Als Knabe hat der Mann an die Reinheit der Frauen geglaubt. Sache der Frauen, mit denen er außerhalb des El- ternhauses in Berührung kommt, ist es, diesen Glauben in ihm wach zu erhalten, ihm zu zeigen, wie die Welt auch für den reifer werdenden Menschen voller Schönheit ist, trotz allem, was solche ihm sagen, die sich, sobald man sie frei ließ, in den Sumpf eingenistet haben oder die - bedauernswerter noch als diese - schon in ihren Knabenjahren mit Schmutz und Sitten- verderbnis in Berührung kamen.
Wir brauchen nicht zu sorgen, daß der Mann nichts wissen wolle von solchem Gemeinschaftsleben und -wirken, daß er unsere Hand zurückweisen würde, wenn wir sie ihm in ehr- licher Freundschaft reichen. Als auf der Kölner Versammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (Herbst 1903) eine unserer hochgeschätztesten Führerinnen, Jka Freudenberg aus München, in ihrem Vortrage aussprach, wie schwierig heutzutage die Verhältnisse für junge Männer lägen, die ins Leben hinaustreten, wie auch die jungen Mädchen gefährdet wären durch die sich immer unnatürlicher gestaltenden Lebens- bedingungen, wie die Frauen verpflichtet seien, über die ihnen bisher gezogenen Schranken hinauszuschauen, sich auch mit diesen schwierigen sittlichen Verhältnissen vertraut zu machen, da stand ein Mann auf, ein angesehener Kölner Bürger und dankte Fräulein Freudenberg für ihre Worte und bezeichnete es geradezu als Erlösung, daß die Frauen den Mut ge- funden hätten, auf diesem Gebiete vorzugehen.
Wer anders auch als die Frauen, die Mütter oder auch wohl die jungen Mädchen selbst, könnte Besserung her- beiführen, wenn es sich um Umgestaltung des Verkehrs zwischen jungen Männern und jungen Mädchen gerade im Familien- kreise handelt? Wer kann, wie Frauen das können, Ehe und
Als Knabe hat der Mann an die Reinheit der Frauen geglaubt. Sache der Frauen, mit denen er außerhalb des El- ternhauses in Berührung kommt, ist es, diesen Glauben in ihm wach zu erhalten, ihm zu zeigen, wie die Welt auch für den reifer werdenden Menschen voller Schönheit ist, trotz allem, was solche ihm sagen, die sich, sobald man sie frei ließ, in den Sumpf eingenistet haben oder die – bedauernswerter noch als diese – schon in ihren Knabenjahren mit Schmutz und Sitten- verderbnis in Berührung kamen.
Wir brauchen nicht zu sorgen, daß der Mann nichts wissen wolle von solchem Gemeinschaftsleben und -wirken, daß er unsere Hand zurückweisen würde, wenn wir sie ihm in ehr- licher Freundschaft reichen. Als auf der Kölner Versammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (Herbst 1903) eine unserer hochgeschätztesten Führerinnen, Jka Freudenberg aus München, in ihrem Vortrage aussprach, wie schwierig heutzutage die Verhältnisse für junge Männer lägen, die ins Leben hinaustreten, wie auch die jungen Mädchen gefährdet wären durch die sich immer unnatürlicher gestaltenden Lebens- bedingungen, wie die Frauen verpflichtet seien, über die ihnen bisher gezogenen Schranken hinauszuschauen, sich auch mit diesen schwierigen sittlichen Verhältnissen vertraut zu machen, da stand ein Mann auf, ein angesehener Kölner Bürger und dankte Fräulein Freudenberg für ihre Worte und bezeichnete es geradezu als Erlösung, daß die Frauen den Mut ge- funden hätten, auf diesem Gebiete vorzugehen.
Wer anders auch als die Frauen, die Mütter oder auch wohl die jungen Mädchen selbst, könnte Besserung her- beiführen, wenn es sich um Umgestaltung des Verkehrs zwischen jungen Männern und jungen Mädchen gerade im Familien- kreise handelt? Wer kann, wie Frauen das können, Ehe und
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Als Knabe hat der Mann an die Reinheit der Frauen
geglaubt. Sache der Frauen, mit denen er außerhalb des El-
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ihm wach zu erhalten, ihm zu zeigen, wie die Welt auch für
den reifer werdenden Menschen voller Schönheit ist, trotz allem,
was solche ihm sagen, die sich, sobald man sie frei ließ, in den
Sumpf eingenistet haben oder die – bedauernswerter noch als
diese – schon in ihren Knabenjahren mit Schmutz und Sitten-
verderbnis in Berührung kamen.
Wir brauchen nicht zu sorgen, daß der Mann nichts wissen
wolle von solchem Gemeinschaftsleben und -wirken, daß er
unsere Hand zurückweisen würde, wenn wir sie ihm in ehr-
licher Freundschaft reichen. Als auf der Kölner Versammlung
des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (Herbst 1903) eine
unserer hochgeschätztesten Führerinnen, Jka Freudenberg
aus München, in ihrem Vortrage aussprach, wie schwierig
heutzutage die Verhältnisse für junge Männer lägen, die ins
Leben hinaustreten, wie auch die jungen Mädchen gefährdet
wären durch die sich immer unnatürlicher gestaltenden Lebens-
bedingungen, wie die Frauen verpflichtet seien, über die ihnen
bisher gezogenen Schranken hinauszuschauen, sich auch mit
diesen schwierigen sittlichen Verhältnissen vertraut zu machen,
da stand ein Mann auf, ein angesehener Kölner Bürger und
dankte Fräulein Freudenberg für ihre Worte und bezeichnete
es geradezu als Erlösung, daß die Frauen den Mut ge-
funden hätten, auf diesem Gebiete vorzugehen.
Wer anders auch als die Frauen, die Mütter oder
auch wohl die jungen Mädchen selbst, könnte Besserung her-
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jungen Männern und jungen Mädchen gerade im Familien-
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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/201>, abgerufen am 30.07.2024.
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