Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.er sich aus dem Gesellschaftsleben zurückzog. Viel schneller Denn das war eins der ersten und Haupt- Wohl waren schon seit langen Jahren eine große Anzahl er sich aus dem Gesellschaftsleben zurückzog. Viel schneller Denn das war eins der ersten und Haupt- Wohl waren schon seit langen Jahren eine große Anzahl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="30"/> er sich aus dem Gesellschaftsleben zurückzog. Viel schneller<lb/> wurde die Schmach und Qual offenbar, die die immer älter wer-<lb/> denden Mädchen in den Ballsälen durchmachten, wo sie als<lb/> Mauerblumen saßen, unbeachtet, leise oder auch offenkundig<lb/> verspottet. Und ein Leben voller Enttäuschung, voller fehl ge-<lb/> schlagener Hoffnung lag vor ihnen. – Ob eine glücklich ver-<lb/> heiratete Frau, ob irgend ein im Beruf stehender Mann die<lb/> Bitternis ermessen kann, die im Herzen solcher alternder Mäd-<lb/> chen sich sammelte? Ob sie ermessen können, welche Bedeu-<lb/> tung es hat – für die Betreffenden selbst und für unser ganzes<lb/> Volksleben –, daß die Frauenbewegung den Typus des al-<lb/> ternden Mädchens, der überflüssigen, nutzlosen alten Jungfer<lb/> nahezu vollständig beseitigte?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Denn das war eins der ersten und Haupt-<lb/> ziele der Frauenbewegung</hi>. Es galt der unverheirateten<lb/> Frau Erwerbsmöglichkeiten, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen,<lb/> ihre Berufsausbildung zu heben, ihr zu einem gesicherten, an-<lb/> gesehenen Platze im Leben zu verhelfen.</p><lb/> <p>Wohl waren schon seit langen Jahren eine große Anzahl<lb/> von Frauen berufsmäßig tätig. Aber als ungeschulte Arbei-<lb/> terinnen mußten sie sich mit den schlechtesten Stellen, mit ge-<lb/> ringster Besoldung begnügen. Selbst Arbeitsfelder, die der<lb/> Frauenart in hervorragender Weise entsprachen – ich erinnere<lb/> nur an den Erziehungsberuf, – wurden infolge mangelhaf-<lb/> tester Vorbildung der weiblichen Kräfte fast ausschließlich vom<lb/> Manne beansprucht. Den Frauen aber, die nach besserer Vor-<lb/> bildung verlangten, hielt man vor, eine solche lohne sich nicht<lb/> für sie. Bessere Ausbildung sei vollständig zwecklos, höchstens<lb/> gesundheitswidrig für Frauen. Die Natur habe sie eben ge-<lb/> ringwertiger ausgestattet als den Mann, habe sie zum Ertragen,<lb/> zum Dulden bestimmt, habe Wesen zweiter Ordnung aus ihnen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0040]
er sich aus dem Gesellschaftsleben zurückzog. Viel schneller
wurde die Schmach und Qual offenbar, die die immer älter wer-
denden Mädchen in den Ballsälen durchmachten, wo sie als
Mauerblumen saßen, unbeachtet, leise oder auch offenkundig
verspottet. Und ein Leben voller Enttäuschung, voller fehl ge-
schlagener Hoffnung lag vor ihnen. – Ob eine glücklich ver-
heiratete Frau, ob irgend ein im Beruf stehender Mann die
Bitternis ermessen kann, die im Herzen solcher alternder Mäd-
chen sich sammelte? Ob sie ermessen können, welche Bedeu-
tung es hat – für die Betreffenden selbst und für unser ganzes
Volksleben –, daß die Frauenbewegung den Typus des al-
ternden Mädchens, der überflüssigen, nutzlosen alten Jungfer
nahezu vollständig beseitigte?
Denn das war eins der ersten und Haupt-
ziele der Frauenbewegung. Es galt der unverheirateten
Frau Erwerbsmöglichkeiten, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen,
ihre Berufsausbildung zu heben, ihr zu einem gesicherten, an-
gesehenen Platze im Leben zu verhelfen.
Wohl waren schon seit langen Jahren eine große Anzahl
von Frauen berufsmäßig tätig. Aber als ungeschulte Arbei-
terinnen mußten sie sich mit den schlechtesten Stellen, mit ge-
ringster Besoldung begnügen. Selbst Arbeitsfelder, die der
Frauenart in hervorragender Weise entsprachen – ich erinnere
nur an den Erziehungsberuf, – wurden infolge mangelhaf-
tester Vorbildung der weiblichen Kräfte fast ausschließlich vom
Manne beansprucht. Den Frauen aber, die nach besserer Vor-
bildung verlangten, hielt man vor, eine solche lohne sich nicht
für sie. Bessere Ausbildung sei vollständig zwecklos, höchstens
gesundheitswidrig für Frauen. Die Natur habe sie eben ge-
ringwertiger ausgestattet als den Mann, habe sie zum Ertragen,
zum Dulden bestimmt, habe Wesen zweiter Ordnung aus ihnen
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(2017-11-13T13:59:15Z)
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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat.
(2015-08-06T11:00:00Z)
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