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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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anbildung ihres eignen Geschlechtes eigenes Urteil zu haben.

Die ersten Jahre des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen-
vereins waren Jahre des Kämpfens und Ringens. Wohl
hatte der Leipziger Allgemeine Deutsche Frauenverein, hatten
auch vereinzelte hochgesinnte Männer und Frauen ihm in wei-
teren Kreisen den Boden bereitet. Auf den Kampf um Er-
öffnung der Universitäten, der für die Lehrerinnen besonders
bedeutungsvoll war, komme ich noch zurück. Aber man war
doch noch weit davon entfernt, wie ich vorhin schon erwähnte,
auf Frauenwünsche irgendwie ernstlich Rücksicht zu nehmen.
Trotz alles Wohlwollens, das man in Regierungskreisen, das man
auch in Kreisen der männlichen Fachgenossen den Lehrerinnen
entgegenzubringen sich bemühte, sah man vielfach ihr selb-
ständiges Vorgehen, ihr entschlossenes Eintreten für ihre eigenen
Jnteressen und für die Jnteressen der ihnen anvertrauten weib-
lichen Jugend als etwas Nie-Dagewesenes, Unerhörtes an,
das man zu übersehen, zu unterdrücken suchte. Aber Dank
der trefflichen Führung, Dank des einmütigen Zusammenhal-
tens der in immer größerer Zahl entstehenden Lehrerinnen-
vereine gewöhnte man sich schließlich daran. Mehr und mehr
verstand man sich dazu, auch die Lehrerin als einen Faktor
anzusehen, der auf dem Gebiete der Mädchenschulpädagogik
eigene Anschauungen zu vertreten, mit dem man bei Ausgestal-
tung des Mädchenschulwesens zu rechnen hatte.

1894 brachte den ersten Fortschritt: eine Neuregelung des
Mädchenschulwesens von seiten des preußischen Kultusministe-
riums. Lehrpläne, an denen es bisher gemangelt hatte, wur-
den einheitlich für ganz Preußen gegeben. Die wissenschaft-
liche Fortbildung der Lehrerin wurde geregelt, die Bedeutung
ihrer Mitarbeit unumwunden anerkannt. Freilich blieb noch
vieles zu wünschen übrig. Auf eine wirklich zeitgemäße Um-

anbildung ihres eignen Geschlechtes eigenes Urteil zu haben.

Die ersten Jahre des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen-
vereins waren Jahre des Kämpfens und Ringens. Wohl
hatte der Leipziger Allgemeine Deutsche Frauenverein, hatten
auch vereinzelte hochgesinnte Männer und Frauen ihm in wei-
teren Kreisen den Boden bereitet. Auf den Kampf um Er-
öffnung der Universitäten, der für die Lehrerinnen besonders
bedeutungsvoll war, komme ich noch zurück. Aber man war
doch noch weit davon entfernt, wie ich vorhin schon erwähnte,
auf Frauenwünsche irgendwie ernstlich Rücksicht zu nehmen.
Trotz alles Wohlwollens, das man in Regierungskreisen, das man
auch in Kreisen der männlichen Fachgenossen den Lehrerinnen
entgegenzubringen sich bemühte, sah man vielfach ihr selb-
ständiges Vorgehen, ihr entschlossenes Eintreten für ihre eigenen
Jnteressen und für die Jnteressen der ihnen anvertrauten weib-
lichen Jugend als etwas Nie-Dagewesenes, Unerhörtes an,
das man zu übersehen, zu unterdrücken suchte. Aber Dank
der trefflichen Führung, Dank des einmütigen Zusammenhal-
tens der in immer größerer Zahl entstehenden Lehrerinnen-
vereine gewöhnte man sich schließlich daran. Mehr und mehr
verstand man sich dazu, auch die Lehrerin als einen Faktor
anzusehen, der auf dem Gebiete der Mädchenschulpädagogik
eigene Anschauungen zu vertreten, mit dem man bei Ausgestal-
tung des Mädchenschulwesens zu rechnen hatte.

1894 brachte den ersten Fortschritt: eine Neuregelung des
Mädchenschulwesens von seiten des preußischen Kultusministe-
riums. Lehrpläne, an denen es bisher gemangelt hatte, wur-
den einheitlich für ganz Preußen gegeben. Die wissenschaft-
liche Fortbildung der Lehrerin wurde geregelt, die Bedeutung
ihrer Mitarbeit unumwunden anerkannt. Freilich blieb noch
vieles zu wünschen übrig. Auf eine wirklich zeitgemäße Um-

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[47/0057] anbildung ihres eignen Geschlechtes eigenes Urteil zu haben. Die ersten Jahre des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen- vereins waren Jahre des Kämpfens und Ringens. Wohl hatte der Leipziger Allgemeine Deutsche Frauenverein, hatten auch vereinzelte hochgesinnte Männer und Frauen ihm in wei- teren Kreisen den Boden bereitet. Auf den Kampf um Er- öffnung der Universitäten, der für die Lehrerinnen besonders bedeutungsvoll war, komme ich noch zurück. Aber man war doch noch weit davon entfernt, wie ich vorhin schon erwähnte, auf Frauenwünsche irgendwie ernstlich Rücksicht zu nehmen. Trotz alles Wohlwollens, das man in Regierungskreisen, das man auch in Kreisen der männlichen Fachgenossen den Lehrerinnen entgegenzubringen sich bemühte, sah man vielfach ihr selb- ständiges Vorgehen, ihr entschlossenes Eintreten für ihre eigenen Jnteressen und für die Jnteressen der ihnen anvertrauten weib- lichen Jugend als etwas Nie-Dagewesenes, Unerhörtes an, das man zu übersehen, zu unterdrücken suchte. Aber Dank der trefflichen Führung, Dank des einmütigen Zusammenhal- tens der in immer größerer Zahl entstehenden Lehrerinnen- vereine gewöhnte man sich schließlich daran. Mehr und mehr verstand man sich dazu, auch die Lehrerin als einen Faktor anzusehen, der auf dem Gebiete der Mädchenschulpädagogik eigene Anschauungen zu vertreten, mit dem man bei Ausgestal- tung des Mädchenschulwesens zu rechnen hatte. 1894 brachte den ersten Fortschritt: eine Neuregelung des Mädchenschulwesens von seiten des preußischen Kultusministe- riums. Lehrpläne, an denen es bisher gemangelt hatte, wur- den einheitlich für ganz Preußen gegeben. Die wissenschaft- liche Fortbildung der Lehrerin wurde geregelt, die Bedeutung ihrer Mitarbeit unumwunden anerkannt. Freilich blieb noch vieles zu wünschen übrig. Auf eine wirklich zeitgemäße Um-

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/57>, abgerufen am 28.11.2024.