Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Dänen Weg zu Ruhm und Macht, Schwarzdunkles Meer! Nimm auf den Freund, der froh der Nacht, Dem Tode kühn entgegenlacht, So stolz, wie du des Sturmes Macht, Schwarzdunkles Meer! Ehe noch der letzte Ton verhallt war, stürzte sich Woldemar mit der Leiche im Arm in den beweglichen Schlund; die befreundeten Wellen schlugen laut jauchzend hoch über Beide zusammen. Mads sprang aber erschrocken in die Höhe und ließ das Ruder fahren. Lange starrte er schweigend in die Wellen hinaus. Er wurde keine Spur von den Hinausgesunkenen gewahr. Dann wischte er sich mürrisch die hellen Thränen aus den Augen. Was geht es mich an! sagte er dumpf, ich soll ja nicht denken. Aber das Maul will ich dessen ungeachtet halten, denn ich bin nicht dumm, und die Flagge soll ganz von der Stange herunter, denn die hellsten Edelsteine in der dänischen Seekrone liegen auf dem Grunde des Meeres. Er ruderte mit Anstrengung schnell zurück. Niemand hatte seine kurze Abwesenheit bemerkt, und er schwieg. Das Begräbniß wurde begangen. Alle waren erstaunt über das plötzliche Verschwinden des Freundes; aber Mads schwieg. Lange hoffte man auf Woldemar's Zurückkunft; nur seine Braut nicht. Er starb, sagte sie mit einer unerschütterlichen Bestimmtheit, noch in Der Dänen Weg zu Ruhm und Macht, Schwarzdunkles Meer! Nimm auf den Freund, der froh der Nacht, Dem Tode kühn entgegenlacht, So stolz, wie du des Sturmes Macht, Schwarzdunkles Meer! Ehe noch der letzte Ton verhallt war, stürzte sich Woldemar mit der Leiche im Arm in den beweglichen Schlund; die befreundeten Wellen schlugen laut jauchzend hoch über Beide zusammen. Mads sprang aber erschrocken in die Höhe und ließ das Ruder fahren. Lange starrte er schweigend in die Wellen hinaus. Er wurde keine Spur von den Hinausgesunkenen gewahr. Dann wischte er sich mürrisch die hellen Thränen aus den Augen. Was geht es mich an! sagte er dumpf, ich soll ja nicht denken. Aber das Maul will ich dessen ungeachtet halten, denn ich bin nicht dumm, und die Flagge soll ganz von der Stange herunter, denn die hellsten Edelsteine in der dänischen Seekrone liegen auf dem Grunde des Meeres. Er ruderte mit Anstrengung schnell zurück. Niemand hatte seine kurze Abwesenheit bemerkt, und er schwieg. Das Begräbniß wurde begangen. Alle waren erstaunt über das plötzliche Verschwinden des Freundes; aber Mads schwieg. Lange hoffte man auf Woldemar's Zurückkunft; nur seine Braut nicht. Er starb, sagte sie mit einer unerschütterlichen Bestimmtheit, noch in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0104"/> <lg type="poem"> <l>Der Dänen Weg zu Ruhm und Macht,</l> <l>Schwarzdunkles Meer!</l> <l>Nimm auf den Freund, der froh der Nacht,</l> <l>Dem Tode kühn entgegenlacht,</l> <l>So stolz, wie du des Sturmes Macht,</l> <l>Schwarzdunkles Meer!</l> </lg> <p>Ehe noch der letzte Ton verhallt war, stürzte sich Woldemar mit der Leiche im Arm in den beweglichen Schlund; die befreundeten Wellen schlugen laut jauchzend hoch über Beide zusammen. Mads sprang aber erschrocken in die Höhe und ließ das Ruder fahren. Lange starrte er schweigend in die Wellen hinaus. Er wurde keine Spur von den Hinausgesunkenen gewahr. Dann wischte er sich mürrisch die hellen Thränen aus den Augen. Was geht es mich an! sagte er dumpf, ich soll ja nicht denken. Aber das Maul will ich dessen ungeachtet halten, denn ich bin nicht dumm, und die Flagge soll ganz von der Stange herunter, denn die hellsten Edelsteine in der dänischen Seekrone liegen auf dem Grunde des Meeres.</p><lb/> <p>Er ruderte mit Anstrengung schnell zurück. Niemand hatte seine kurze Abwesenheit bemerkt, und er schwieg. Das Begräbniß wurde begangen. Alle waren erstaunt über das plötzliche Verschwinden des Freundes; aber Mads schwieg. Lange hoffte man auf Woldemar's Zurückkunft; nur seine Braut nicht. Er starb, sagte sie mit einer unerschütterlichen Bestimmtheit, noch in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Der Dänen Weg zu Ruhm und Macht, Schwarzdunkles Meer! Nimm auf den Freund, der froh der Nacht, Dem Tode kühn entgegenlacht, So stolz, wie du des Sturmes Macht, Schwarzdunkles Meer!
Ehe noch der letzte Ton verhallt war, stürzte sich Woldemar mit der Leiche im Arm in den beweglichen Schlund; die befreundeten Wellen schlugen laut jauchzend hoch über Beide zusammen. Mads sprang aber erschrocken in die Höhe und ließ das Ruder fahren. Lange starrte er schweigend in die Wellen hinaus. Er wurde keine Spur von den Hinausgesunkenen gewahr. Dann wischte er sich mürrisch die hellen Thränen aus den Augen. Was geht es mich an! sagte er dumpf, ich soll ja nicht denken. Aber das Maul will ich dessen ungeachtet halten, denn ich bin nicht dumm, und die Flagge soll ganz von der Stange herunter, denn die hellsten Edelsteine in der dänischen Seekrone liegen auf dem Grunde des Meeres.
Er ruderte mit Anstrengung schnell zurück. Niemand hatte seine kurze Abwesenheit bemerkt, und er schwieg. Das Begräbniß wurde begangen. Alle waren erstaunt über das plötzliche Verschwinden des Freundes; aber Mads schwieg. Lange hoffte man auf Woldemar's Zurückkunft; nur seine Braut nicht. Er starb, sagte sie mit einer unerschütterlichen Bestimmtheit, noch in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/104 |
Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/104>, abgerufen am 16.07.2024. |