Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
gel: daß die Schwachheit der Menschen sie nur gar zu
ofte verleitet, dasjenige allzu leichte zu glauben,
was sie wünschen. Moses erzehlt uns von einer allge-
meinen Ueberschwemmung der Erden. Man achtet sich
verbunden dieses zu glauben, und sucht alles nur mögli-
che hervor um seine Meinung zu bestätigen. Ja man
bildet sich ein, daß man eben nicht berechtiget sey, dabey
alles gar zu genau zu nehmen. Aber dieses ist in Wahrheit
nicht wohl gethan, und man betriegt sich gar sehr, wenn
man der Religion mit seichten Gründen zu Hülfe kommen
will. Denn diejenigen, welche eine solche Wahrheit vor-
her geglaubt haben, würden dieselbe auch ohne unsere
neuen Gründe zu glauben fortgefahren haben; diejenigen
aber, welche daran zweifeln, werden bey Erblickung der
Schwäche der Beweißthümer in ihren Zweifel nur immer
mehr und mehr gestärkt. Ich will nicht hoffen, daß je-
manden ein Seufzer darüber entfahren sollte, daß ich ge-
leugnet habe, es könnten die gebildeten Steine keinen Be-
weiß von der Allgemeinheit der Sündfluth abgeben.
Denn einen Beweiß als unzulänglich zu verwerfen, heist
darum die Sache selbst nicht leugnen. Man kan dieses
nicht einmal sagen, wenn man schon ausser der Zuläng-
lichkeit, ich will nicht sagen eines, sondern aller Beweise
noch Schwierigkeiten antreffen sollte, die man sich zu he-
beben nicht in Stande ist. Aber wie wenig begreifen die-
ses! das macht, der menschliche Verstand ist wie eine
Goldwage; das kleinste Uebergewichte gibt einen Aus-
schlag, und nur sehr wenige Menschen besitzen die Ge-
schicklichkeit diese Wage bey gleich schweren Gewichten zur
Ruhe zu bringen, ob sie schon bey den allermeisten so un-
gangbar ist, daß auch die grösten Gewichte keinen Aus-
schlag verursachen, daher es denn wohl gekommen seyn
mag, daß man diejenigen für die witzigsten Köpfe gehal-
ten hat, bey denen sie sich in beständiger Bewegung be-
funden.

§. 49.
F 3

in den alleraͤlteſten Zeiten.
gel: daß die Schwachheit der Menſchen ſie nur gar zu
ofte verleitet, dasjenige allzu leichte zu glauben,
was ſie wuͤnſchen. Moſes erzehlt uns von einer allge-
meinen Ueberſchwemmung der Erden. Man achtet ſich
verbunden dieſes zu glauben, und ſucht alles nur moͤgli-
che hervor um ſeine Meinung zu beſtaͤtigen. Ja man
bildet ſich ein, daß man eben nicht berechtiget ſey, dabey
alles gar zu genau zu nehmen. Aber dieſes iſt in Wahrheit
nicht wohl gethan, und man betriegt ſich gar ſehr, wenn
man der Religion mit ſeichten Gruͤnden zu Huͤlfe kommen
will. Denn diejenigen, welche eine ſolche Wahrheit vor-
her geglaubt haben, wuͤrden dieſelbe auch ohne unſere
neuen Gruͤnde zu glauben fortgefahren haben; diejenigen
aber, welche daran zweifeln, werden bey Erblickung der
Schwaͤche der Beweißthuͤmer in ihren Zweifel nur immer
mehr und mehr geſtaͤrkt. Ich will nicht hoffen, daß je-
manden ein Seufzer daruͤber entfahren ſollte, daß ich ge-
leugnet habe, es koͤnnten die gebildeten Steine keinen Be-
weiß von der Allgemeinheit der Suͤndfluth abgeben.
Denn einen Beweiß als unzulaͤnglich zu verwerfen, heiſt
darum die Sache ſelbſt nicht leugnen. Man kan dieſes
nicht einmal ſagen, wenn man ſchon auſſer der Zulaͤng-
lichkeit, ich will nicht ſagen eines, ſondern aller Beweiſe
noch Schwierigkeiten antreffen ſollte, die man ſich zu he-
beben nicht in Stande iſt. Aber wie wenig begreifen die-
ſes! das macht, der menſchliche Verſtand iſt wie eine
Goldwage; das kleinſte Uebergewichte gibt einen Aus-
ſchlag, und nur ſehr wenige Menſchen beſitzen die Ge-
ſchicklichkeit dieſe Wage bey gleich ſchweren Gewichten zur
Ruhe zu bringen, ob ſie ſchon bey den allermeiſten ſo un-
gangbar iſt, daß auch die groͤſten Gewichte keinen Aus-
ſchlag verurſachen, daher es denn wohl gekommen ſeyn
mag, daß man diejenigen fuͤr die witzigſten Koͤpfe gehal-
ten hat, bey denen ſie ſich in beſtaͤndiger Bewegung be-
funden.

§. 49.
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="85"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
gel: daß die Schwachheit der Men&#x017F;chen &#x017F;ie nur gar zu<lb/>
ofte verleitet, dasjenige allzu leichte zu glauben,<lb/>
was &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;chen. Mo&#x017F;es erzehlt uns von einer allge-<lb/>
meinen Ueber&#x017F;chwemmung der Erden. Man achtet &#x017F;ich<lb/>
verbunden die&#x017F;es zu glauben, und &#x017F;ucht alles nur mo&#x0364;gli-<lb/>
che hervor um &#x017F;eine Meinung zu be&#x017F;ta&#x0364;tigen. Ja man<lb/>
bildet &#x017F;ich ein, daß man eben nicht berechtiget &#x017F;ey, dabey<lb/>
alles gar zu genau zu nehmen. Aber die&#x017F;es i&#x017F;t in Wahrheit<lb/>
nicht wohl gethan, und man betriegt &#x017F;ich gar &#x017F;ehr, wenn<lb/>
man der Religion mit &#x017F;eichten Gru&#x0364;nden zu Hu&#x0364;lfe kommen<lb/>
will. Denn diejenigen, welche eine &#x017F;olche Wahrheit vor-<lb/>
her geglaubt haben, wu&#x0364;rden die&#x017F;elbe auch ohne un&#x017F;ere<lb/>
neuen Gru&#x0364;nde zu glauben fortgefahren haben; diejenigen<lb/>
aber, welche daran zweifeln, werden bey Erblickung der<lb/>
Schwa&#x0364;che der Beweißthu&#x0364;mer in ihren Zweifel nur immer<lb/>
mehr und mehr ge&#x017F;ta&#x0364;rkt. Ich will nicht hoffen, daß je-<lb/>
manden ein Seufzer daru&#x0364;ber entfahren &#x017F;ollte, daß ich ge-<lb/>
leugnet habe, es ko&#x0364;nnten die gebildeten Steine keinen Be-<lb/>
weiß von der Allgemeinheit der Su&#x0364;ndfluth abgeben.<lb/>
Denn einen Beweiß als unzula&#x0364;nglich zu verwerfen, hei&#x017F;t<lb/>
darum die Sache &#x017F;elb&#x017F;t nicht leugnen. Man kan die&#x017F;es<lb/>
nicht einmal &#x017F;agen, wenn man &#x017F;chon au&#x017F;&#x017F;er der Zula&#x0364;ng-<lb/>
lichkeit, ich will nicht &#x017F;agen eines, &#x017F;ondern aller Bewei&#x017F;e<lb/>
noch Schwierigkeiten antreffen &#x017F;ollte, die man &#x017F;ich zu he-<lb/>
beben nicht in Stande i&#x017F;t. Aber wie wenig begreifen die-<lb/>
&#x017F;es! das macht, der men&#x017F;chliche Ver&#x017F;tand i&#x017F;t wie eine<lb/>
Goldwage; das klein&#x017F;te Uebergewichte gibt einen Aus-<lb/>
&#x017F;chlag, und nur &#x017F;ehr wenige Men&#x017F;chen be&#x017F;itzen die Ge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit die&#x017F;e Wage bey gleich &#x017F;chweren Gewichten zur<lb/>
Ruhe zu bringen, ob &#x017F;ie &#x017F;chon bey den allermei&#x017F;ten &#x017F;o un-<lb/>
gangbar i&#x017F;t, daß auch die gro&#x0364;&#x017F;ten Gewichte keinen Aus-<lb/>
&#x017F;chlag verur&#x017F;achen, daher es denn wohl gekommen &#x017F;eyn<lb/>
mag, daß man diejenigen fu&#x0364;r die witzig&#x017F;ten Ko&#x0364;pfe gehal-<lb/>
ten hat, bey denen &#x017F;ie &#x017F;ich in be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Bewegung be-<lb/>
funden.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 49.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0099] in den alleraͤlteſten Zeiten. gel: daß die Schwachheit der Menſchen ſie nur gar zu ofte verleitet, dasjenige allzu leichte zu glauben, was ſie wuͤnſchen. Moſes erzehlt uns von einer allge- meinen Ueberſchwemmung der Erden. Man achtet ſich verbunden dieſes zu glauben, und ſucht alles nur moͤgli- che hervor um ſeine Meinung zu beſtaͤtigen. Ja man bildet ſich ein, daß man eben nicht berechtiget ſey, dabey alles gar zu genau zu nehmen. Aber dieſes iſt in Wahrheit nicht wohl gethan, und man betriegt ſich gar ſehr, wenn man der Religion mit ſeichten Gruͤnden zu Huͤlfe kommen will. Denn diejenigen, welche eine ſolche Wahrheit vor- her geglaubt haben, wuͤrden dieſelbe auch ohne unſere neuen Gruͤnde zu glauben fortgefahren haben; diejenigen aber, welche daran zweifeln, werden bey Erblickung der Schwaͤche der Beweißthuͤmer in ihren Zweifel nur immer mehr und mehr geſtaͤrkt. Ich will nicht hoffen, daß je- manden ein Seufzer daruͤber entfahren ſollte, daß ich ge- leugnet habe, es koͤnnten die gebildeten Steine keinen Be- weiß von der Allgemeinheit der Suͤndfluth abgeben. Denn einen Beweiß als unzulaͤnglich zu verwerfen, heiſt darum die Sache ſelbſt nicht leugnen. Man kan dieſes nicht einmal ſagen, wenn man ſchon auſſer der Zulaͤng- lichkeit, ich will nicht ſagen eines, ſondern aller Beweiſe noch Schwierigkeiten antreffen ſollte, die man ſich zu he- beben nicht in Stande iſt. Aber wie wenig begreifen die- ſes! das macht, der menſchliche Verſtand iſt wie eine Goldwage; das kleinſte Uebergewichte gibt einen Aus- ſchlag, und nur ſehr wenige Menſchen beſitzen die Ge- ſchicklichkeit dieſe Wage bey gleich ſchweren Gewichten zur Ruhe zu bringen, ob ſie ſchon bey den allermeiſten ſo un- gangbar iſt, daß auch die groͤſten Gewichte keinen Aus- ſchlag verurſachen, daher es denn wohl gekommen ſeyn mag, daß man diejenigen fuͤr die witzigſten Koͤpfe gehal- ten hat, bey denen ſie ſich in beſtaͤndiger Bewegung be- funden. §. 49. F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/99
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/99>, abgerufen am 22.11.2024.