Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
von Fritz Behrens führten.

N001
Ganz merkwürdig in dieser Zeit erneuten Rückschlags, N002
Mitte Dezember, eine mehr als einstündige Unterhaltung zwischen N003
Walter Ulbricht und mir über den Stand der Wirtschaftswissen- N004
schaften bei uns. Überaus freundschaftlich und milde von seiner N005
Seite geführt. Es war wie in alten Zeiten und nur natürlich, N006
daß ich ihn wie früher, wenn wir vertraulich diskutierten, von N007
vornherein einfach mit Walter ansprach. Seine Kritik war zum N008
Teil berechtigt - wo nicht, nahm er meine Einwände an, ohne N009
heftig zu werden. Ich sagte Marguerite später, es sei wie ein N010
Idyll gewesen.

N001
Wie recht ich hatte, zeigte wenige Tage später das Verbot N002
der Schrift von Fritz (Behrens). Unter diesen Umständen mußte N003
ich (schriftlich) einen Aufsatz über akademische Freiheit für N004
das NEUE DEUTSCHLAND ablehnen. Natürlich gibt es, solange der N005
Kapitalismus noch gefährlich ist, immer Situationen, in denen die N006
Führung es für richtig hält, die akademische Freiheit, das heißt N007
die freie wissenschaftliche Diskussion aller uns bewegenden Pro- N008
bleme vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus, einzuschränken. N009
In einer solchen Situation soll man aber nicht darüber schrei- N010
ben, daß bei uns akademische Freiheit herrscht. Schönfärberei N011
und Heuchelei sind immer gefährlich. Und wenn die Beschränkung, N012
d.h. die Aufhebung der "akademischen Freiheit" berechtigt ist, N013
dann sollte das nicht dazu führen, diesen Zustand zu verbergen, N014
sondern vielmehr unseren Haß noch zu schüren gegen die Feinde N015
des Sozialismus, gegen die Imperialisten, die uns zu einer sol- N016
chen Einschränkung zwingen.

N001
Aber immer muß man sich darüber klar sein, daß ein solcher



N001
von Fritz Behrens führten.

N001
Ganz merkwürdig in dieser Zeit erneuten Rückschlags, N002
Mitte Dezember, eine mehr als einstündige Unterhaltung zwischen N003
Walter Ulbricht und mir über den Stand der Wirtschaftswissen- N004
schaften bei uns. Überaus freundschaftlich und milde von seiner N005
Seite geführt. Es war wie in alten Zeiten und nur natürlich, N006
daß ich ihn wie früher, wenn wir vertraulich diskutierten, von N007
vornherein einfach mit Walter ansprach. Seine Kritik war zum N008
Teil berechtigt - wo nicht, nahm er meine Einwände an, ohne N009
heftig zu werden. Ich sagte Marguerite später, es sei wie ein N010
Idyll gewesen.

N001
Wie recht ich hatte, zeigte wenige Tage später das Verbot N002
der Schrift von Fritz (Behrens). Unter diesen Umständen mußte N003
ich (schriftlich) einen Aufsatz über akademische Freiheit für N004
das NEUE DEUTSCHLAND ablehnen. Natürlich gibt es, solange der N005
Kapitalismus noch gefährlich ist, immer Situationen, in denen die N006
Führung es für richtig hält, die akademische Freiheit, das heißt N007
die freie wissenschaftliche Diskussion aller uns bewegenden Pro- N008
bleme vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus, einzuschränken. N009
In einer solchen Situation soll man aber nicht darüber schrei- N010
ben, daß bei uns akademische Freiheit herrscht. Schönfärberei N011
und Heuchelei sind immer gefährlich. Und wenn die Beschränkung, N012
d.h. die Aufhebung der "akademischen Freiheit" berechtigt ist, N013
dann sollte das nicht dazu führen, diesen Zustand zu verbergen, N014
sondern vielmehr unseren Haß noch zu schüren gegen die Feinde N015
des Sozialismus, gegen die Imperialisten, die uns zu einer sol- N016
chen Einschränkung zwingen.

N001
Aber immer muß man sich darüber klar sein, daß ein solcher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0006"/><lb/>
        <p><lb n="N001"/>
von Fritz Behrens führten.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Ganz merkwürdig in dieser Zeit erneuten Rückschlags, <lb n="N002"/>
Mitte Dezember, eine mehr als einstündige Unterhaltung zwischen <lb n="N003"/>
Walter Ulbricht und mir über den Stand der Wirtschaftswissen- <lb n="N004"/>
schaften bei uns. Überaus freundschaftlich und milde von seiner <lb n="N005"/>
Seite geführt. Es war wie in alten Zeiten und nur natürlich, <lb n="N006"/>
daß ich ihn wie früher, wenn wir vertraulich diskutierten, von <lb n="N007"/>
vornherein einfach mit Walter ansprach. Seine Kritik war zum <lb n="N008"/>
Teil berechtigt - wo nicht, nahm er meine Einwände an, ohne <lb n="N009"/>
heftig zu werden. Ich sagte Marguerite später, es sei wie ein <lb n="N010"/>
Idyll gewesen. </p>
        <p><lb n="N001"/>
Wie recht ich hatte, zeigte wenige Tage später das Verbot     <lb n="N002"/>
der Schrift von Fritz (Behrens). Unter diesen Umständen mußte     <lb n="N003"/>
ich (schriftlich) einen Aufsatz über akademische Freiheit für     <lb n="N004"/>
das NEUE DEUTSCHLAND ablehnen. Natürlich gibt es, solange der     <lb n="N005"/>
Kapitalismus noch gefährlich ist, immer Situationen, in denen die     <lb n="N006"/>
Führung es für richtig hält, die akademische Freiheit, das heißt     <lb n="N007"/>
die freie wissenschaftliche Diskussion aller uns bewegenden Pro-     <lb n="N008"/>
bleme vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus, einzuschränken. <lb n="N009"/>
In einer solchen Situation soll man aber nicht darüber schrei-     <lb n="N010"/>
ben, daß bei uns akademische Freiheit herrscht. Schönfärberei     <lb n="N011"/>
und Heuchelei sind immer gefährlich. Und wenn die Beschränkung,     <lb n="N012"/>
d.h. die Aufhebung der "akademischen Freiheit" berechtigt ist,     <lb n="N013"/>
dann sollte das nicht dazu führen, diesen Zustand zu verbergen,     <lb n="N014"/>
sondern vielmehr unseren Haß noch zu schüren gegen die Feinde     <lb n="N015"/>
des Sozialismus, gegen die Imperialisten, die uns zu einer sol-     <lb n="N016"/>
chen Einschränkung zwingen.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Aber immer muß man sich darüber klar sein, daß ein solcher</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0006] N001 von Fritz Behrens führten. N001 Ganz merkwürdig in dieser Zeit erneuten Rückschlags, N002 Mitte Dezember, eine mehr als einstündige Unterhaltung zwischen N003 Walter Ulbricht und mir über den Stand der Wirtschaftswissen- N004 schaften bei uns. Überaus freundschaftlich und milde von seiner N005 Seite geführt. Es war wie in alten Zeiten und nur natürlich, N006 daß ich ihn wie früher, wenn wir vertraulich diskutierten, von N007 vornherein einfach mit Walter ansprach. Seine Kritik war zum N008 Teil berechtigt - wo nicht, nahm er meine Einwände an, ohne N009 heftig zu werden. Ich sagte Marguerite später, es sei wie ein N010 Idyll gewesen. N001 Wie recht ich hatte, zeigte wenige Tage später das Verbot N002 der Schrift von Fritz (Behrens). Unter diesen Umständen mußte N003 ich (schriftlich) einen Aufsatz über akademische Freiheit für N004 das NEUE DEUTSCHLAND ablehnen. Natürlich gibt es, solange der N005 Kapitalismus noch gefährlich ist, immer Situationen, in denen die N006 Führung es für richtig hält, die akademische Freiheit, das heißt N007 die freie wissenschaftliche Diskussion aller uns bewegenden Pro- N008 bleme vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus, einzuschränken. N009 In einer solchen Situation soll man aber nicht darüber schrei- N010 ben, daß bei uns akademische Freiheit herrscht. Schönfärberei N011 und Heuchelei sind immer gefährlich. Und wenn die Beschränkung, N012 d.h. die Aufhebung der "akademischen Freiheit" berechtigt ist, N013 dann sollte das nicht dazu führen, diesen Zustand zu verbergen, N014 sondern vielmehr unseren Haß noch zu schüren gegen die Feinde N015 des Sozialismus, gegen die Imperialisten, die uns zu einer sol- N016 chen Einschränkung zwingen. N001 Aber immer muß man sich darüber klar sein, daß ein solcher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Archiv der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-01-09T11:07:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-01-09T11:07:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/6
Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/6>, abgerufen am 11.12.2024.