Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite


§. 1.

Am Anfang schuf GOtt Himmel und Erden. Die-
ses sind die Worte Mosis, darinnen er uns den Ur-
sprung des Weltgebäudes zeiget, und ich glaube nicht,
daß einer meiner Leser etwas dawider werde einzuwenden
haben. Jndessen hat es doch Leute gegeben, die den Ur-
sprung der Welt entweder ganz und gar oder doch die Er-
schaffung derselben in der Zeit geleugnet haben, ich will das
nöthigste davon aus der algemeinen Welthistorie anführen,
welches unvergleichliche Buch uns der weltberümte Gottes-
gelehrte, Herr D. Baumgarten in unserer Muttersprache
zu lesen verschaft, und dasselbe durch seine gelehrten An-
merkungen noch viel schätzbarer gemacht hat. Jch hoffe, man
wird mir dieses nicht verdenken, weil es unmöglich ist,
historische Sachen nach Art der mathematischen Beweise
aus seinem eigenen Gehirne hervorzubringen.

§. 2.

Ocellus Lucanus, welcher die Lehren des Pytha-
goras
vertheidigte, behauptete die Ewigkeit und Noth-
wendigkeit der Welt; und zwar aus der seltsamsten Ursache
die man nur hätte erdenken können, weil nemlich die Welt
eine runde Figur und circulförmige Bewegung hätte. Eine
Sache, welche sich nicht nur nicht beweisen läßt, sondern
die auch so beschaffen ist, daß man einen griechischen Kopf
haben müste, wenn man daraus behaupten wolte, daß
die Welt ewig und nothwendig sey. Plato nennt die
Welt einen ewigen Abdruck einer ewigen Vorstellung in
dem Wesen GOttes. Kann er also wol geglaubt haben,
daß sie erschaffen worden sey? Proclus, Strato von
Lampsacus und Origenes sollen gleiche atheistische Mei-
nungen gehabt haben, wohin auch Almaricus gehöret, der

das
A 4


§. 1.

Am Anfang ſchuf GOtt Himmel und Erden. Die-
ſes ſind die Worte Moſis, darinnen er uns den Ur-
ſprung des Weltgebaͤudes zeiget, und ich glaube nicht,
daß einer meiner Leſer etwas dawider werde einzuwenden
haben. Jndeſſen hat es doch Leute gegeben, die den Ur-
ſprung der Welt entweder ganz und gar oder doch die Er-
ſchaffung derſelben in der Zeit geleugnet haben, ich will das
noͤthigſte davon aus der algemeinen Welthiſtorie anfuͤhren,
welches unvergleichliche Buch uns der weltberuͤmte Gottes-
gelehrte, Herr D. Baumgarten in unſerer Mutterſprache
zu leſen verſchaft, und daſſelbe durch ſeine gelehrten An-
merkungen noch viel ſchaͤtzbarer gemacht hat. Jch hoffe, man
wird mir dieſes nicht verdenken, weil es unmoͤglich iſt,
hiſtoriſche Sachen nach Art der mathematiſchen Beweiſe
aus ſeinem eigenen Gehirne hervorzubringen.

§. 2.

Ocellus Lucanus, welcher die Lehren des Pytha-
goras
vertheidigte, behauptete die Ewigkeit und Noth-
wendigkeit der Welt; und zwar aus der ſeltſamſten Urſache
die man nur haͤtte erdenken koͤnnen, weil nemlich die Welt
eine runde Figur und circulfoͤrmige Bewegung haͤtte. Eine
Sache, welche ſich nicht nur nicht beweiſen laͤßt, ſondern
die auch ſo beſchaffen iſt, daß man einen griechiſchen Kopf
haben muͤſte, wenn man daraus behaupten wolte, daß
die Welt ewig und nothwendig ſey. Plato nennt die
Welt einen ewigen Abdruck einer ewigen Vorſtellung in
dem Weſen GOttes. Kann er alſo wol geglaubt haben,
daß ſie erſchaffen worden ſey? Proclus, Strato von
Lampſacus und Origenes ſollen gleiche atheiſtiſche Mei-
nungen gehabt haben, wohin auch Almaricus gehoͤret, der

das
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0015" n="7"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 1.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>m Anfang &#x017F;chuf GOtt Himmel und Erden. Die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;ind die Worte Mo&#x017F;is, darinnen er uns den Ur-<lb/>
&#x017F;prung des Weltgeba&#x0364;udes zeiget, und ich glaube nicht,<lb/>
daß einer meiner Le&#x017F;er etwas dawider werde einzuwenden<lb/>
haben. Jnde&#x017F;&#x017F;en hat es doch Leute gegeben, die den Ur-<lb/>
&#x017F;prung der Welt entweder ganz und gar oder doch die Er-<lb/>
&#x017F;chaffung der&#x017F;elben in der Zeit geleugnet haben, ich will das<lb/>
no&#x0364;thig&#x017F;te davon aus der algemeinen Welthi&#x017F;torie anfu&#x0364;hren,<lb/>
welches unvergleichliche Buch uns der weltberu&#x0364;mte Gottes-<lb/>
gelehrte, Herr D. Baumgarten in un&#x017F;erer Mutter&#x017F;prache<lb/>
zu le&#x017F;en ver&#x017F;chaft, und da&#x017F;&#x017F;elbe durch &#x017F;eine gelehrten An-<lb/>
merkungen noch viel &#x017F;cha&#x0364;tzbarer gemacht hat. Jch hoffe, man<lb/>
wird mir die&#x017F;es nicht verdenken, weil es unmo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;che Sachen nach Art der mathemati&#x017F;chen Bewei&#x017F;e<lb/>
aus &#x017F;einem eigenen Gehirne hervorzubringen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 2.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Ocellus Lucanus,</hi> welcher die Lehren des <hi rendition="#fr">Pytha-<lb/>
goras</hi> vertheidigte, behauptete die Ewigkeit und Noth-<lb/>
wendigkeit der Welt; und zwar aus der &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Ur&#x017F;ache<lb/>
die man nur ha&#x0364;tte erdenken ko&#x0364;nnen, weil nemlich die Welt<lb/>
eine runde Figur und circulfo&#x0364;rmige Bewegung ha&#x0364;tte. Eine<lb/>
Sache, welche &#x017F;ich nicht nur nicht bewei&#x017F;en la&#x0364;ßt, &#x017F;ondern<lb/>
die auch &#x017F;o be&#x017F;chaffen i&#x017F;t, daß man einen griechi&#x017F;chen Kopf<lb/>
haben mu&#x0364;&#x017F;te, wenn man daraus behaupten wolte, daß<lb/>
die Welt ewig und nothwendig &#x017F;ey. <hi rendition="#fr">Plato</hi> nennt die<lb/>
Welt einen ewigen Abdruck einer ewigen Vor&#x017F;tellung in<lb/>
dem We&#x017F;en GOttes. Kann er al&#x017F;o wol geglaubt haben,<lb/>
daß &#x017F;ie er&#x017F;chaffen worden &#x017F;ey? <hi rendition="#fr">Proclus, Strato</hi> von<lb/><hi rendition="#fr">Lamp&#x017F;acus</hi> und <hi rendition="#fr">Origenes</hi> &#x017F;ollen gleiche athei&#x017F;ti&#x017F;che Mei-<lb/>
nungen gehabt haben, wohin auch <hi rendition="#fr">Almaricus</hi> geho&#x0364;ret, der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] §. 1. Am Anfang ſchuf GOtt Himmel und Erden. Die- ſes ſind die Worte Moſis, darinnen er uns den Ur- ſprung des Weltgebaͤudes zeiget, und ich glaube nicht, daß einer meiner Leſer etwas dawider werde einzuwenden haben. Jndeſſen hat es doch Leute gegeben, die den Ur- ſprung der Welt entweder ganz und gar oder doch die Er- ſchaffung derſelben in der Zeit geleugnet haben, ich will das noͤthigſte davon aus der algemeinen Welthiſtorie anfuͤhren, welches unvergleichliche Buch uns der weltberuͤmte Gottes- gelehrte, Herr D. Baumgarten in unſerer Mutterſprache zu leſen verſchaft, und daſſelbe durch ſeine gelehrten An- merkungen noch viel ſchaͤtzbarer gemacht hat. Jch hoffe, man wird mir dieſes nicht verdenken, weil es unmoͤglich iſt, hiſtoriſche Sachen nach Art der mathematiſchen Beweiſe aus ſeinem eigenen Gehirne hervorzubringen. §. 2. Ocellus Lucanus, welcher die Lehren des Pytha- goras vertheidigte, behauptete die Ewigkeit und Noth- wendigkeit der Welt; und zwar aus der ſeltſamſten Urſache die man nur haͤtte erdenken koͤnnen, weil nemlich die Welt eine runde Figur und circulfoͤrmige Bewegung haͤtte. Eine Sache, welche ſich nicht nur nicht beweiſen laͤßt, ſondern die auch ſo beſchaffen iſt, daß man einen griechiſchen Kopf haben muͤſte, wenn man daraus behaupten wolte, daß die Welt ewig und nothwendig ſey. Plato nennt die Welt einen ewigen Abdruck einer ewigen Vorſtellung in dem Weſen GOttes. Kann er alſo wol geglaubt haben, daß ſie erſchaffen worden ſey? Proclus, Strato von Lampſacus und Origenes ſollen gleiche atheiſtiſche Mei- nungen gehabt haben, wohin auch Almaricus gehoͤret, der das A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/15
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/15>, abgerufen am 24.11.2024.