Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
Universität wie an der Akademie immer gegeben* Wir haben uns N002
auoh stets bemüht, Problemdiskussionen zu führen, neue Aspekte N003
zu finden und unbekümmert um mögliche Fehler (was nicht bedeutet) N004
leichtsinnig) zu argumentieren*

N001
In anderer Weise drang jedoch der Stalinismus tief in die N002
Institutsarbeit an der Universität vor 1956 ein. Selbstverständ- N003
lich war es für uns, uns mit Problemen, wie sie in den Schriften N004
Stalins gestellt wurden, zu beschäftigen und seinen Gedankengängen N005
zu folgen* Das war gar nioht selten sehr nützlich, wie etwa bei N006
unseren Diskussionen über Basis und Überbau, über Produktivkräfte N007
und Basis. Das war gar nicht selten verfehlt, wie etwa bei der N008
Vernachlässigung der Negation der Negation als wichtigem Faktor N009
der dialektischen Bewegung*

N001
Ganz bewußt lehnte ich die stalinistische Einschätzung der N002
deutschen Geschichte und großer deutscher Gestalten wie Clause- N003
witz, Hegel, Herder und anderer ab. Das verdanke ich einem alten N004
Bolschewiken, schtschukin, einem einstigen Isohekamann, der, als N005
ich ihn kennenlernte, einen Lehrstuhl für Geschichte der KPdSU N006
hatte. Eine merkwürdige Gestalt, über die ich an anderer Stelle N007
berichte. Er war ein Stalinist durch und durch - hatte jedoch N008
einige ganz entscheidende Elemente des Leninismus beibehalteni N009
einmal seine tiefe Abneigung gegen jeden Antisemitismus und so- N010
dann seine Bewunderung für Hegel. Ganz ruhig hatte er mir damals, N011
im Jahre 1949" gesagt, daß sich im Laufe der Zeit die Haltung N012
Hegel gegenüber wieder ändern würde.

N001
Das kam natürlich meiner Neigung entgegen, und in all den N002
folgenden Jahren habe ich das deutsche philosophische "Kultur- N003
erbe", auoh Männer wie Herder und Wilhelm von Humboldt, vor der

N001
Universität wie an der Akademie immer gegeben* Wir haben uns N002
auoh stets bemüht, Problemdiskussionen zu führen, neue Aspekte N003
zu finden und unbekümmert um mögliche Fehler (was nicht bedeutet) N004
leichtsinnig) zu argumentieren*

N001
In anderer Weise drang jedoch der Stalinismus tief in die N002
Institutsarbeit an der Universität vor 1956 ein. Selbstverständ- N003
lich war es für uns, uns mit Problemen, wie sie in den Schriften N004
Stalins gestellt wurden, zu beschäftigen und seinen Gedankengängen N005
zu folgen* Das war gar nioht selten sehr nützlich, wie etwa bei N006
unseren Diskussionen über Basis und Überbau, über Produktivkräfte N007
und Basis. Das war gar nicht selten verfehlt, wie etwa bei der N008
Vernachlässigung der Negation der Negation als wichtigem Faktor N009
der dialektischen Bewegung*

N001
Ganz bewußt lehnte ich die stalinistische Einschätzung der N002
deutschen Geschichte und großer deutscher Gestalten wie Clause- N003
witz, Hegel, Herder und anderer ab. Das verdanke ich einem alten N004
Bolschewiken, schtschukin, einem einstigen Isohekamann, der, als N005
ich ihn kennenlernte, einen Lehrstuhl für Geschichte der KPdSU N006
hatte. Eine merkwürdige Gestalt, über die ich an anderer Stelle N007
berichte. Er war ein Stalinist durch und durch - hatte jedoch N008
einige ganz entscheidende Elemente des Leninismus beibehalteni N009
einmal seine tiefe Abneigung gegen jeden Antisemitismus und so- N010
dann seine Bewunderung für Hegel. Ganz ruhig hatte er mir damals, N011
im Jahre 1949» gesagt, daß sich im Laufe der Zeit die Haltung N012
Hegel gegenüber wieder ändern würde.

N001
Das kam natürlich meiner Neigung entgegen, und in all den N002
folgenden Jahren habe ich das deutsche philosophische "Kultur- N003
erbe”, auoh Männer wie Herder und Wilhelm von Humboldt, vor der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0301" n="25"/>
        <p><lb n="N001"/>
Universität wie an der Akademie immer gegeben* Wir haben uns     <lb n="N002"/>
auoh stets bemüht, Problemdiskussionen zu führen, neue Aspekte     <lb n="N003"/>
zu finden und unbekümmert um mögliche Fehler (was nicht bedeutet)     <lb n="N004"/>
leichtsinnig) zu argumentieren*</p>
        <p><lb n="N001"/>
In anderer Weise drang jedoch der Stalinismus tief in die     <lb n="N002"/>
Institutsarbeit an der Universität vor 1956 ein. Selbstverständ-     <lb n="N003"/>
lich war es für uns, uns mit Problemen, wie sie in den Schriften     <lb n="N004"/>
Stalins gestellt wurden, zu beschäftigen und seinen Gedankengängen     <lb n="N005"/>
zu folgen* Das war gar nioht selten sehr nützlich, wie etwa bei     <lb n="N006"/>
unseren Diskussionen über Basis und Überbau, über Produktivkräfte     <lb n="N007"/>
und Basis. Das war gar nicht selten verfehlt, wie etwa bei der     <lb n="N008"/>
Vernachlässigung der Negation der Negation als wichtigem Faktor     <lb n="N009"/>
der dialektischen Bewegung*</p>
        <p><lb n="N001"/>
Ganz bewußt lehnte ich die stalinistische Einschätzung der     <lb n="N002"/>
deutschen Geschichte und großer deutscher Gestalten wie Clause-     <lb n="N003"/>
witz, Hegel, Herder und anderer ab. Das verdanke ich einem alten     <lb n="N004"/>
Bolschewiken, schtschukin, einem einstigen Isohekamann, der, als     <lb n="N005"/>
ich ihn kennenlernte, einen Lehrstuhl für Geschichte der KPdSU     <lb n="N006"/>
hatte. Eine merkwürdige Gestalt, über die ich an anderer Stelle     <lb n="N007"/>
berichte. Er war ein Stalinist durch und durch - hatte jedoch     <lb n="N008"/>
einige ganz entscheidende Elemente des Leninismus beibehalteni     <lb n="N009"/>
einmal seine tiefe Abneigung gegen jeden Antisemitismus und so-     <lb n="N010"/>
dann seine Bewunderung für Hegel. Ganz ruhig hatte er mir damals,     <lb n="N011"/>
im Jahre 1949» gesagt, daß sich im Laufe der Zeit die Haltung     <lb n="N012"/>
Hegel gegenüber wieder ändern würde.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Das kam natürlich meiner Neigung entgegen, und in all den     <lb n="N002"/>
folgenden Jahren habe ich das deutsche philosophische "Kultur-     <lb n="N003"/>
erbe&#x201D;, auoh Männer wie Herder und Wilhelm von Humboldt, vor der</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0301] N001 Universität wie an der Akademie immer gegeben* Wir haben uns N002 auoh stets bemüht, Problemdiskussionen zu führen, neue Aspekte N003 zu finden und unbekümmert um mögliche Fehler (was nicht bedeutet) N004 leichtsinnig) zu argumentieren* N001 In anderer Weise drang jedoch der Stalinismus tief in die N002 Institutsarbeit an der Universität vor 1956 ein. Selbstverständ- N003 lich war es für uns, uns mit Problemen, wie sie in den Schriften N004 Stalins gestellt wurden, zu beschäftigen und seinen Gedankengängen N005 zu folgen* Das war gar nioht selten sehr nützlich, wie etwa bei N006 unseren Diskussionen über Basis und Überbau, über Produktivkräfte N007 und Basis. Das war gar nicht selten verfehlt, wie etwa bei der N008 Vernachlässigung der Negation der Negation als wichtigem Faktor N009 der dialektischen Bewegung* N001 Ganz bewußt lehnte ich die stalinistische Einschätzung der N002 deutschen Geschichte und großer deutscher Gestalten wie Clause- N003 witz, Hegel, Herder und anderer ab. Das verdanke ich einem alten N004 Bolschewiken, schtschukin, einem einstigen Isohekamann, der, als N005 ich ihn kennenlernte, einen Lehrstuhl für Geschichte der KPdSU N006 hatte. Eine merkwürdige Gestalt, über die ich an anderer Stelle N007 berichte. Er war ein Stalinist durch und durch - hatte jedoch N008 einige ganz entscheidende Elemente des Leninismus beibehalteni N009 einmal seine tiefe Abneigung gegen jeden Antisemitismus und so- N010 dann seine Bewunderung für Hegel. Ganz ruhig hatte er mir damals, N011 im Jahre 1949» gesagt, daß sich im Laufe der Zeit die Haltung N012 Hegel gegenüber wieder ändern würde. N001 Das kam natürlich meiner Neigung entgegen, und in all den N002 folgenden Jahren habe ich das deutsche philosophische "Kultur- N003 erbe”, auoh Männer wie Herder und Wilhelm von Humboldt, vor der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Archiv der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-01-09T11:07:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-01-09T11:07:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/301
Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/301>, abgerufen am 25.11.2024.