Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde Glaubenslehren. Denn ich weiß gewiß, daß Whistonviel zu bescheiden ist, als daß er eine solche allzuhoch ge- triebene Ehrerbietung gegen seine philosophischen Sätze ohne roth zu werden, sollte mit ansehen können. So viel muß ich indessen gestehen, daß ich bey denen übrigen Erklärungen der Sündfluth noch weit grössere Schwie- rigkeiten finde, welche sich bey ihrer Betrachtung deut- lich zeigen. Dem allen aber ohngeachtet folgt dar- aus gar nicht: daß die Sündfluth eine unmögliche Bege- benheit sey. Denn wer wollte wohl so verwegen seyn und behaupten, daß ihm alle Mittel bekannt wären, dadurch eine allgemeine Ueberschwemmung der Erde hervorge- bracht werden könnte, und daß er beweisen könnte, es sey keines von ihnen zu Erhaltung dieser Absicht hinrei- chend gewesen? Allenfalls könnte man nur so viel behau- pten, daß alle bisher vorgeschlagene Ursachen unzureichend gewesen wären. Denn gesetzt auch, daß wir es gar nicht begriffen, wie es damit zugegangen wäre: so ist es doch genung, wenn man nur beweisen kan, daß die ober- ste Rinde der Erde ehemals ein flüßiger Körper gewesen sey. Dieses aber läßt sich nicht nur aus Gründen, wie wir bald sehen wollen, darthun; sondern es geben auch so wol die Erzehlungen der heydnischen Schriftsteller, als dasjenige, was uns Moses davon berichtet, einen histo- rischen Beweiß an die Hand. Die Worte Mosis sind klar wenn er sagt: das Gewässer habe dergestalt überhand genommen, daß alle hohe Berge unter dem ganzen Him- mel bedecket worden, und daß es 15. Ellen hoch über die- selben gegangen. Daß denen Egyptiern diese Begeben- helt bekant gewesen sey: erhellet unter andern aus Pla- tons Zeugnisse, welcher berichtet: daß ein gewisser egy- ptischer Priester aus ihren heiligen Büchern dem Solon die Geschichte von der allgemeinen Ueberschwemmung er- zehlt habe, die lange vor den besondern Ueberschwem- mungen vorhergegangen, so den Griechen bekant gewe- sen.
Geſchichte der Erde Glaubenslehren. Denn ich weiß gewiß, daß Whiſtonviel zu beſcheiden iſt, als daß er eine ſolche allzuhoch ge- triebene Ehrerbietung gegen ſeine philoſophiſchen Saͤtze ohne roth zu werden, ſollte mit anſehen koͤnnen. So viel muß ich indeſſen geſtehen, daß ich bey denen uͤbrigen Erklaͤrungen der Suͤndfluth noch weit groͤſſere Schwie- rigkeiten finde, welche ſich bey ihrer Betrachtung deut- lich zeigen. Dem allen aber ohngeachtet folgt dar- aus gar nicht: daß die Suͤndfluth eine unmoͤgliche Bege- benheit ſey. Denn wer wollte wohl ſo verwegen ſeyn und behaupten, daß ihm alle Mittel bekannt waͤren, dadurch eine allgemeine Ueberſchwemmung der Erde hervorge- bracht werden koͤnnte, und daß er beweiſen koͤnnte, es ſey keines von ihnen zu Erhaltung dieſer Abſicht hinrei- chend geweſen? Allenfalls koͤnnte man nur ſo viel behau- pten, daß alle bisher vorgeſchlagene Urſachen unzureichend geweſen waͤren. Denn geſetzt auch, daß wir es gar nicht begriffen, wie es damit zugegangen waͤre: ſo iſt es doch genung, wenn man nur beweiſen kan, daß die ober- ſte Rinde der Erde ehemals ein fluͤßiger Koͤrper geweſen ſey. Dieſes aber laͤßt ſich nicht nur aus Gruͤnden, wie wir bald ſehen wollen, darthun; ſondern es geben auch ſo wol die Erzehlungen der heydniſchen Schriftſteller, als dasjenige, was uns Moſes davon berichtet, einen hiſto- riſchen Beweiß an die Hand. Die Worte Moſis ſind klar wenn er ſagt: das Gewaͤſſer habe dergeſtalt uͤberhand genommen, daß alle hohe Berge unter dem ganzen Him- mel bedecket worden, und daß es 15. Ellen hoch uͤber die- ſelben gegangen. Daß denen Egyptiern dieſe Begeben- helt bekant geweſen ſey: erhellet unter andern aus Pla- tons Zeugniſſe, welcher berichtet: daß ein gewiſſer egy- ptiſcher Prieſter aus ihren heiligen Buͤchern dem Solon die Geſchichte von der allgemeinen Ueberſchwemmung er- zehlt habe, die lange vor den beſondern Ueberſchwem- mungen vorhergegangen, ſo den Griechen bekant gewe- ſen.
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Geſchichte der Erde
Glaubenslehren. Denn ich weiß gewiß, daß Whiſton
viel zu beſcheiden iſt, als daß er eine ſolche allzuhoch ge-
triebene Ehrerbietung gegen ſeine philoſophiſchen Saͤtze
ohne roth zu werden, ſollte mit anſehen koͤnnen. So
viel muß ich indeſſen geſtehen, daß ich bey denen uͤbrigen
Erklaͤrungen der Suͤndfluth noch weit groͤſſere Schwie-
rigkeiten finde, welche ſich bey ihrer Betrachtung deut-
lich zeigen. Dem allen aber ohngeachtet folgt dar-
aus gar nicht: daß die Suͤndfluth eine unmoͤgliche Bege-
benheit ſey. Denn wer wollte wohl ſo verwegen ſeyn und
behaupten, daß ihm alle Mittel bekannt waͤren, dadurch
eine allgemeine Ueberſchwemmung der Erde hervorge-
bracht werden koͤnnte, und daß er beweiſen koͤnnte, es
ſey keines von ihnen zu Erhaltung dieſer Abſicht hinrei-
chend geweſen? Allenfalls koͤnnte man nur ſo viel behau-
pten, daß alle bisher vorgeſchlagene Urſachen unzureichend
geweſen waͤren. Denn geſetzt auch, daß wir es gar
nicht begriffen, wie es damit zugegangen waͤre: ſo iſt es
doch genung, wenn man nur beweiſen kan, daß die ober-
ſte Rinde der Erde ehemals ein fluͤßiger Koͤrper geweſen
ſey. Dieſes aber laͤßt ſich nicht nur aus Gruͤnden, wie wir
bald ſehen wollen, darthun; ſondern es geben auch ſo
wol die Erzehlungen der heydniſchen Schriftſteller, als
dasjenige, was uns Moſes davon berichtet, einen hiſto-
riſchen Beweiß an die Hand. Die Worte Moſis ſind
klar wenn er ſagt: das Gewaͤſſer habe dergeſtalt uͤberhand
genommen, daß alle hohe Berge unter dem ganzen Him-
mel bedecket worden, und daß es 15. Ellen hoch uͤber die-
ſelben gegangen. Daß denen Egyptiern dieſe Begeben-
helt bekant geweſen ſey: erhellet unter andern aus Pla-
tons Zeugniſſe, welcher berichtet: daß ein gewiſſer egy-
ptiſcher Prieſter aus ihren heiligen Buͤchern dem Solon
die Geſchichte von der allgemeinen Ueberſchwemmung er-
zehlt habe, die lange vor den beſondern Ueberſchwem-
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