Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
mm ^ mm

N001
man doch im großen und ganzen von einer "stabilen und kontinu- N002
ierlichen Mittelmäßigkeit" unserer Gesellschaften sprechen muß, N003
daß ihr "Sein verstimmt das Bewußtsein". Kurt Hager griff raloh N004
daraufhin in seiner Schlußrede unerhört soharf an. Am Ende der N005
Rede ging ich auf ihn zu und sagte ihm, daß ich mich wieder ganz N006
jung fühle, da wir wie in alten Zeiten wieder im Streit lägen. N007
Natürlich bin ich gespannt, ob und wie sich das auswirken wird. N008
Nach außen hin war er in der Pause nach der Rede durchaus freund- N009
lich zu mir und ich zu ihm.

N001
Wenn man bedenkt, daß der Prozentsatz der im Ausland verkauf- N002
ten Exemplare unserer gesellschaftswissenschaftlichen Literatur N003
dauernd sinkt und sie immer weniger in der Sowjetliteratur zitiert N004
wird, ist das doch ein objektives Zeichen dafür, daß sie wirklioh N005
in ihrer großen Mehrheit mittelmäßig ist.

N001
Natürlich habe ich einen Fehler gemacht, daß ich nicht zum N002
Schluß darauf eingegangen bin - auch bei nur 10 Minuten Redezeit -, N003
was geschehen muß, um diesen Zustand zu ändern.

N001
Sandte an Erich Durohschlag eines wirklich guten Artikels N002
über die Dialektik des Kalten Krieges für die "Junge Welt" und N003
erzählte ihm im Begleitbrief von obigem Vorfall.

N001
Schrieb einen größeren Artikel für die "Blätter" in West- N002
deutschland als Vorbereitung für das Erscheinen von Bd.2 vom All- N003
tag dort.

N001
Ansonsten arbeite ich eifrig an meiner vergleichenden Nieder- N002
gangsgesohichte von Gesellschaftsordnungen.

N001
Übrigens - um noch einmal auf die obige Thematik zurüokzu- N002
kommen - besteht ein heftiger Meinungsstreit zwischen Jürgen N003
Treder und mir darüber, ob die Naturwissenschaften (seine Meinung) N004
oder die Gesellschaftswissenschaften mittelmäßiger sind. Was mich

N001
mm ^ mm

N001
man doch im großen und ganzen von einer "stabilen und kontinu- N002
ierlichen Mittelmäßigkeit" unserer Gesellschaften sprechen muß, N003
daß ihr "Sein verstimmt das Bewußtsein". Kurt Hager griff raloh N004
daraufhin in seiner Schlußrede unerhört soharf an. Am Ende der N005
Rede ging ich auf ihn zu und sagte ihm, daß ich mich wieder ganz N006
jung fühle, da wir wie in alten Zeiten wieder im Streit lägen. N007
Natürlich bin ich gespannt, ob und wie sich das auswirken wird. N008
Nach außen hin war er in der Pause nach der Rede durchaus freund- N009
lich zu mir und ich zu ihm.

N001
Wenn man bedenkt, daß der Prozentsatz der im Ausland verkauf- N002
ten Exemplare unserer gesellschaftswissenschaftlichen Literatur N003
dauernd sinkt und sie immer weniger in der Sowjetliteratur zitiert N004
wird, ist das doch ein objektives Zeichen dafür, daß sie wirklioh N005
in ihrer großen Mehrheit mittelmäßig ist.

N001
Natürlich habe ich einen Fehler gemacht, daß ich nicht zum N002
Schluß darauf eingegangen bin - auch bei nur 10 Minuten Redezeit -, N003
was geschehen muß, um diesen Zustand zu ändern.

N001
Sandte an Erich Durohschlag eines wirklich guten Artikels N002
über die Dialektik des Kalten Krieges für die "Junge Welt" und N003
erzählte ihm im Begleitbrief von obigem Vorfall.

N001
Schrieb einen größeren Artikel für die "Blätter" in West- N002
deutschland als Vorbereitung für das Erscheinen von Bd.2 vom All- N003
tag dort.

N001
Ansonsten arbeite ich eifrig an meiner vergleichenden Nieder- N002
gangsgesohichte von Gesellschaftsordnungen.

N001
Übrigens - um noch einmal auf die obige Thematik zurüokzu- N002
kommen - besteht ein heftiger Meinungsstreit zwischen Jürgen N003
Treder und mir darüber, ob die Naturwissenschaften (seine Meinung) N004
oder die Gesellschaftswissenschaften mittelmäßiger sind. Was mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0739"/>
        <p><lb n="N001"/>
mm ^ mm</p>
        <p><lb n="N001"/>
man doch im großen und ganzen von einer "stabilen und kontinu-     <lb n="N002"/>
ierlichen Mittelmäßigkeit" unserer Gesellschaften sprechen muß,     <lb n="N003"/>
daß ihr "Sein verstimmt das Bewußtsein". Kurt Hager griff raloh     <lb n="N004"/>
daraufhin in seiner Schlußrede unerhört soharf an. Am Ende der     <lb n="N005"/>
Rede ging ich auf ihn zu und sagte ihm, daß ich mich wieder ganz     <lb n="N006"/>
jung fühle, da wir wie in alten Zeiten wieder im Streit lägen.     <lb n="N007"/>
Natürlich bin ich gespannt, ob und wie sich das auswirken wird.     <lb n="N008"/>
Nach außen hin war er in der Pause nach der Rede durchaus freund-     <lb n="N009"/>
lich zu mir und ich zu ihm.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Wenn man bedenkt, daß der Prozentsatz der im Ausland verkauf-     <lb n="N002"/>
ten Exemplare unserer gesellschaftswissenschaftlichen Literatur     <lb n="N003"/>
dauernd sinkt und sie immer weniger in der Sowjetliteratur zitiert     <lb n="N004"/>
wird, ist das doch ein objektives Zeichen dafür, daß sie wirklioh     <lb n="N005"/>
in ihrer großen Mehrheit mittelmäßig ist.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Natürlich habe ich einen Fehler gemacht, daß ich nicht zum     <lb n="N002"/>
Schluß darauf eingegangen bin - auch bei nur 10 Minuten Redezeit -,     <lb n="N003"/>
was geschehen muß, um diesen Zustand zu ändern.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Sandte an Erich Durohschlag eines wirklich guten Artikels     <lb n="N002"/>
über die Dialektik des Kalten Krieges für die "Junge Welt" und     <lb n="N003"/>
erzählte ihm im Begleitbrief von obigem Vorfall.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Schrieb einen größeren Artikel für die "Blätter" in West-     <lb n="N002"/>
deutschland als Vorbereitung für das Erscheinen von Bd.2 vom All-     <lb n="N003"/>
tag dort.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Ansonsten arbeite ich eifrig an meiner vergleichenden Nieder-     <lb n="N002"/>
gangsgesohichte von Gesellschaftsordnungen.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Übrigens - um noch einmal auf die obige Thematik zurüokzu-     <lb n="N002"/>
kommen - besteht ein heftiger Meinungsstreit zwischen Jürgen     <lb n="N003"/>
Treder und mir darüber, ob die Naturwissenschaften (seine Meinung)     <lb n="N004"/>
oder die Gesellschaftswissenschaften mittelmäßiger sind. Was mich</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0739] N001 mm ^ mm N001 man doch im großen und ganzen von einer "stabilen und kontinu- N002 ierlichen Mittelmäßigkeit" unserer Gesellschaften sprechen muß, N003 daß ihr "Sein verstimmt das Bewußtsein". Kurt Hager griff raloh N004 daraufhin in seiner Schlußrede unerhört soharf an. Am Ende der N005 Rede ging ich auf ihn zu und sagte ihm, daß ich mich wieder ganz N006 jung fühle, da wir wie in alten Zeiten wieder im Streit lägen. N007 Natürlich bin ich gespannt, ob und wie sich das auswirken wird. N008 Nach außen hin war er in der Pause nach der Rede durchaus freund- N009 lich zu mir und ich zu ihm. N001 Wenn man bedenkt, daß der Prozentsatz der im Ausland verkauf- N002 ten Exemplare unserer gesellschaftswissenschaftlichen Literatur N003 dauernd sinkt und sie immer weniger in der Sowjetliteratur zitiert N004 wird, ist das doch ein objektives Zeichen dafür, daß sie wirklioh N005 in ihrer großen Mehrheit mittelmäßig ist. N001 Natürlich habe ich einen Fehler gemacht, daß ich nicht zum N002 Schluß darauf eingegangen bin - auch bei nur 10 Minuten Redezeit -, N003 was geschehen muß, um diesen Zustand zu ändern. N001 Sandte an Erich Durohschlag eines wirklich guten Artikels N002 über die Dialektik des Kalten Krieges für die "Junge Welt" und N003 erzählte ihm im Begleitbrief von obigem Vorfall. N001 Schrieb einen größeren Artikel für die "Blätter" in West- N002 deutschland als Vorbereitung für das Erscheinen von Bd.2 vom All- N003 tag dort. N001 Ansonsten arbeite ich eifrig an meiner vergleichenden Nieder- N002 gangsgesohichte von Gesellschaftsordnungen. N001 Übrigens - um noch einmal auf die obige Thematik zurüokzu- N002 kommen - besteht ein heftiger Meinungsstreit zwischen Jürgen N003 Treder und mir darüber, ob die Naturwissenschaften (seine Meinung) N004 oder die Gesellschaftswissenschaften mittelmäßiger sind. Was mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Archiv der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-01-09T11:07:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-01-09T11:07:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/739
Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/739>, abgerufen am 23.11.2024.