Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus seiner vorigen Indolenz nothgedrungen erweckt, machte seine Seele ihre vorher schlummernden Kräfte und vor allen die, welche sie früh benutzt und am meisten hier nöthig hatte, die Klugheit, geltend. Sein spähender, umsichtiger Blick hatte bald seine Lage umfaßt. Zu klagen wagte er nicht; er sah bald ein, daß die Strafe, welche sein Weibergeklatsch -- so wurde hier ohne Ausnahme jedes Vorbringen vor den Vorgesetzten genannt -- veranlaßt hätte, ihm keine Erleichterung, sondern nur größere geheime Rache von den Gefährten zuziehen würde; und wie gern er auch eine andere Bestimmung erwählt hätte, kannte er doch zu gut den unbeugsamen Willen seines Vaters, der unter den Sclaven gelernt hatte, auch sclavischen Gehorsam von seinen Kindern zu fordern, um diesem Wunsche Worte zu geben.

So lernte er bald aus der Noth eine Tugend machen und sich fügen. Nothwehr lehrte ihn,-- seine ungeübten Kräfte auszubilden, und die Entdeckung, daß diese Achtung einflößten, gab ihm Muth, aber auch Tücke. Aus alter Gewohnheit und Trieb, seine Lage zu verbessern, schmeichelte er Lehrern und Gefährten; aber die Klugheit sagte ihm zugleich, daß dies auf eine sclavische Art nicht geschehen dürfe, und daß sein Bestreben nur, insofern er sich ihren Gesinnungen anschmiegte, mit Erfolg gekrönt werden könne; auch ward das Ehrgefühl bei ihm rege, und wie schwer es auch dem verzärtelten Jünglinge fiel, wurde er doch, obgleich

Aus seiner vorigen Indolenz nothgedrungen erweckt, machte seine Seele ihre vorher schlummernden Kräfte und vor allen die, welche sie früh benutzt und am meisten hier nöthig hatte, die Klugheit, geltend. Sein spähender, umsichtiger Blick hatte bald seine Lage umfaßt. Zu klagen wagte er nicht; er sah bald ein, daß die Strafe, welche sein Weibergeklatsch — so wurde hier ohne Ausnahme jedes Vorbringen vor den Vorgesetzten genannt — veranlaßt hätte, ihm keine Erleichterung, sondern nur größere geheime Rache von den Gefährten zuziehen würde; und wie gern er auch eine andere Bestimmung erwählt hätte, kannte er doch zu gut den unbeugsamen Willen seines Vaters, der unter den Sclaven gelernt hatte, auch sclavischen Gehorsam von seinen Kindern zu fordern, um diesem Wunsche Worte zu geben.

So lernte er bald aus der Noth eine Tugend machen und sich fügen. Nothwehr lehrte ihn,— seine ungeübten Kräfte auszubilden, und die Entdeckung, daß diese Achtung einflößten, gab ihm Muth, aber auch Tücke. Aus alter Gewohnheit und Trieb, seine Lage zu verbessern, schmeichelte er Lehrern und Gefährten; aber die Klugheit sagte ihm zugleich, daß dies auf eine sclavische Art nicht geschehen dürfe, und daß sein Bestreben nur, insofern er sich ihren Gesinnungen anschmiegte, mit Erfolg gekrönt werden könne; auch ward das Ehrgefühl bei ihm rege, und wie schwer es auch dem verzärtelten Jünglinge fiel, wurde er doch, obgleich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0010"/>
        <p>Aus seiner vorigen Indolenz nothgedrungen erweckt, machte seine Seele ihre vorher      schlummernden Kräfte und vor allen die, welche sie früh benutzt und am meisten hier nöthig      hatte, die Klugheit, geltend. Sein spähender, umsichtiger Blick hatte bald seine Lage umfaßt.      Zu klagen wagte er nicht; er sah bald ein, daß die Strafe, welche sein Weibergeklatsch &#x2014; so      wurde hier ohne Ausnahme jedes Vorbringen vor den Vorgesetzten genannt &#x2014; veranlaßt hätte, ihm      keine Erleichterung, sondern nur größere geheime Rache von den Gefährten zuziehen würde; und      wie gern er auch eine andere Bestimmung erwählt hätte, kannte er doch zu gut den unbeugsamen      Willen seines Vaters, der unter den Sclaven gelernt hatte, auch sclavischen Gehorsam von seinen      Kindern zu fordern, um diesem Wunsche Worte zu geben.</p><lb/>
        <p>So lernte er bald aus der Noth eine Tugend machen und sich fügen. Nothwehr lehrte ihn,&#x2014; seine      ungeübten Kräfte auszubilden, und die Entdeckung, daß diese Achtung einflößten, gab ihm Muth,      aber auch Tücke. Aus alter Gewohnheit und Trieb, seine Lage zu verbessern, schmeichelte er      Lehrern und Gefährten; aber die Klugheit sagte ihm zugleich, daß dies auf eine sclavische Art      nicht geschehen dürfe, und daß sein Bestreben nur, insofern er sich ihren Gesinnungen      anschmiegte, mit Erfolg gekrönt werden könne; auch ward das Ehrgefühl bei ihm rege, und wie      schwer es auch dem verzärtelten Jünglinge fiel, wurde er doch, obgleich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] Aus seiner vorigen Indolenz nothgedrungen erweckt, machte seine Seele ihre vorher schlummernden Kräfte und vor allen die, welche sie früh benutzt und am meisten hier nöthig hatte, die Klugheit, geltend. Sein spähender, umsichtiger Blick hatte bald seine Lage umfaßt. Zu klagen wagte er nicht; er sah bald ein, daß die Strafe, welche sein Weibergeklatsch — so wurde hier ohne Ausnahme jedes Vorbringen vor den Vorgesetzten genannt — veranlaßt hätte, ihm keine Erleichterung, sondern nur größere geheime Rache von den Gefährten zuziehen würde; und wie gern er auch eine andere Bestimmung erwählt hätte, kannte er doch zu gut den unbeugsamen Willen seines Vaters, der unter den Sclaven gelernt hatte, auch sclavischen Gehorsam von seinen Kindern zu fordern, um diesem Wunsche Worte zu geben. So lernte er bald aus der Noth eine Tugend machen und sich fügen. Nothwehr lehrte ihn,— seine ungeübten Kräfte auszubilden, und die Entdeckung, daß diese Achtung einflößten, gab ihm Muth, aber auch Tücke. Aus alter Gewohnheit und Trieb, seine Lage zu verbessern, schmeichelte er Lehrern und Gefährten; aber die Klugheit sagte ihm zugleich, daß dies auf eine sclavische Art nicht geschehen dürfe, und daß sein Bestreben nur, insofern er sich ihren Gesinnungen anschmiegte, mit Erfolg gekrönt werden könne; auch ward das Ehrgefühl bei ihm rege, und wie schwer es auch dem verzärtelten Jünglinge fiel, wurde er doch, obgleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/10
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/10>, abgerufen am 25.11.2024.