Können also - , wie so häufig bei den Mädchen aus dem Volke, erklärt die Mißstände, denen wir auf dem Gebiete der Mädchenerziehung in den besitzenden Klassen begegnen. Son- dern fast ausnahmslos ist es Mangel an Nachdenken, ober- flächliche, alle unbequemen Zukunftsgedanken von sich wei- sende Lebensgewohnheit - ein Nicht-Wollen also - was hindernd einer verständigen die Wechselfälle des Lebens frühzeitig berücksichtigenden Ausbildung der Mädchen im Wege steht. Hie und da wohl auch Hilflosigkeit der Eltern. Sie wissen nicht, wie und wozu sie die Mädchen ausbilden sollen. Wohl hat sich - unter dem Einfluß der Frauen- bewegung - bereits manches zum Besseren gewendet, aber immer noch tut es not, auf das hinzuweisen, was abände- rungsbedürftig, was verfehlt ist in der Erziehung unserer, den gebildeten Kreisen entstammenden jungen Mädchen. Denn einzig durch bessere Einsicht, durch einen Wandel der Anschau- ungen, durch Vertrautwerden der Eltern mit den Ausbildungs- möglichkeiten können wir endgültige Umkehr auf diesem wie auf anderen Gebieten erwarten.
Es ist notwendig, sich zunächst über die Unterschiede klar zu werden, die zwischen Lebens- und Erziehungsweise der Mädchen der höheren Klassen und der Volksschülerin von Ju- gend auf bestehen. Daraus ergeben sich von selbst für beide Arten von Mädchen verschiedengeartete Forderungen.
Gerecht und notwendig scheint es, so sagte ich, daß für Mädchen aus dem Volke, deren Eltern über den Druck des Tages allzuleicht die Sorge um die Zukunft vergessen, Staat und Gemeinde mit eintreten. An die bessere Einsicht solcher von der Not oft hart bedrängten Eltern zu appellieren, würde - ich hob das schon im ersten Abschnitt hervor - aussichts- los bleiben. Die Allgemeinheit hat einzugreifen, hat durch
Können also – , wie so häufig bei den Mädchen aus dem Volke, erklärt die Mißstände, denen wir auf dem Gebiete der Mädchenerziehung in den besitzenden Klassen begegnen. Son- dern fast ausnahmslos ist es Mangel an Nachdenken, ober- flächliche, alle unbequemen Zukunftsgedanken von sich wei- sende Lebensgewohnheit – ein Nicht-Wollen also – was hindernd einer verständigen die Wechselfälle des Lebens frühzeitig berücksichtigenden Ausbildung der Mädchen im Wege steht. Hie und da wohl auch Hilflosigkeit der Eltern. Sie wissen nicht, wie und wozu sie die Mädchen ausbilden sollen. Wohl hat sich – unter dem Einfluß der Frauen- bewegung – bereits manches zum Besseren gewendet, aber immer noch tut es not, auf das hinzuweisen, was abände- rungsbedürftig, was verfehlt ist in der Erziehung unserer, den gebildeten Kreisen entstammenden jungen Mädchen. Denn einzig durch bessere Einsicht, durch einen Wandel der Anschau- ungen, durch Vertrautwerden der Eltern mit den Ausbildungs- möglichkeiten können wir endgültige Umkehr auf diesem wie auf anderen Gebieten erwarten.
Es ist notwendig, sich zunächst über die Unterschiede klar zu werden, die zwischen Lebens- und Erziehungsweise der Mädchen der höheren Klassen und der Volksschülerin von Ju- gend auf bestehen. Daraus ergeben sich von selbst für beide Arten von Mädchen verschiedengeartete Forderungen.
Gerecht und notwendig scheint es, so sagte ich, daß für Mädchen aus dem Volke, deren Eltern über den Druck des Tages allzuleicht die Sorge um die Zukunft vergessen, Staat und Gemeinde mit eintreten. An die bessere Einsicht solcher von der Not oft hart bedrängten Eltern zu appellieren, würde – ich hob das schon im ersten Abschnitt hervor – aussichts- los bleiben. Die Allgemeinheit hat einzugreifen, hat durch
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Können also – , wie so häufig bei den Mädchen aus dem
Volke, erklärt die Mißstände, denen wir auf dem Gebiete der
Mädchenerziehung in den besitzenden Klassen begegnen. Son-
dern fast ausnahmslos ist es Mangel an Nachdenken, ober-
flächliche, alle unbequemen Zukunftsgedanken von sich wei-
sende Lebensgewohnheit – ein Nicht-Wollen also –
was hindernd einer verständigen die Wechselfälle des Lebens
frühzeitig berücksichtigenden Ausbildung der Mädchen im
Wege steht. Hie und da wohl auch Hilflosigkeit der Eltern.
Sie wissen nicht, wie und wozu sie die Mädchen ausbilden
sollen. Wohl hat sich – unter dem Einfluß der Frauen-
bewegung – bereits manches zum Besseren gewendet, aber
immer noch tut es not, auf das hinzuweisen, was abände-
rungsbedürftig, was verfehlt ist in der Erziehung unserer,
den gebildeten Kreisen entstammenden jungen Mädchen. Denn
einzig durch bessere Einsicht, durch einen Wandel der Anschau-
ungen, durch Vertrautwerden der Eltern mit den Ausbildungs-
möglichkeiten können wir endgültige Umkehr auf diesem wie
auf anderen Gebieten erwarten.
Es ist notwendig, sich zunächst über die Unterschiede klar
zu werden, die zwischen Lebens- und Erziehungsweise der
Mädchen der höheren Klassen und der Volksschülerin von Ju-
gend auf bestehen. Daraus ergeben sich von selbst für beide
Arten von Mädchen verschiedengeartete Forderungen.
Gerecht und notwendig scheint es, so sagte ich, daß für
Mädchen aus dem Volke, deren Eltern über den Druck des
Tages allzuleicht die Sorge um die Zukunft vergessen, Staat
und Gemeinde mit eintreten. An die bessere Einsicht solcher
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– ich hob das schon im ersten Abschnitt hervor – aussichts-
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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/31>, abgerufen am 16.02.2025.
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