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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Und doch muß man das angesichts der veränderten Ver-
hältnisse von den Müttern fordern.

Nicht mehr wie einst, ich sprach davon schon in frü-
heren Abschnitten, gehört das junge Mädchen bis zur Ver-
heiratung oder wenn sie sich nicht verheiratet, für Zeit ihres
Lebens ins Haus. Die Sehnsucht, ein voll ausgefülltes Leben
zu führen, sich dies Leben selbständig zu gestalten, eine ihr
Dasein bereichernde Berufsbildung zu erwerben, eine sie be-
friedigende Amtstätigkeit zu übernehmen, ist in unseren jungen
Mädchen lebendig geworden. Aber schwer wird es oft den
Müttern, die selbst unter ganz anderen Anschauungen heran-
gewachsen sind, den Töchtern gegenüber Entsagung zu üben.

So hart es klingt: Mutterliebe wird heutigentages noch
oft zum Mutteregoismus, und unter Mutteregoismus haben
heranwachsende Töchter - mehr noch als Söhne - schwer und
häufig zu leiden.

Dem Sohne gestehen einsichtige Eltern freie Entwicklung,
eigene Lebensgestaltung ohne weiteres zu. Die Tochter aber
hat zu werden, wie die Mutter es wünscht. Verständnislos
steht die Mutter oft der vielleicht anders, vielleicht nach dem
Vater gearteten Tochter gegenüber. - Die Tochter hat für die
Eltern zu leben, ihr Dasein zu verschönern. Bevor sie sich selbst
durch Arbeit und Pflichterfüllung zu Kraft und Harmonie hin-
durchgerungen hat, soll sie Harmonie um sich verbreiten. Be-
vor sie sich selbst gefunden hat, soll sie der schweren Kunst ge-
nügen, nur für andere zu leben. - Hat eine Tochter eine Mutter,
die ihrer zu bedürfen meint, auch wenn diese Mutter selbst
noch frisch und leistungsfähig und ausgefüllt durch Jnteressen
und Pflichten ist, so scheint es allen selbstverständlich, daß eine
Frau um dieser Mutter willen auf eigenen Beruf, eigenes
Glück, sofern es nicht die Ehe ist, einfach verzichtet. Denn

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Und doch muß man das angesichts der veränderten Ver-
hältnisse von den Müttern fordern.

Nicht mehr wie einst, ich sprach davon schon in frü-
heren Abschnitten, gehört das junge Mädchen bis zur Ver-
heiratung oder wenn sie sich nicht verheiratet, für Zeit ihres
Lebens ins Haus. Die Sehnsucht, ein voll ausgefülltes Leben
zu führen, sich dies Leben selbständig zu gestalten, eine ihr
Dasein bereichernde Berufsbildung zu erwerben, eine sie be-
friedigende Amtstätigkeit zu übernehmen, ist in unseren jungen
Mädchen lebendig geworden. Aber schwer wird es oft den
Müttern, die selbst unter ganz anderen Anschauungen heran-
gewachsen sind, den Töchtern gegenüber Entsagung zu üben.

So hart es klingt: Mutterliebe wird heutigentages noch
oft zum Mutteregoismus, und unter Mutteregoismus haben
heranwachsende Töchter – mehr noch als Söhne – schwer und
häufig zu leiden.

Dem Sohne gestehen einsichtige Eltern freie Entwicklung,
eigene Lebensgestaltung ohne weiteres zu. Die Tochter aber
hat zu werden, wie die Mutter es wünscht. Verständnislos
steht die Mutter oft der vielleicht anders, vielleicht nach dem
Vater gearteten Tochter gegenüber. – Die Tochter hat für die
Eltern zu leben, ihr Dasein zu verschönern. Bevor sie sich selbst
durch Arbeit und Pflichterfüllung zu Kraft und Harmonie hin-
durchgerungen hat, soll sie Harmonie um sich verbreiten. Be-
vor sie sich selbst gefunden hat, soll sie der schweren Kunst ge-
nügen, nur für andere zu leben. – Hat eine Tochter eine Mutter,
die ihrer zu bedürfen meint, auch wenn diese Mutter selbst
noch frisch und leistungsfähig und ausgefüllt durch Jnteressen
und Pflichten ist, so scheint es allen selbstverständlich, daß eine
Frau um dieser Mutter willen auf eigenen Beruf, eigenes
Glück, sofern es nicht die Ehe ist, einfach verzichtet. Denn

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[227/0237] Und doch muß man das angesichts der veränderten Ver- hältnisse von den Müttern fordern. Nicht mehr wie einst, ich sprach davon schon in frü- heren Abschnitten, gehört das junge Mädchen bis zur Ver- heiratung oder wenn sie sich nicht verheiratet, für Zeit ihres Lebens ins Haus. Die Sehnsucht, ein voll ausgefülltes Leben zu führen, sich dies Leben selbständig zu gestalten, eine ihr Dasein bereichernde Berufsbildung zu erwerben, eine sie be- friedigende Amtstätigkeit zu übernehmen, ist in unseren jungen Mädchen lebendig geworden. Aber schwer wird es oft den Müttern, die selbst unter ganz anderen Anschauungen heran- gewachsen sind, den Töchtern gegenüber Entsagung zu üben. So hart es klingt: Mutterliebe wird heutigentages noch oft zum Mutteregoismus, und unter Mutteregoismus haben heranwachsende Töchter – mehr noch als Söhne – schwer und häufig zu leiden. Dem Sohne gestehen einsichtige Eltern freie Entwicklung, eigene Lebensgestaltung ohne weiteres zu. Die Tochter aber hat zu werden, wie die Mutter es wünscht. Verständnislos steht die Mutter oft der vielleicht anders, vielleicht nach dem Vater gearteten Tochter gegenüber. – Die Tochter hat für die Eltern zu leben, ihr Dasein zu verschönern. Bevor sie sich selbst durch Arbeit und Pflichterfüllung zu Kraft und Harmonie hin- durchgerungen hat, soll sie Harmonie um sich verbreiten. Be- vor sie sich selbst gefunden hat, soll sie der schweren Kunst ge- nügen, nur für andere zu leben. – Hat eine Tochter eine Mutter, die ihrer zu bedürfen meint, auch wenn diese Mutter selbst noch frisch und leistungsfähig und ausgefüllt durch Jnteressen und Pflichten ist, so scheint es allen selbstverständlich, daß eine Frau um dieser Mutter willen auf eigenen Beruf, eigenes Glück, sofern es nicht die Ehe ist, einfach verzichtet. Denn 15*

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/237>, abgerufen am 25.11.2024.