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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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neugegründeten Frauenvereinen die in Angriff genommene
gemeinnützige Arbeit wieder das Gepräge der alten, Al-
mosen gebenden Tätigkeit annahm. Arbeiterinnen als Mit-
glieder aufzunehmen, ihnen bei Selbstorganisation Hilfe zu
leisten, lag den bürgerlichen Frauen vollends fern.

Da nun außerdem die Jnteressen der Arbeiterinnen aufs
engste verbunden sind mit denen ihrer männlichen Arbeitsge-
nossen, da die sozialdemokratische Partei den Frauen weit-
herzig entgegenkam - volle Gleichberechtigung der Frau in
rechtlicher und politischer Beziehung wurde in ihr Parteipro-
gramm aufgenommen -, so haben die Arbeiterinnen sich ge-
wöhnt, ihren Rückhalt in der sozialistischen Arbeiterbewegung,
beim Manne ihrer eigenen Kreise also, zu suchen, der
bürgerlichen Frauenbewegung hingegen gleichgültig oder feind-
lich gegenüber zu stehen, als aus Vertreterinnen der Kapita-
listenklasse zusammengesetzt. Die von Seite der bürgerlichen
Frauenbewegung gemachten Versuche, Arbeiterinnen zu ge-
meinsamer Arbeit heranzuziehen, werden in sozialdemokra-
tischen Blättern meist schroff zurückgewiesen. Jm Einzelfall
aber ist gemeinschaftliches Vorgehen von Frauen aller Rich-
tungen trotzdem erreicht worden. Der linke Flügel der bür-
gerlichen Frauenbewegung drängt ganz besonders auf weit-
gehende Verständigung der Frauen aller Klassen hin, die aber
wohl nur dann erfolgen könnte, wenn die arbeitenden Klassen
das Mißtrauen überwänden, mit dem sie den bürgerlichen
Frauen gegenüber stehen. Dies Mißtrauen zu überwinden,
sind die Frauen einzeln und in Vereinen bestrebt. Von Seiten
des fortschrittlichen Verbandes ist Else Lüders nach dieser
Richtung aufopfernd tätig. Helene v. Forster konnte aus
Nürnberg über erfolgreiche Einzelarbeit berichten. Einen
trefflichen Wegweiser für Frauen, die sich für die Arbeiter-

neugegründeten Frauenvereinen die in Angriff genommene
gemeinnützige Arbeit wieder das Gepräge der alten, Al-
mosen gebenden Tätigkeit annahm. Arbeiterinnen als Mit-
glieder aufzunehmen, ihnen bei Selbstorganisation Hilfe zu
leisten, lag den bürgerlichen Frauen vollends fern.

Da nun außerdem die Jnteressen der Arbeiterinnen aufs
engste verbunden sind mit denen ihrer männlichen Arbeitsge-
nossen, da die sozialdemokratische Partei den Frauen weit-
herzig entgegenkam – volle Gleichberechtigung der Frau in
rechtlicher und politischer Beziehung wurde in ihr Parteipro-
gramm aufgenommen –, so haben die Arbeiterinnen sich ge-
wöhnt, ihren Rückhalt in der sozialistischen Arbeiterbewegung,
beim Manne ihrer eigenen Kreise also, zu suchen, der
bürgerlichen Frauenbewegung hingegen gleichgültig oder feind-
lich gegenüber zu stehen, als aus Vertreterinnen der Kapita-
listenklasse zusammengesetzt. Die von Seite der bürgerlichen
Frauenbewegung gemachten Versuche, Arbeiterinnen zu ge-
meinsamer Arbeit heranzuziehen, werden in sozialdemokra-
tischen Blättern meist schroff zurückgewiesen. Jm Einzelfall
aber ist gemeinschaftliches Vorgehen von Frauen aller Rich-
tungen trotzdem erreicht worden. Der linke Flügel der bür-
gerlichen Frauenbewegung drängt ganz besonders auf weit-
gehende Verständigung der Frauen aller Klassen hin, die aber
wohl nur dann erfolgen könnte, wenn die arbeitenden Klassen
das Mißtrauen überwänden, mit dem sie den bürgerlichen
Frauen gegenüber stehen. Dies Mißtrauen zu überwinden,
sind die Frauen einzeln und in Vereinen bestrebt. Von Seiten
des fortschrittlichen Verbandes ist Else Lüders nach dieser
Richtung aufopfernd tätig. Helene v. Forster konnte aus
Nürnberg über erfolgreiche Einzelarbeit berichten. Einen
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[253/0263] neugegründeten Frauenvereinen die in Angriff genommene gemeinnützige Arbeit wieder das Gepräge der alten, Al- mosen gebenden Tätigkeit annahm. Arbeiterinnen als Mit- glieder aufzunehmen, ihnen bei Selbstorganisation Hilfe zu leisten, lag den bürgerlichen Frauen vollends fern. Da nun außerdem die Jnteressen der Arbeiterinnen aufs engste verbunden sind mit denen ihrer männlichen Arbeitsge- nossen, da die sozialdemokratische Partei den Frauen weit- herzig entgegenkam – volle Gleichberechtigung der Frau in rechtlicher und politischer Beziehung wurde in ihr Parteipro- gramm aufgenommen –, so haben die Arbeiterinnen sich ge- wöhnt, ihren Rückhalt in der sozialistischen Arbeiterbewegung, beim Manne ihrer eigenen Kreise also, zu suchen, der bürgerlichen Frauenbewegung hingegen gleichgültig oder feind- lich gegenüber zu stehen, als aus Vertreterinnen der Kapita- listenklasse zusammengesetzt. Die von Seite der bürgerlichen Frauenbewegung gemachten Versuche, Arbeiterinnen zu ge- meinsamer Arbeit heranzuziehen, werden in sozialdemokra- tischen Blättern meist schroff zurückgewiesen. Jm Einzelfall aber ist gemeinschaftliches Vorgehen von Frauen aller Rich- tungen trotzdem erreicht worden. Der linke Flügel der bür- gerlichen Frauenbewegung drängt ganz besonders auf weit- gehende Verständigung der Frauen aller Klassen hin, die aber wohl nur dann erfolgen könnte, wenn die arbeitenden Klassen das Mißtrauen überwänden, mit dem sie den bürgerlichen Frauen gegenüber stehen. Dies Mißtrauen zu überwinden, sind die Frauen einzeln und in Vereinen bestrebt. Von Seiten des fortschrittlichen Verbandes ist Else Lüders nach dieser Richtung aufopfernd tätig. Helene v. Forster konnte aus Nürnberg über erfolgreiche Einzelarbeit berichten. Einen trefflichen Wegweiser für Frauen, die sich für die Arbeiter-

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/263>, abgerufen am 24.11.2024.