können wir unter solchen Umständen (also N018 unter Einhaltung aller sozialen Verpflichtungen unserer Gesell- N019 schaft) überhaupt die gleiche Produktivität erreichen? Nur durch N020 Bewußtsein (freiwillige Disziplin)? usw.
N001 Ich glaube, eine Betrachtung zu diesem Komplex (gern auch zu N002 anderen Fragen dabei) wäre recht nützlich. Sie könnte maximal N003 150-180 Zeilen lang seih - einen Termin halte ich Ihnen nach N004 Ihren Möglichkeiten offen.
N001 In der Hoffnung auf eine Zusage verbleibe ioh
N001 Prof.Dr. Jürgen Kuczynski N002 1120 Weißensee N003 Parkstr0 94
N001 ms-bey 15. Juli 1985
N001 Lieber Genosse Kuczynski!
N001 Wenn ich mich reoht entsinne, waren wir bei unserem letzten N002 Briefwechsel so verblieben, daß aus verschiedenen Gründen re- N003 lativ regelmäßige Beiträge von Ihnen für die LVZ nicht mög- N004 lich seien, gelegentliche aber durchaus, weshalb ich mir wieder N005 einmal eine Bitte traue.
N001 Nachdem nun ganz offiziell der Vergleich der Arbeitsproduk- N002 tivität zwischen uns und hochentwickelten imperialistischen N003 Ländern wieder einmal angestellt wurde, scheint es mir an der N004 Zeit, darüber mal ein bißchen gründlicher zu Informieren. Gar N005 nicht nur mit mehr Zahlen, sondern mit ein bißchen exakteren N006 Aussagen darüber, was wir da eigentlich vergleichen. Beispiels- N007 weise* Müssen wir nicht sauberer unterscheiden zwischen der N008 Arbeitsproduktivität eines Arbeiters oder einer Wirtschafts- N009 einheit (mit der wir die Effektivität der dort geleisteten N010 Arbeit messen) und der "Arbeitsproduktivität" der Gesellschaft N011 als Ganzes (die etwas Über die Effektivität der Gesellschaft N012 aussagt) - die imperialistische Gesellschaft vergeudet ja eben N013 auch potentielle lebendige Arbeit in Massen. Oder* Worin be- N014 steht denn eigentlich der Vorsprung z.B. der BRD oder Japans in N015 der Arbeitsproduktivität? Wieviel davon ist Formen der Intensi- N016 tät sSteigerung, des Verzichts auf Arbeitsschutz usw. gesohuldet, N017 die wir nicht wollen? Können wir unter solchen Umständen (also N018 unter Einhaltung aller sozialen Verpflichtungen unserer Gesell- N019 schaft) überhaupt die gleiche Produktivität erreichen? Nur durch N020 Bewußtsein (freiwillige Disziplin)? usw.
N001 Ich glaube, eine Betrachtung zu diesem Komplex (gern auch zu N002 anderen Fragen dabei) wäre recht nützlich. Sie könnte maximal N003 150-180 Zeilen lang seih - einen Termin halte ich Ihnen nach N004 Ihren Möglichkeiten offen.
N001 In der Hoffnung auf eine Zusage verbleibe ioh
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Abschrift</p><p><lbn="N001"/>
LEIPZIGER VOLKSZEITUNG</p><p><lbn="N001"/>
LVZ, Haupt re daktion, 7010 Leipzig, Peterssteinweg 19, PSF 660</p><p><lbn="N001"/>
Genossen</p><p><lbn="N001"/>
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[0816]
N001
Abschrift
N001
LEIPZIGER VOLKSZEITUNG
N001
LVZ, Haupt re daktion, 7010 Leipzig, Peterssteinweg 19, PSF 660
N001
Genossen
N001
Prof.Dr. Jürgen Kuczynski N002
1120 Weißensee N003
Parkstr0 94
N001
ms-bey 15. Juli 1985
N001
Lieber Genosse Kuczynski!
N001
Wenn ich mich reoht entsinne, waren wir bei unserem letzten N002
Briefwechsel so verblieben, daß aus verschiedenen Gründen re- N003
lativ regelmäßige Beiträge von Ihnen für die LVZ nicht mög- N004
lich seien, gelegentliche aber durchaus, weshalb ich mir wieder N005
einmal eine Bitte traue.
N001
Nachdem nun ganz offiziell der Vergleich der Arbeitsproduk- N002
tivität zwischen uns und hochentwickelten imperialistischen N003
Ländern wieder einmal angestellt wurde, scheint es mir an der N004
Zeit, darüber mal ein bißchen gründlicher zu Informieren. Gar N005
nicht nur mit mehr Zahlen, sondern mit ein bißchen exakteren N006
Aussagen darüber, was wir da eigentlich vergleichen. Beispiels- N007
weise* Müssen wir nicht sauberer unterscheiden zwischen der N008
Arbeitsproduktivität eines Arbeiters oder einer Wirtschafts- N009
einheit (mit der wir die Effektivität der dort geleisteten N010
Arbeit messen) und der "Arbeitsproduktivität" der Gesellschaft N011
als Ganzes (die etwas Über die Effektivität der Gesellschaft N012
aussagt) - die imperialistische Gesellschaft vergeudet ja eben N013
auch potentielle lebendige Arbeit in Massen. Oder* Worin be- N014
steht denn eigentlich der Vorsprung z.B. der BRD oder Japans in N015
der Arbeitsproduktivität? Wieviel davon ist Formen der Intensi- N016
tät sSteigerung, des Verzichts auf Arbeitsschutz usw. gesohuldet, N017
die wir nicht wollen? Können wir unter solchen Umständen (also N018
unter Einhaltung aller sozialen Verpflichtungen unserer Gesell- N019
schaft) überhaupt die gleiche Produktivität erreichen? Nur durch N020
Bewußtsein (freiwillige Disziplin)? usw.
N001
Ich glaube, eine Betrachtung zu diesem Komplex (gern auch zu N002
anderen Fragen dabei) wäre recht nützlich. Sie könnte maximal N003
150-180 Zeilen lang seih - einen Termin halte ich Ihnen nach N004
Ihren Möglichkeiten offen.
N001
In der Hoffnung auf eine Zusage verbleibe ioh
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mit freundlichen Grüßen
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gez. 0r. Rolf Möbius N002
Abteilungsleiter N003
Prop./Wiss e ns chaft
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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/816>, abgerufen am 22.11.2024.
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