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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
warum sie in einer krummen, und nicht in einer geraden
Linie geschähe?

§. 94.

Ein sonst geschickter Mann ist auf den Einfall gekom-
men; es sey das tägliche Undrehen der Erde eine Wür-
kung die von der Fluth und Ebbe abstammete. So
seltsam dieses im Anfange scheinen könnte; so artig ist
doch dieser Gedanke, und es ist in der That schade, daß
er nicht wahr ist. Der Herr Verfasser leitet mit den En-
gelländern die Ebbe und Fluth von der anziehenden
Kraft der Sonne und des Monds her. Weil aber be-
kant ist, daß der Mond dabey das meiste thut, so wollen
wir jetzo die Sonne ganz fahren lassen, und blos bey dem
Monde stehen bleiben. Dieser verursacht durch seine an-
ziehende Kraft, daß das Wasser, welches gerade unter
ihm ist, anfängt aufzuschwellen, daher wird seiner Mei-
nung nach die Erde auf der einen Seite schwerer als auf
der andern, und wer weiß nicht, daß sich eine Kugel her-
umdrehet, wenn man auf der einen Seite ein Gewichte
dran gehänget hat. Gleichwol ist nichts gewisser, als
daß dieses bey der Erde nicht wieder angebracht werden
könne. Denn erstlich ist bekannt, daß die Gegenfüsser
allemal die Fluth mit uns zugleich haben. Dieses lehret
nicht nur die Erfahrung, fondern es folgt auch ganz na-
türlich aus dem Newtonianischen Begriffe von der
Ebbe und Fluth. Wenn man aber dieses zum vor-
aussetzet, so würde die Erde auf einer Seite gerade um
soviel schwerer werden als auf der andern, und sie wäre
einer Kugel zu vergleichen, an welche man auf beyden
Seiten gleich schwere Gewichte angehengt hätte, welche
sich nicht herumdrehet, sondern wegen Gleichheit der ein-
ander entgegengesetzten Kräfte in Ruhe verbleibt. Ge-
setzt aber auch, daß man diesen Zweifel nicht erwehnen

wollte,
L 5

in den alleraͤlteſten Zeiten.
warum ſie in einer krummen, und nicht in einer geraden
Linie geſchaͤhe?

§. 94.

Ein ſonſt geſchickter Mann iſt auf den Einfall gekom-
men; es ſey das taͤgliche Undrehen der Erde eine Wuͤr-
kung die von der Fluth und Ebbe abſtammete. So
ſeltſam dieſes im Anfange ſcheinen koͤnnte; ſo artig iſt
doch dieſer Gedanke, und es iſt in der That ſchade, daß
er nicht wahr iſt. Der Herr Verfaſſer leitet mit den En-
gellaͤndern die Ebbe und Fluth von der anziehenden
Kraft der Sonne und des Monds her. Weil aber be-
kant iſt, daß der Mond dabey das meiſte thut, ſo wollen
wir jetzo die Sonne ganz fahren laſſen, und blos bey dem
Monde ſtehen bleiben. Dieſer verurſacht durch ſeine an-
ziehende Kraft, daß das Waſſer, welches gerade unter
ihm iſt, anfaͤngt aufzuſchwellen, daher wird ſeiner Mei-
nung nach die Erde auf der einen Seite ſchwerer als auf
der andern, und wer weiß nicht, daß ſich eine Kugel her-
umdrehet, wenn man auf der einen Seite ein Gewichte
dran gehaͤnget hat. Gleichwol iſt nichts gewiſſer, als
daß dieſes bey der Erde nicht wieder angebracht werden
koͤnne. Denn erſtlich iſt bekannt, daß die Gegenfuͤſſer
allemal die Fluth mit uns zugleich haben. Dieſes lehret
nicht nur die Erfahrung, fondern es folgt auch ganz na-
tuͤrlich aus dem Newtonianiſchen Begriffe von der
Ebbe und Fluth. Wenn man aber dieſes zum vor-
ausſetzet, ſo wuͤrde die Erde auf einer Seite gerade um
ſoviel ſchwerer werden als auf der andern, und ſie waͤre
einer Kugel zu vergleichen, an welche man auf beyden
Seiten gleich ſchwere Gewichte angehengt haͤtte, welche
ſich nicht herumdrehet, ſondern wegen Gleichheit der ein-
ander entgegengeſetzten Kraͤfte in Ruhe verbleibt. Ge-
ſetzt aber auch, daß man dieſen Zweifel nicht erwehnen

wollte,
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[169/0183] in den alleraͤlteſten Zeiten. warum ſie in einer krummen, und nicht in einer geraden Linie geſchaͤhe? §. 94. Ein ſonſt geſchickter Mann iſt auf den Einfall gekom- men; es ſey das taͤgliche Undrehen der Erde eine Wuͤr- kung die von der Fluth und Ebbe abſtammete. So ſeltſam dieſes im Anfange ſcheinen koͤnnte; ſo artig iſt doch dieſer Gedanke, und es iſt in der That ſchade, daß er nicht wahr iſt. Der Herr Verfaſſer leitet mit den En- gellaͤndern die Ebbe und Fluth von der anziehenden Kraft der Sonne und des Monds her. Weil aber be- kant iſt, daß der Mond dabey das meiſte thut, ſo wollen wir jetzo die Sonne ganz fahren laſſen, und blos bey dem Monde ſtehen bleiben. Dieſer verurſacht durch ſeine an- ziehende Kraft, daß das Waſſer, welches gerade unter ihm iſt, anfaͤngt aufzuſchwellen, daher wird ſeiner Mei- nung nach die Erde auf der einen Seite ſchwerer als auf der andern, und wer weiß nicht, daß ſich eine Kugel her- umdrehet, wenn man auf der einen Seite ein Gewichte dran gehaͤnget hat. Gleichwol iſt nichts gewiſſer, als daß dieſes bey der Erde nicht wieder angebracht werden koͤnne. Denn erſtlich iſt bekannt, daß die Gegenfuͤſſer allemal die Fluth mit uns zugleich haben. Dieſes lehret nicht nur die Erfahrung, fondern es folgt auch ganz na- tuͤrlich aus dem Newtonianiſchen Begriffe von der Ebbe und Fluth. Wenn man aber dieſes zum vor- ausſetzet, ſo wuͤrde die Erde auf einer Seite gerade um ſoviel ſchwerer werden als auf der andern, und ſie waͤre einer Kugel zu vergleichen, an welche man auf beyden Seiten gleich ſchwere Gewichte angehengt haͤtte, welche ſich nicht herumdrehet, ſondern wegen Gleichheit der ein- ander entgegengeſetzten Kraͤfte in Ruhe verbleibt. Ge- ſetzt aber auch, daß man dieſen Zweifel nicht erwehnen wollte, L 5

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/183>, abgerufen am 23.11.2024.