Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ten. Wochen folgten auf Wochen. Dieses Ereignisses wurde gar nicht mehr gedacht. Als sie schon auf der Höhe ihrer Bestimmung waren, behauptete der Chef eines Mittags, da Woldemar mit mehreren eingeladenen Offizieren bei ihm an dem Tische saß, eine offenbare wissenschaftliche Unrichtigkeit. Die Gäste, und Woldemar mit ihnen, konnten nicht umhin, ein wenig zu lächeln; etwas verdrießlich wandte sich der Capitän zum Letzteren, der ihm gerade gegenüber saß, und forderte ihn zu einer Wette mit einem so gebietenden Tone ans, daß Woldemar, selbst unsicher geworden, es nicht klug fand, sie auszuschlagen. Herr Capitän, erwiderte er nur, Sie wenden sich an den Unrechten: was ich an eine Wette verwenden kann, ist kaum der Mühe werth.

Ich wette auch nie um Geld, lautete die Antwort, allein Sie haben da eine recht artige Tuchnadel. Wollen Sie diese wagen? ich setze eine Kleinigkeit dagegen.

Woldemar verneigte sich schweigend, lös'te die Nadel ab und übergab sie dem erwählten Richter. Der Chef erhob sich rasch, eilte zu seinem Kästchen hin, nahm ein kleines Futteral heraus und reichte es demselben ; die Aufgabe wurde durch einige wissenschaftliche Bücher bald gelös't; der Capitän hatte entschieden verloren. Die Tuchnadel wurde mit dem Gewinn Woldemarn wieder überreicht, indem man sich vom Tische erhob. Er öffnete den Deckel, es war der Mutter Ring.

ten. Wochen folgten auf Wochen. Dieses Ereignisses wurde gar nicht mehr gedacht. Als sie schon auf der Höhe ihrer Bestimmung waren, behauptete der Chef eines Mittags, da Woldemar mit mehreren eingeladenen Offizieren bei ihm an dem Tische saß, eine offenbare wissenschaftliche Unrichtigkeit. Die Gäste, und Woldemar mit ihnen, konnten nicht umhin, ein wenig zu lächeln; etwas verdrießlich wandte sich der Capitän zum Letzteren, der ihm gerade gegenüber saß, und forderte ihn zu einer Wette mit einem so gebietenden Tone ans, daß Woldemar, selbst unsicher geworden, es nicht klug fand, sie auszuschlagen. Herr Capitän, erwiderte er nur, Sie wenden sich an den Unrechten: was ich an eine Wette verwenden kann, ist kaum der Mühe werth.

Ich wette auch nie um Geld, lautete die Antwort, allein Sie haben da eine recht artige Tuchnadel. Wollen Sie diese wagen? ich setze eine Kleinigkeit dagegen.

Woldemar verneigte sich schweigend, lös'te die Nadel ab und übergab sie dem erwählten Richter. Der Chef erhob sich rasch, eilte zu seinem Kästchen hin, nahm ein kleines Futteral heraus und reichte es demselben ; die Aufgabe wurde durch einige wissenschaftliche Bücher bald gelös't; der Capitän hatte entschieden verloren. Die Tuchnadel wurde mit dem Gewinn Woldemarn wieder überreicht, indem man sich vom Tische erhob. Er öffnete den Deckel, es war der Mutter Ring.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046"/>
ten. Wochen folgten auf Wochen. Dieses      Ereignisses wurde gar nicht mehr gedacht. Als sie schon auf der Höhe ihrer Bestimmung waren,      behauptete der Chef eines Mittags, da Woldemar mit mehreren eingeladenen Offizieren bei ihm an      dem Tische saß, eine offenbare wissenschaftliche Unrichtigkeit. Die Gäste, und Woldemar mit      ihnen, konnten nicht umhin, ein wenig zu lächeln; etwas verdrießlich wandte sich der Capitän      zum Letzteren, der ihm gerade gegenüber saß, und forderte ihn zu einer Wette mit einem so      gebietenden Tone ans, daß Woldemar, selbst unsicher geworden, es nicht klug fand, sie      auszuschlagen. Herr Capitän, erwiderte er nur, Sie wenden sich an den Unrechten: was ich an      eine Wette verwenden kann, ist kaum der Mühe werth.</p><lb/>
        <p>Ich wette auch nie um Geld, lautete die Antwort, allein Sie haben da eine recht artige      Tuchnadel. Wollen Sie diese wagen? ich setze eine Kleinigkeit dagegen.</p><lb/>
        <p>Woldemar verneigte sich schweigend, lös'te die Nadel ab und übergab sie dem erwählten      Richter. Der Chef erhob sich rasch, eilte zu seinem Kästchen hin, nahm ein kleines Futteral      heraus und reichte es demselben ; die Aufgabe wurde durch einige wissenschaftliche Bücher bald      gelös't; der Capitän hatte entschieden verloren. Die Tuchnadel wurde mit dem Gewinn Woldemarn      wieder überreicht, indem man sich vom Tische erhob. Er öffnete den Deckel, es war der Mutter      Ring.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] ten. Wochen folgten auf Wochen. Dieses Ereignisses wurde gar nicht mehr gedacht. Als sie schon auf der Höhe ihrer Bestimmung waren, behauptete der Chef eines Mittags, da Woldemar mit mehreren eingeladenen Offizieren bei ihm an dem Tische saß, eine offenbare wissenschaftliche Unrichtigkeit. Die Gäste, und Woldemar mit ihnen, konnten nicht umhin, ein wenig zu lächeln; etwas verdrießlich wandte sich der Capitän zum Letzteren, der ihm gerade gegenüber saß, und forderte ihn zu einer Wette mit einem so gebietenden Tone ans, daß Woldemar, selbst unsicher geworden, es nicht klug fand, sie auszuschlagen. Herr Capitän, erwiderte er nur, Sie wenden sich an den Unrechten: was ich an eine Wette verwenden kann, ist kaum der Mühe werth. Ich wette auch nie um Geld, lautete die Antwort, allein Sie haben da eine recht artige Tuchnadel. Wollen Sie diese wagen? ich setze eine Kleinigkeit dagegen. Woldemar verneigte sich schweigend, lös'te die Nadel ab und übergab sie dem erwählten Richter. Der Chef erhob sich rasch, eilte zu seinem Kästchen hin, nahm ein kleines Futteral heraus und reichte es demselben ; die Aufgabe wurde durch einige wissenschaftliche Bücher bald gelös't; der Capitän hatte entschieden verloren. Die Tuchnadel wurde mit dem Gewinn Woldemarn wieder überreicht, indem man sich vom Tische erhob. Er öffnete den Deckel, es war der Mutter Ring.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/46
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/46>, abgerufen am 24.11.2024.