Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

schweigend, fast gedrückt neben einander. Es war ihnen unmöglich, ein herzliches, und noch mehr, ein gleichgültiges Gespräch unter sich einzuleiten, ehe sie beide mit einander ins Reine gekommen waren, und eben dies fiel Beiden ungemein schwer, weil jeder stolz und kräftig jede Rührung für unmännlich hielt, und so scheueten sich noch Beide, ihre Herzen reden zu lassen. Aber so wie der schwellende Strom, wenn erst der Damm gebrochen, Alles mit sich fortreißt, so mußten auch, wenn erst die gegenseitige Liebe die angebildete Scham endlich überwunden hatte, beide für das, was sie für das Höchste erkannten, schwärmende Gemüther sich mit unwiderstehlicher Gewalt ergreifen.

Und so geschah es. Den ersten Abend, den außer dem Bette zu verbringen Woldemar gestattet wurde, fanden sich fast Alle, die bei jenem Ereigniß gegenwärtig gewesen, bei ihm ein. Wein war mitgebracht und ein zuverlässiger Posten ausgestellt, um dem Verrath des kleinen unerlaubten Festes vorzubeugen. Heitere Gespräche lösten einander ab, und man wird begreifen, daß jeder kleine Umstand jener Begebenheit besprochen wurde. Holger allein nahm fast keinen Antheil daran; er war wortkarger als je, aber eine unaussprechliche Freude funkelte aus seinen schönen Augen.

Als die Stunde zum Abendgebet schlug, mußte man der Regel nach sich trennen, um sich in den Saal zu begeben und von dort zur Ruhe; nur Holger blieb, die einmal erbetene Erlaubniß, den Kranken

schweigend, fast gedrückt neben einander. Es war ihnen unmöglich, ein herzliches, und noch mehr, ein gleichgültiges Gespräch unter sich einzuleiten, ehe sie beide mit einander ins Reine gekommen waren, und eben dies fiel Beiden ungemein schwer, weil jeder stolz und kräftig jede Rührung für unmännlich hielt, und so scheueten sich noch Beide, ihre Herzen reden zu lassen. Aber so wie der schwellende Strom, wenn erst der Damm gebrochen, Alles mit sich fortreißt, so mußten auch, wenn erst die gegenseitige Liebe die angebildete Scham endlich überwunden hatte, beide für das, was sie für das Höchste erkannten, schwärmende Gemüther sich mit unwiderstehlicher Gewalt ergreifen.

Und so geschah es. Den ersten Abend, den außer dem Bette zu verbringen Woldemar gestattet wurde, fanden sich fast Alle, die bei jenem Ereigniß gegenwärtig gewesen, bei ihm ein. Wein war mitgebracht und ein zuverlässiger Posten ausgestellt, um dem Verrath des kleinen unerlaubten Festes vorzubeugen. Heitere Gespräche lösten einander ab, und man wird begreifen, daß jeder kleine Umstand jener Begebenheit besprochen wurde. Holger allein nahm fast keinen Antheil daran; er war wortkarger als je, aber eine unaussprechliche Freude funkelte aus seinen schönen Augen.

Als die Stunde zum Abendgebet schlug, mußte man der Regel nach sich trennen, um sich in den Saal zu begeben und von dort zur Ruhe; nur Holger blieb, die einmal erbetene Erlaubniß, den Kranken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028"/>
schweigend, fast gedrückt neben einander. Es      war ihnen unmöglich, ein herzliches, und noch mehr, ein gleichgültiges Gespräch unter sich      einzuleiten, ehe sie beide mit einander ins Reine gekommen waren, und eben dies fiel Beiden      ungemein schwer, weil jeder stolz und kräftig jede Rührung für unmännlich hielt, und so      scheueten sich noch Beide, ihre Herzen reden zu lassen. Aber so wie der schwellende Strom, wenn      erst der Damm gebrochen, Alles mit sich fortreißt, so mußten auch, wenn erst die gegenseitige      Liebe die angebildete Scham endlich überwunden hatte, beide für das, was sie für das Höchste      erkannten, schwärmende Gemüther sich mit unwiderstehlicher Gewalt ergreifen.</p><lb/>
        <p>Und so geschah es. Den ersten Abend, den außer dem Bette zu verbringen Woldemar gestattet      wurde, fanden sich fast Alle, die bei jenem Ereigniß gegenwärtig gewesen, bei ihm ein. Wein war      mitgebracht und ein zuverlässiger Posten ausgestellt, um dem Verrath des kleinen unerlaubten      Festes vorzubeugen. Heitere Gespräche lösten einander ab, und man wird begreifen, daß jeder      kleine Umstand jener Begebenheit besprochen wurde. Holger allein nahm fast keinen Antheil      daran; er war wortkarger als je, aber eine unaussprechliche Freude funkelte aus seinen schönen      Augen.</p><lb/>
        <p>Als die Stunde zum Abendgebet schlug, mußte man der Regel nach sich trennen, um sich in den      Saal zu begeben und von dort zur Ruhe; nur Holger blieb, die einmal erbetene Erlaubniß, den      Kranken<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0028] schweigend, fast gedrückt neben einander. Es war ihnen unmöglich, ein herzliches, und noch mehr, ein gleichgültiges Gespräch unter sich einzuleiten, ehe sie beide mit einander ins Reine gekommen waren, und eben dies fiel Beiden ungemein schwer, weil jeder stolz und kräftig jede Rührung für unmännlich hielt, und so scheueten sich noch Beide, ihre Herzen reden zu lassen. Aber so wie der schwellende Strom, wenn erst der Damm gebrochen, Alles mit sich fortreißt, so mußten auch, wenn erst die gegenseitige Liebe die angebildete Scham endlich überwunden hatte, beide für das, was sie für das Höchste erkannten, schwärmende Gemüther sich mit unwiderstehlicher Gewalt ergreifen. Und so geschah es. Den ersten Abend, den außer dem Bette zu verbringen Woldemar gestattet wurde, fanden sich fast Alle, die bei jenem Ereigniß gegenwärtig gewesen, bei ihm ein. Wein war mitgebracht und ein zuverlässiger Posten ausgestellt, um dem Verrath des kleinen unerlaubten Festes vorzubeugen. Heitere Gespräche lösten einander ab, und man wird begreifen, daß jeder kleine Umstand jener Begebenheit besprochen wurde. Holger allein nahm fast keinen Antheil daran; er war wortkarger als je, aber eine unaussprechliche Freude funkelte aus seinen schönen Augen. Als die Stunde zum Abendgebet schlug, mußte man der Regel nach sich trennen, um sich in den Saal zu begeben und von dort zur Ruhe; nur Holger blieb, die einmal erbetene Erlaubniß, den Kranken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/28
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/28>, abgerufen am 22.11.2024.