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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Namen benannt hörten. Die von Geheimnissen reden hörten,
die ihnen doch keine Geheimnisse waren, die Lehrer und
Lehrerinnen vor dem ausweichen sahen, was das Leben ihnen
doch als etwas ganz selbstverständlich Dazugehörendes bot.
Nicht aufzuklären, sondern zu veredeln heißt es darum in der
Volksschule und ganz besonders vom naturwissenschaftlichen,
gesundheitlichen Standpunkt aus einzuwirken, die Kinder vor
Verschuldung und Haltlosigkeit zu bewahren.

Anders in der höheren Knaben- und Mädchenschule. Ein
dichter Schleier wird in den gebildeten Familien über alle ge-
schlechtlichen Vorgänge gebreitet. Ueber natürliche Dinge zu
sprechen ist unschicklich. Jm höchsten Grade unpassend erscheint
die Art, in der der liebe Gott die Kinder in die Welt kommen
läßt. Vom Verkehr zwischen Mann und Weib gar nicht zu
sprechen.

Solchen Kindern gegenüber gilt es aufzuklären, ihnen
- womöglich bevor sie von Kameraden oder Dienstboten auf
unsaubere Gedanken gelenkt werden - Ehrfurcht und Hoch-
achtung vor der in so wundersamen Formen schaffenden Natur
einzuflößen. Es gilt, ihnen den Zusammenhang aller leben-
den Wesen, die Aehnlichkeit aller Naturvorgänge bei Pflanzen
und Tieren als etwas ganz Selbstverständliches hinzustellen,
auch den Menschen als zusammenhängend mit der ganzen
übrigen Schöpfung zu schildern. Es gilt, ihnen die Liebe
zwischen Mann und Weib als etwas Naturgewolltes und
Reines, die Sorge für eine kommende Generation als Heiligstes
hinzustellen, das uns verpflichtet, uns selbst gesund und rein
zu halten. "Weil die Sünden der Väter heimgesucht werden
an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied." Und weil
der Mensch, trotz seines Zusammenhanges mit der Natur, ein
vernunftbegabtes, ein höheres Wesen ist als die ihn umgebende

Namen benannt hörten. Die von Geheimnissen reden hörten,
die ihnen doch keine Geheimnisse waren, die Lehrer und
Lehrerinnen vor dem ausweichen sahen, was das Leben ihnen
doch als etwas ganz selbstverständlich Dazugehörendes bot.
Nicht aufzuklären, sondern zu veredeln heißt es darum in der
Volksschule und ganz besonders vom naturwissenschaftlichen,
gesundheitlichen Standpunkt aus einzuwirken, die Kinder vor
Verschuldung und Haltlosigkeit zu bewahren.

Anders in der höheren Knaben- und Mädchenschule. Ein
dichter Schleier wird in den gebildeten Familien über alle ge-
schlechtlichen Vorgänge gebreitet. Ueber natürliche Dinge zu
sprechen ist unschicklich. Jm höchsten Grade unpassend erscheint
die Art, in der der liebe Gott die Kinder in die Welt kommen
läßt. Vom Verkehr zwischen Mann und Weib gar nicht zu
sprechen.

Solchen Kindern gegenüber gilt es aufzuklären, ihnen
– womöglich bevor sie von Kameraden oder Dienstboten auf
unsaubere Gedanken gelenkt werden – Ehrfurcht und Hoch-
achtung vor der in so wundersamen Formen schaffenden Natur
einzuflößen. Es gilt, ihnen den Zusammenhang aller leben-
den Wesen, die Aehnlichkeit aller Naturvorgänge bei Pflanzen
und Tieren als etwas ganz Selbstverständliches hinzustellen,
auch den Menschen als zusammenhängend mit der ganzen
übrigen Schöpfung zu schildern. Es gilt, ihnen die Liebe
zwischen Mann und Weib als etwas Naturgewolltes und
Reines, die Sorge für eine kommende Generation als Heiligstes
hinzustellen, das uns verpflichtet, uns selbst gesund und rein
zu halten. „Weil die Sünden der Väter heimgesucht werden
an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied.“ Und weil
der Mensch, trotz seines Zusammenhanges mit der Natur, ein
vernunftbegabtes, ein höheres Wesen ist als die ihn umgebende

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[182/0192] Namen benannt hörten. Die von Geheimnissen reden hörten, die ihnen doch keine Geheimnisse waren, die Lehrer und Lehrerinnen vor dem ausweichen sahen, was das Leben ihnen doch als etwas ganz selbstverständlich Dazugehörendes bot. Nicht aufzuklären, sondern zu veredeln heißt es darum in der Volksschule und ganz besonders vom naturwissenschaftlichen, gesundheitlichen Standpunkt aus einzuwirken, die Kinder vor Verschuldung und Haltlosigkeit zu bewahren. Anders in der höheren Knaben- und Mädchenschule. Ein dichter Schleier wird in den gebildeten Familien über alle ge- schlechtlichen Vorgänge gebreitet. Ueber natürliche Dinge zu sprechen ist unschicklich. Jm höchsten Grade unpassend erscheint die Art, in der der liebe Gott die Kinder in die Welt kommen läßt. Vom Verkehr zwischen Mann und Weib gar nicht zu sprechen. Solchen Kindern gegenüber gilt es aufzuklären, ihnen – womöglich bevor sie von Kameraden oder Dienstboten auf unsaubere Gedanken gelenkt werden – Ehrfurcht und Hoch- achtung vor der in so wundersamen Formen schaffenden Natur einzuflößen. Es gilt, ihnen den Zusammenhang aller leben- den Wesen, die Aehnlichkeit aller Naturvorgänge bei Pflanzen und Tieren als etwas ganz Selbstverständliches hinzustellen, auch den Menschen als zusammenhängend mit der ganzen übrigen Schöpfung zu schildern. Es gilt, ihnen die Liebe zwischen Mann und Weib als etwas Naturgewolltes und Reines, die Sorge für eine kommende Generation als Heiligstes hinzustellen, das uns verpflichtet, uns selbst gesund und rein zu halten. „Weil die Sünden der Väter heimgesucht werden an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied.“ Und weil der Mensch, trotz seines Zusammenhanges mit der Natur, ein vernunftbegabtes, ein höheres Wesen ist als die ihn umgebende

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/192>, abgerufen am 24.11.2024.