Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.die beiden stolzen Freunde, den eben nicht sehr anziehenden aber treuherzigen Umgang mit mehreren Bürgerfamilien ausgenommen, sich der Einsamkeit und mit ihr der Langeweile anheimgefallen. Indeß wurde Woldemar auf einmal im Laufe des Winters von einem hier nicht geahneten Interesse ergriffen : das, wozu er früher den Kopf geschüttelt, war wirklich geschehen. Er war in ein sehr liebenswürdiges Mädchen, eine Eingeborne des kleinen Fleckens, so ernstlich verliebt geworden, daß er noch heftiger als vorher sich nach dem Frühling und dem Kriege sehnte, den er nun auch als ein Mittel ansah, seine beschränkte Lage glänzender zu machen, welches ihm nun auf einmal wichtig geworden war. Zum ersten Mal hielt er einen moralischen Sermon an Holger, der, feurig und jugendlich, noch nicht den Werth einer wahren Liebe kennen gelernt, obgleich er den Freuden, denen man ihren Namen beilegt, nicht aus dem Wege ging. Holger lachte sein Rednertalent aus, allein es verdroß ihn doch, den Freund weniger als früher in seiner Nähe und ihn oft ungeduldig von ihm hinwegeilen zu sehen. Ja es geschah sogar, daß er in seiner größern Verlassenheit, von Geschäftslosigkeit geplagt, denn die geretteten Schiffsgüter waren schon längst in Sicherheit gebracht, um die Zeit auszufüllen, hin und wieder das einzige Billard des Städtchens besuchte, das der eigentliche Sammlungsort der jungen Leute war; wodurch nicht allein eine fast unwillkürliche Annäherung, die er die beiden stolzen Freunde, den eben nicht sehr anziehenden aber treuherzigen Umgang mit mehreren Bürgerfamilien ausgenommen, sich der Einsamkeit und mit ihr der Langeweile anheimgefallen. Indeß wurde Woldemar auf einmal im Laufe des Winters von einem hier nicht geahneten Interesse ergriffen : das, wozu er früher den Kopf geschüttelt, war wirklich geschehen. Er war in ein sehr liebenswürdiges Mädchen, eine Eingeborne des kleinen Fleckens, so ernstlich verliebt geworden, daß er noch heftiger als vorher sich nach dem Frühling und dem Kriege sehnte, den er nun auch als ein Mittel ansah, seine beschränkte Lage glänzender zu machen, welches ihm nun auf einmal wichtig geworden war. Zum ersten Mal hielt er einen moralischen Sermon an Holger, der, feurig und jugendlich, noch nicht den Werth einer wahren Liebe kennen gelernt, obgleich er den Freuden, denen man ihren Namen beilegt, nicht aus dem Wege ging. Holger lachte sein Rednertalent aus, allein es verdroß ihn doch, den Freund weniger als früher in seiner Nähe und ihn oft ungeduldig von ihm hinwegeilen zu sehen. Ja es geschah sogar, daß er in seiner größern Verlassenheit, von Geschäftslosigkeit geplagt, denn die geretteten Schiffsgüter waren schon längst in Sicherheit gebracht, um die Zeit auszufüllen, hin und wieder das einzige Billard des Städtchens besuchte, das der eigentliche Sammlungsort der jungen Leute war; wodurch nicht allein eine fast unwillkürliche Annäherung, die er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054"/> die beiden stolzen Freunde, den eben nicht sehr anziehenden aber treuherzigen Umgang mit mehreren Bürgerfamilien ausgenommen, sich der Einsamkeit und mit ihr der Langeweile anheimgefallen.</p><lb/> <p>Indeß wurde Woldemar auf einmal im Laufe des Winters von einem hier nicht geahneten Interesse ergriffen : das, wozu er früher den Kopf geschüttelt, war wirklich geschehen. Er war in ein sehr liebenswürdiges Mädchen, eine Eingeborne des kleinen Fleckens, so ernstlich verliebt geworden, daß er noch heftiger als vorher sich nach dem Frühling und dem Kriege sehnte, den er nun auch als ein Mittel ansah, seine beschränkte Lage glänzender zu machen, welches ihm nun auf einmal wichtig geworden war. Zum ersten Mal hielt er einen moralischen Sermon an Holger, der, feurig und jugendlich, noch nicht den Werth einer wahren Liebe kennen gelernt, obgleich er den Freuden, denen man ihren Namen beilegt, nicht aus dem Wege ging. Holger lachte sein Rednertalent aus, allein es verdroß ihn doch, den Freund weniger als früher in seiner Nähe und ihn oft ungeduldig von ihm hinwegeilen zu sehen. Ja es geschah sogar, daß er in seiner größern Verlassenheit, von Geschäftslosigkeit geplagt, denn die geretteten Schiffsgüter waren schon längst in Sicherheit gebracht, um die Zeit auszufüllen, hin und wieder das einzige Billard des Städtchens besuchte, das der eigentliche Sammlungsort der jungen Leute war; wodurch nicht allein eine fast unwillkürliche Annäherung, die er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
die beiden stolzen Freunde, den eben nicht sehr anziehenden aber treuherzigen Umgang mit mehreren Bürgerfamilien ausgenommen, sich der Einsamkeit und mit ihr der Langeweile anheimgefallen.
Indeß wurde Woldemar auf einmal im Laufe des Winters von einem hier nicht geahneten Interesse ergriffen : das, wozu er früher den Kopf geschüttelt, war wirklich geschehen. Er war in ein sehr liebenswürdiges Mädchen, eine Eingeborne des kleinen Fleckens, so ernstlich verliebt geworden, daß er noch heftiger als vorher sich nach dem Frühling und dem Kriege sehnte, den er nun auch als ein Mittel ansah, seine beschränkte Lage glänzender zu machen, welches ihm nun auf einmal wichtig geworden war. Zum ersten Mal hielt er einen moralischen Sermon an Holger, der, feurig und jugendlich, noch nicht den Werth einer wahren Liebe kennen gelernt, obgleich er den Freuden, denen man ihren Namen beilegt, nicht aus dem Wege ging. Holger lachte sein Rednertalent aus, allein es verdroß ihn doch, den Freund weniger als früher in seiner Nähe und ihn oft ungeduldig von ihm hinwegeilen zu sehen. Ja es geschah sogar, daß er in seiner größern Verlassenheit, von Geschäftslosigkeit geplagt, denn die geretteten Schiffsgüter waren schon längst in Sicherheit gebracht, um die Zeit auszufüllen, hin und wieder das einzige Billard des Städtchens besuchte, das der eigentliche Sammlungsort der jungen Leute war; wodurch nicht allein eine fast unwillkürliche Annäherung, die er
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/54>, abgerufen am 20.07.2024. |