der Arbeitslosigkeit treten auch hier ein, und schließlich hat doch jeder Mensch außer Wohnung und Essen auch noch an- dere Bedürfnisse (Kleidung, Wäsche rc.).
Wie sollen diese Mädchen leben, wenn sie nicht ihre Zu- flucht zu dem schmachvollen und traurigen Nebenerwerb der Prostitution nehmen? Jn dem Berichte des Reichsamtes des Jnnern vom Jahre 1887 finden wir es auch ganz ungeschminkt ausgesprochen, daß es die elenden Löhne sind, die diese Frauen der Prostitution in die Arme treiben. Jn dem Schreiben des Berliner Gewerberates wird, selbst in Bezug auf die verhält- nismäßig gut bezahlten Wäschenäherinnen erwähnt, daß ein Teil von ihnen sich in der stillen Geschäftszeit der Prostitution ergibt. Ueber die Konfektionsarbeiterinnen heißt es: "Der hier herrschende große Mangel mag manche zwingen, sich einen Verdienst zu suchen, den sie anfangs verabscheute." Aus Stet- tin schreibt man: "Der Verdienst der in den Werkstuben be- schäftigten Mädchen reicht nicht hin, um den völligen Lebens- unterhalt für eine einzelstehende Person zu bestreiten", und von den Heimarbeiterinnen der Kinderkonfektion: "Jn den Arbeitsräumen der in dieser Gruppe beschäftigten Arbeiterin- nen waren ersichtlich Not, Elend und Schmutz die täglichen Gäste." Der Bericht aus dem Regierungsbezirk Posen sagt: "Daß die Geringfügigkeit des Arbeitsverdienstes und die mit der Beschäftigung verbundene sitzende Lebensweise die Prosti- tution fördert, ist unbedenklich anzunehmen", und weiter: "so lange die Arbeiterinnen sich nicht der Pro- stitution ergeben haben, bilden Kartoffeln das hauptsächliche Nahrungsmittel". Der Ge- werberat für Düsseldorf, Neuß, Barmen, Elberfeld, M.-Glad- bach hebt hervor, daß "die Mädchen hier und da besonders darunter zu leiden haben, daß die die Arbeit verteilenden und
der Arbeitslosigkeit treten auch hier ein, und schließlich hat doch jeder Mensch außer Wohnung und Essen auch noch an- dere Bedürfnisse (Kleidung, Wäsche rc.).
Wie sollen diese Mädchen leben, wenn sie nicht ihre Zu- flucht zu dem schmachvollen und traurigen Nebenerwerb der Prostitution nehmen? Jn dem Berichte des Reichsamtes des Jnnern vom Jahre 1887 finden wir es auch ganz ungeschminkt ausgesprochen, daß es die elenden Löhne sind, die diese Frauen der Prostitution in die Arme treiben. Jn dem Schreiben des Berliner Gewerberates wird, selbst in Bezug auf die verhält- nismäßig gut bezahlten Wäschenäherinnen erwähnt, daß ein Teil von ihnen sich in der stillen Geschäftszeit der Prostitution ergibt. Ueber die Konfektionsarbeiterinnen heißt es: „Der hier herrschende große Mangel mag manche zwingen, sich einen Verdienst zu suchen, den sie anfangs verabscheute.“ Aus Stet- tin schreibt man: „Der Verdienst der in den Werkstuben be- schäftigten Mädchen reicht nicht hin, um den völligen Lebens- unterhalt für eine einzelstehende Person zu bestreiten“, und von den Heimarbeiterinnen der Kinderkonfektion: „Jn den Arbeitsräumen der in dieser Gruppe beschäftigten Arbeiterin- nen waren ersichtlich Not, Elend und Schmutz die täglichen Gäste.“ Der Bericht aus dem Regierungsbezirk Posen sagt: „Daß die Geringfügigkeit des Arbeitsverdienstes und die mit der Beschäftigung verbundene sitzende Lebensweise die Prosti- tution fördert, ist unbedenklich anzunehmen“, und weiter: „so lange die Arbeiterinnen sich nicht der Pro- stitution ergeben haben, bilden Kartoffeln das hauptsächliche Nahrungsmittel“. Der Ge- werberat für Düsseldorf, Neuß, Barmen, Elberfeld, M.-Glad- bach hebt hervor, daß „die Mädchen hier und da besonders darunter zu leiden haben, daß die die Arbeit verteilenden und
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der Arbeitslosigkeit treten auch hier ein, und schließlich hat
doch jeder Mensch außer Wohnung und Essen auch noch an-
dere Bedürfnisse (Kleidung, Wäsche rc.).
Wie sollen diese Mädchen leben, wenn sie nicht ihre Zu-
flucht zu dem schmachvollen und traurigen Nebenerwerb der
Prostitution nehmen? Jn dem Berichte des Reichsamtes des
Jnnern vom Jahre 1887 finden wir es auch ganz ungeschminkt
ausgesprochen, daß es die elenden Löhne sind, die diese Frauen
der Prostitution in die Arme treiben. Jn dem Schreiben des
Berliner Gewerberates wird, selbst in Bezug auf die verhält-
nismäßig gut bezahlten Wäschenäherinnen erwähnt, daß ein
Teil von ihnen sich in der stillen Geschäftszeit der Prostitution
ergibt. Ueber die Konfektionsarbeiterinnen heißt es: „Der
hier herrschende große Mangel mag manche zwingen, sich einen
Verdienst zu suchen, den sie anfangs verabscheute.“ Aus Stet-
tin schreibt man: „Der Verdienst der in den Werkstuben be-
schäftigten Mädchen reicht nicht hin, um den völligen Lebens-
unterhalt für eine einzelstehende Person zu bestreiten“, und
von den Heimarbeiterinnen der Kinderkonfektion: „Jn den
Arbeitsräumen der in dieser Gruppe beschäftigten Arbeiterin-
nen waren ersichtlich Not, Elend und Schmutz die täglichen
Gäste.“ Der Bericht aus dem Regierungsbezirk Posen sagt:
„Daß die Geringfügigkeit des Arbeitsverdienstes und die mit
der Beschäftigung verbundene sitzende Lebensweise die Prosti-
tution fördert, ist unbedenklich anzunehmen“, und weiter: „so
lange die Arbeiterinnen sich nicht der Pro-
stitution ergeben haben, bilden Kartoffeln
das hauptsächliche Nahrungsmittel“. Der Ge-
werberat für Düsseldorf, Neuß, Barmen, Elberfeld, M.-Glad-
bach hebt hervor, daß „die Mädchen hier und da besonders
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(2017-11-13T13:59:15Z)
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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/160>, abgerufen am 27.07.2024.
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