Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Erde
tesius den Körper so zu erklären? Wenn wir die Frey-
heit haben Erklärungen nach unsern Belieben zu machen,
so erhalten wir dadurch zugleich die Geschicklichkeit alles zu
demonstriren was uns nur beliebt. Daher würde es
eben so tadelhaft seyn, wenn man zwar die falsche Erklä-
rung, welche Cartesius von dem Körper gegeben, ver-
besserte, an deren Statt aber eine solche Erklärung des
Raums annehmen wollte, welche diesem Worte eine an-
dere Bedeutung gäbe, als es in dem gemeinen Leben hat.
Denn wenn man dieses thäte, so gehörte kein grosses
Kopfbrechen darzu sie so einzurichten, daß man die Un-
möglichkeit des leeren Raumes daraus folgern könnte,
bleiben wir aber bey dem Begriffe, welchen ein jeder ver-
nünftiger Mensch mit diesem Worte verknüpfet, so wer-
den wir sehen, daß sich ein leerer Raum nicht nur geden-
ken lasse, sondern daß er auch würklich in der Welt vor-
handen sey, deßhalben ihn auch der berühmte Newton
behauptet, dem man vermuthlich die Geschicklichkeit zu-
trauen wird, daß er habe eine Erklärung und einen
Schluß in der ersten Figur machen können, wenn weiter
nichts erfordert würde um den leeren Raum zu widerle-
gen. Zwischen denen Wänden in meiner Stube ist Luft,
es ist möglich, daß sie weggenommen würde, und was
würde alsdenn darinnen seyn? Jhr werdet sagen: eine
andere subtilere Materie. Jch räume es ein, ich glaube
aber auch, daß sich meine Leser werden vorstellen können,
daß auch diese subtile Materie weggenommen würde, und
was würde alsdenn in der Stube seyn? vielleicht eine an-
dere noch subtilere; aber wie, wenn auch diese weggenom-
men würde, so ist zwischen den Wänden entweder ein
Raum oder nicht; wäre kein Raum zwischen den Wän-
den, so müßten sie einander berühren, wenn die dazwi-
schen befindliche Materie weggenommen würde, welches
ungereimt ist. Derowegen ist klar, daß ein leerer Raum
nichts widersprechendes ist, und sich gar wohl gedenken

lasse,

Geſchichte der Erde
teſius den Koͤrper ſo zu erklaͤren? Wenn wir die Frey-
heit haben Erklaͤrungen nach unſern Belieben zu machen,
ſo erhalten wir dadurch zugleich die Geſchicklichkeit alles zu
demonſtriren was uns nur beliebt. Daher wuͤrde es
eben ſo tadelhaft ſeyn, wenn man zwar die falſche Erklaͤ-
rung, welche Carteſius von dem Koͤrper gegeben, ver-
beſſerte, an deren Statt aber eine ſolche Erklaͤrung des
Raums annehmen wollte, welche dieſem Worte eine an-
dere Bedeutung gaͤbe, als es in dem gemeinen Leben hat.
Denn wenn man dieſes thaͤte, ſo gehoͤrte kein groſſes
Kopfbrechen darzu ſie ſo einzurichten, daß man die Un-
moͤglichkeit des leeren Raumes daraus folgern koͤnnte,
bleiben wir aber bey dem Begriffe, welchen ein jeder ver-
nuͤnftiger Menſch mit dieſem Worte verknuͤpfet, ſo wer-
den wir ſehen, daß ſich ein leerer Raum nicht nur geden-
ken laſſe, ſondern daß er auch wuͤrklich in der Welt vor-
handen ſey, deßhalben ihn auch der beruͤhmte Newton
behauptet, dem man vermuthlich die Geſchicklichkeit zu-
trauen wird, daß er habe eine Erklaͤrung und einen
Schluß in der erſten Figur machen koͤnnen, wenn weiter
nichts erfordert wuͤrde um den leeren Raum zu widerle-
gen. Zwiſchen denen Waͤnden in meiner Stube iſt Luft,
es iſt moͤglich, daß ſie weggenommen wuͤrde, und was
wuͤrde alsdenn darinnen ſeyn? Jhr werdet ſagen: eine
andere ſubtilere Materie. Jch raͤume es ein, ich glaube
aber auch, daß ſich meine Leſer werden vorſtellen koͤnnen,
daß auch dieſe ſubtile Materie weggenommen wuͤrde, und
was wuͤrde alsdenn in der Stube ſeyn? vielleicht eine an-
dere noch ſubtilere; aber wie, wenn auch dieſe weggenom-
men wuͤrde, ſo iſt zwiſchen den Waͤnden entweder ein
Raum oder nicht; waͤre kein Raum zwiſchen den Waͤn-
den, ſo muͤßten ſie einander beruͤhren, wenn die dazwi-
ſchen befindliche Materie weggenommen wuͤrde, welches
ungereimt iſt. Derowegen iſt klar, daß ein leerer Raum
nichts widerſprechendes iſt, und ſich gar wohl gedenken

laſſe,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="32"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/><hi rendition="#fr">te&#x017F;ius</hi> den Ko&#x0364;rper &#x017F;o zu erkla&#x0364;ren? Wenn wir die Frey-<lb/>
heit haben Erkla&#x0364;rungen nach un&#x017F;ern Belieben zu machen,<lb/>
&#x017F;o erhalten wir dadurch zugleich die Ge&#x017F;chicklichkeit alles zu<lb/>
demon&#x017F;triren was uns nur beliebt. Daher wu&#x0364;rde es<lb/>
eben &#x017F;o tadelhaft &#x017F;eyn, wenn man zwar die fal&#x017F;che Erkla&#x0364;-<lb/>
rung, welche <hi rendition="#fr">Carte&#x017F;ius</hi> von dem Ko&#x0364;rper gegeben, ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erte, an deren Statt aber eine &#x017F;olche Erkla&#x0364;rung des<lb/>
Raums annehmen wollte, welche die&#x017F;em Worte eine an-<lb/>
dere Bedeutung ga&#x0364;be, als es in dem gemeinen Leben hat.<lb/>
Denn wenn man die&#x017F;es tha&#x0364;te, &#x017F;o geho&#x0364;rte kein gro&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Kopfbrechen darzu &#x017F;ie &#x017F;o einzurichten, daß man die Un-<lb/>
mo&#x0364;glichkeit des leeren Raumes daraus folgern ko&#x0364;nnte,<lb/>
bleiben wir aber bey dem Begriffe, welchen ein jeder ver-<lb/>
nu&#x0364;nftiger Men&#x017F;ch mit die&#x017F;em Worte verknu&#x0364;pfet, &#x017F;o wer-<lb/>
den wir &#x017F;ehen, daß &#x017F;ich ein leerer Raum nicht nur geden-<lb/>
ken la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern daß er auch wu&#x0364;rklich in der Welt vor-<lb/>
handen &#x017F;ey, deßhalben ihn auch der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Newton</hi><lb/>
behauptet, dem man vermuthlich die Ge&#x017F;chicklichkeit zu-<lb/>
trauen wird, daß er habe eine Erkla&#x0364;rung und einen<lb/>
Schluß in der er&#x017F;ten Figur machen ko&#x0364;nnen, wenn weiter<lb/>
nichts erfordert wu&#x0364;rde um den leeren Raum zu widerle-<lb/>
gen. Zwi&#x017F;chen denen Wa&#x0364;nden in meiner Stube i&#x017F;t Luft,<lb/>
es i&#x017F;t mo&#x0364;glich, daß &#x017F;ie weggenommen wu&#x0364;rde, und was<lb/>
wu&#x0364;rde alsdenn darinnen &#x017F;eyn? Jhr werdet &#x017F;agen: eine<lb/>
andere &#x017F;ubtilere Materie. Jch ra&#x0364;ume es ein, ich glaube<lb/>
aber auch, daß &#x017F;ich meine Le&#x017F;er werden vor&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß auch die&#x017F;e &#x017F;ubtile Materie weggenommen wu&#x0364;rde, und<lb/>
was wu&#x0364;rde alsdenn in der Stube &#x017F;eyn? vielleicht eine an-<lb/>
dere noch &#x017F;ubtilere; aber wie, wenn auch die&#x017F;e weggenom-<lb/>
men wu&#x0364;rde, &#x017F;o i&#x017F;t zwi&#x017F;chen den Wa&#x0364;nden entweder ein<lb/>
Raum oder nicht; wa&#x0364;re kein Raum zwi&#x017F;chen den Wa&#x0364;n-<lb/>
den, &#x017F;o mu&#x0364;ßten &#x017F;ie einander beru&#x0364;hren, wenn die dazwi-<lb/>
&#x017F;chen befindliche Materie weggenommen wu&#x0364;rde, welches<lb/>
ungereimt i&#x017F;t. Derowegen i&#x017F;t klar, daß ein leerer Raum<lb/>
nichts wider&#x017F;prechendes i&#x017F;t, und &#x017F;ich gar wohl gedenken<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">la&#x017F;&#x017F;e,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0040] Geſchichte der Erde teſius den Koͤrper ſo zu erklaͤren? Wenn wir die Frey- heit haben Erklaͤrungen nach unſern Belieben zu machen, ſo erhalten wir dadurch zugleich die Geſchicklichkeit alles zu demonſtriren was uns nur beliebt. Daher wuͤrde es eben ſo tadelhaft ſeyn, wenn man zwar die falſche Erklaͤ- rung, welche Carteſius von dem Koͤrper gegeben, ver- beſſerte, an deren Statt aber eine ſolche Erklaͤrung des Raums annehmen wollte, welche dieſem Worte eine an- dere Bedeutung gaͤbe, als es in dem gemeinen Leben hat. Denn wenn man dieſes thaͤte, ſo gehoͤrte kein groſſes Kopfbrechen darzu ſie ſo einzurichten, daß man die Un- moͤglichkeit des leeren Raumes daraus folgern koͤnnte, bleiben wir aber bey dem Begriffe, welchen ein jeder ver- nuͤnftiger Menſch mit dieſem Worte verknuͤpfet, ſo wer- den wir ſehen, daß ſich ein leerer Raum nicht nur geden- ken laſſe, ſondern daß er auch wuͤrklich in der Welt vor- handen ſey, deßhalben ihn auch der beruͤhmte Newton behauptet, dem man vermuthlich die Geſchicklichkeit zu- trauen wird, daß er habe eine Erklaͤrung und einen Schluß in der erſten Figur machen koͤnnen, wenn weiter nichts erfordert wuͤrde um den leeren Raum zu widerle- gen. Zwiſchen denen Waͤnden in meiner Stube iſt Luft, es iſt moͤglich, daß ſie weggenommen wuͤrde, und was wuͤrde alsdenn darinnen ſeyn? Jhr werdet ſagen: eine andere ſubtilere Materie. Jch raͤume es ein, ich glaube aber auch, daß ſich meine Leſer werden vorſtellen koͤnnen, daß auch dieſe ſubtile Materie weggenommen wuͤrde, und was wuͤrde alsdenn in der Stube ſeyn? vielleicht eine an- dere noch ſubtilere; aber wie, wenn auch dieſe weggenom- men wuͤrde, ſo iſt zwiſchen den Waͤnden entweder ein Raum oder nicht; waͤre kein Raum zwiſchen den Waͤn- den, ſo muͤßten ſie einander beruͤhren, wenn die dazwi- ſchen befindliche Materie weggenommen wuͤrde, welches ungereimt iſt. Derowegen iſt klar, daß ein leerer Raum nichts widerſprechendes iſt, und ſich gar wohl gedenken laſſe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/40
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/40>, abgerufen am 25.11.2024.