N001 Wie freue ich mich, ihm noch ein paar gute Zeilen in Moskau N002 vor der Kuba-Reise ins Krankenhaus gesandt zu haben - aber viel- N003 leicht konnte er über sie nur noch wehmütig lächeln. Und wenige N004 Wochen zuvor hatte die Chmelnizkaja mir noch geschrieben, sie N005 hätte das Gefühl, daß unser "Altersquadrat" jetzt unter Feuer N006 liegt.
N001 Hatte ich unrecht, ihm bei seinem letzten Besuch in Berlin N002 vorzuwerfen, daß er einen Sammelband von Imperialismus-Studien N003 herausgebracht, statt den 2.Bd. seines großen Werkes zu schreiben? N004 In jedem Fall war ich zu streng.
N001 Wieviel verband uns doch! die lange Freundschaft mit Varga, N002 das Bemühen um ehrliche Forschung, die Klarheit über die Versump- N003 fung der marxistischen Wissenschaft unter Stalin und die völlig N004 ungenügende Veränderung unter seinen Nachfolgern, die Verachtung N005 für die Streber und beamteten Nichtskönner, der Glaube an unsere N006 Wissenschaft und ihre Zukunft.
N001 Doch war er in seiner Art wohl mehr auf Anerkennung angewie- N002 sen als ich und litt in seiner Arbeit mehr unter den Verhältnissen, N003 zumal er nicht gesund war ln den letzten 10 Jahren.
N001 Treue Schüler hatte er wie ich, aber er hatte nicht das N002 Glück wie ich, sie in einer "eigenen Gruppe" zusammenfassen zu. N003 können.
N001 Wie gern würde ich ihm einen seiner würdigen Nachruf, der N002 zugleich ein Stück Zeitkritik wäre, schreiben. Aber wo könnte man N003 ihn veröffentliehen?I
N001 Eine spätere Zeit wird ihm gerecht werden und hart über die N002 unsere in solcher Beziehung urteilen.
N001 Ein Glüok für mich, daß ich bisher 7 Jahre relativ ungestört N002 arbeiten konnte! so kann ich manches von dem tun, was er unter-
N001 Wie freue ich mich, ihm noch ein paar gute Zeilen in Moskau N002 vor der Kuba-Reise ins Krankenhaus gesandt zu haben - aber viel- N003 leicht konnte er über sie nur noch wehmütig lächeln. Und wenige N004 Wochen zuvor hatte die Chmelnizkaja mir noch geschrieben, sie N005 hätte das Gefühl, daß unser "Altersquadrat" jetzt unter Feuer N006 liegt.
N001 Hatte ich unrecht, ihm bei seinem letzten Besuch in Berlin N002 vorzuwerfen, daß er einen Sammelband von Imperialismus-Studien N003 herausgebracht, statt den 2.Bd. seines großen Werkes zu schreiben? N004 In jedem Fall war ich zu streng.
N001 Wieviel verband uns doch! die lange Freundschaft mit Varga, N002 das Bemühen um ehrliche Forschung, die Klarheit über die Versump- N003 fung der marxistischen Wissenschaft unter Stalin und die völlig N004 ungenügende Veränderung unter seinen Nachfolgern, die Verachtung N005 für die Streber und beamteten Nichtskönner, der Glaube an unsere N006 Wissenschaft und ihre Zukunft.
N001 Doch war er in seiner Art wohl mehr auf Anerkennung angewie- N002 sen als ich und litt in seiner Arbeit mehr unter den Verhältnissen, N003 zumal er nicht gesund war ln den letzten 10 Jahren.
N001 Treue Schüler hatte er wie ich, aber er hatte nicht das N002 Glück wie ich, sie in einer "eigenen Gruppe" zusammenfassen zu. N003 können.
N001 Wie gern würde ich ihm einen seiner würdigen Nachruf, der N002 zugleich ein Stück Zeitkritik wäre, schreiben. Aber wo könnte man N003 ihn veröffentliehen?I
N001 Eine spätere Zeit wird ihm gerecht werden und hart über die N002 unsere in solcher Beziehung urteilen.
N001 Ein Glüok für mich, daß ich bisher 7 Jahre relativ ungestört N002 arbeiten konnte! so kann ich manches von dem tun, was er unter-
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Wie freue ich mich, ihm noch ein paar gute Zeilen in Moskau N002
vor der Kuba-Reise ins Krankenhaus gesandt zu haben - aber viel- N003
leicht konnte er über sie nur noch wehmütig lächeln. Und wenige N004
Wochen zuvor hatte die Chmelnizkaja mir noch geschrieben, sie N005
hätte das Gefühl, daß unser "Altersquadrat" jetzt unter Feuer N006
liegt.
N001
Hatte ich unrecht, ihm bei seinem letzten Besuch in Berlin N002
vorzuwerfen, daß er einen Sammelband von Imperialismus-Studien N003
herausgebracht, statt den 2.Bd. seines großen Werkes zu schreiben? N004
In jedem Fall war ich zu streng.
N001
Wieviel verband uns doch! die lange Freundschaft mit Varga, N002
das Bemühen um ehrliche Forschung, die Klarheit über die Versump- N003
fung der marxistischen Wissenschaft unter Stalin und die völlig N004
ungenügende Veränderung unter seinen Nachfolgern, die Verachtung N005
für die Streber und beamteten Nichtskönner, der Glaube an unsere N006
Wissenschaft und ihre Zukunft.
N001
Doch war er in seiner Art wohl mehr auf Anerkennung angewie- N002
sen als ich und litt in seiner Arbeit mehr unter den Verhältnissen, N003
zumal er nicht gesund war ln den letzten 10 Jahren.
N001
Treue Schüler hatte er wie ich, aber er hatte nicht das N002
Glück wie ich, sie in einer "eigenen Gruppe" zusammenfassen zu. N003
können.
N001
Wie gern würde ich ihm einen seiner würdigen Nachruf, der N002
zugleich ein Stück Zeitkritik wäre, schreiben. Aber wo könnte man N003
ihn veröffentliehen?I
N001
Eine spätere Zeit wird ihm gerecht werden und hart über die N002
unsere in solcher Beziehung urteilen.
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Ein Glüok für mich, daß ich bisher 7 Jahre relativ ungestört N002
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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/242>, abgerufen am 23.11.2024.
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