zwischen Mann und Weib, da nimmt der rohe Mensch rück- sichtslos sein Recht, gleichviel ob er den anderen dadurch ver- letzt und vernichtet. Daß, solange das gemeine Recht herrschte, ein Mann daran denken durfte, seine Frau zur Erfüllung ihrer sogenannten ehelichen Pflichten von Gesetzeswegen anzu- halten, war ein Beispiel solch unentwickelter, sich bis in unsere Zeit hineinschleppender roher Gesinnung, gegen die die Frauen rechtlos wie sie waren - sich vergeblich aufzulehnen ver- suchten.
Nicht davon sollte immer und immer wieder zwischen Mann und Weib die Rede sein, daß der eine unbedingt herrschen, der andere ein für allemal gehorchen müsse. Nicht um Herrschaft übereinander sollten die Geschlechter streiten. Sondern das, was den Menschen veredelt, sollten beide in- einander suchen und anerkennen und stärken.
Nicht die Frau als solche und nicht der Mann als solcher - ich wiederhole das noch einmal - sind berufen, die Mensch- heit zu lichteren Höhen zu führen. Nur diejenigen unter ihnen, das müssen wir im Jnteresse der Volkswohlfahrt dringend wünschen, dürfen führend werden, dürfen sich die Hand zu gemeinsamer Arbeit reichen, die das Wort beherzigen: "Rei- nige zuerst das Jnwendige von Becher und Schüssel". Nur solche allein können einander wirklich Gutes geben, in denen jenes andere Wort zu lebendiger Wirkung gekommen: "Zuerst hei- lige ich mich selbst".
Nun möchte ich aber einem Mißverständnis vorbeugen. Wenn ich von "heiligen" spreche, so denke ich dabei nicht an "heilig" in kirchlich-mönchischem Sinne. Nicht an ein der Welt Entsagen und vor jeder frohen Sinnlichkeit Flüchten. "Nicht Entsagung predige ich Euch, ich predige Euch die Unschuld der Sinne". So etwas Unverdorbenes, Naturfrisches, Rei-
zwischen Mann und Weib, da nimmt der rohe Mensch rück- sichtslos sein Recht, gleichviel ob er den anderen dadurch ver- letzt und vernichtet. Daß, solange das gemeine Recht herrschte, ein Mann daran denken durfte, seine Frau zur Erfüllung ihrer sogenannten ehelichen Pflichten von Gesetzeswegen anzu- halten, war ein Beispiel solch unentwickelter, sich bis in unsere Zeit hineinschleppender roher Gesinnung, gegen die die Frauen rechtlos wie sie waren – sich vergeblich aufzulehnen ver- suchten.
Nicht davon sollte immer und immer wieder zwischen Mann und Weib die Rede sein, daß der eine unbedingt herrschen, der andere ein für allemal gehorchen müsse. Nicht um Herrschaft übereinander sollten die Geschlechter streiten. Sondern das, was den Menschen veredelt, sollten beide in- einander suchen und anerkennen und stärken.
Nicht die Frau als solche und nicht der Mann als solcher – ich wiederhole das noch einmal – sind berufen, die Mensch- heit zu lichteren Höhen zu führen. Nur diejenigen unter ihnen, das müssen wir im Jnteresse der Volkswohlfahrt dringend wünschen, dürfen führend werden, dürfen sich die Hand zu gemeinsamer Arbeit reichen, die das Wort beherzigen: „Rei- nige zuerst das Jnwendige von Becher und Schüssel“. Nur solche allein können einander wirklich Gutes geben, in denen jenes andere Wort zu lebendiger Wirkung gekommen: „Zuerst hei- lige ich mich selbst“.
Nun möchte ich aber einem Mißverständnis vorbeugen. Wenn ich von „heiligen“ spreche, so denke ich dabei nicht an „heilig“ in kirchlich-mönchischem Sinne. Nicht an ein der Welt Entsagen und vor jeder frohen Sinnlichkeit Flüchten. „Nicht Entsagung predige ich Euch, ich predige Euch die Unschuld der Sinne“. So etwas Unverdorbenes, Naturfrisches, Rei-
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zwischen Mann und Weib, da nimmt der rohe Mensch rück-
sichtslos sein Recht, gleichviel ob er den anderen dadurch ver-
letzt und vernichtet. Daß, solange das gemeine Recht herrschte,
ein Mann daran denken durfte, seine Frau zur Erfüllung
ihrer sogenannten ehelichen Pflichten von Gesetzeswegen anzu-
halten, war ein Beispiel solch unentwickelter, sich bis in unsere
Zeit hineinschleppender roher Gesinnung, gegen die die Frauen
rechtlos wie sie waren – sich vergeblich aufzulehnen ver-
suchten.
Nicht davon sollte immer und immer wieder zwischen
Mann und Weib die Rede sein, daß der eine unbedingt
herrschen, der andere ein für allemal gehorchen müsse. Nicht
um Herrschaft übereinander sollten die Geschlechter streiten.
Sondern das, was den Menschen veredelt, sollten beide in-
einander suchen und anerkennen und stärken.
Nicht die Frau als solche und nicht der Mann als solcher
– ich wiederhole das noch einmal – sind berufen, die Mensch-
heit zu lichteren Höhen zu führen. Nur diejenigen unter ihnen,
das müssen wir im Jnteresse der Volkswohlfahrt dringend
wünschen, dürfen führend werden, dürfen sich die Hand zu
gemeinsamer Arbeit reichen, die das Wort beherzigen: „Rei-
nige zuerst das Jnwendige von Becher und Schüssel“. Nur solche
allein können einander wirklich Gutes geben, in denen jenes
andere Wort zu lebendiger Wirkung gekommen: „Zuerst hei-
lige ich mich selbst“.
Nun möchte ich aber einem Mißverständnis vorbeugen.
Wenn ich von „heiligen“ spreche, so denke ich dabei nicht an
„heilig“ in kirchlich-mönchischem Sinne. Nicht an ein der Welt
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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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