Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Erde
die doch wohl eben so viel Wahrscheinlichkeit hätte, als die
übrigen. Ich sehe hier ein sicheres Mittel vor Augen mei-
ne Eitelkeit zu befriedigen; aber ich bin doch noch nicht
eitel genug um dieses thun zu können. Man würde diese
Meinung vielleicht nach meinen Nahmen nennen, und
ich habe mir sagen lassen, daß dieses eine sehr grosse Glück-
seligkeit für einen Gelehrten sey; und daß sie um dersel-
ben theilhaftig zu werden die grösten Unbequemlichkeiten
des Nachsinnens und der Arbeit für lauter Kleinigkeiten
hielten, ja öfters lieber unglücklich seyn, als das Vergnü-
gen entbehren wollten, daß ihr Nahme bisweilen ausge-
sprochen wird. So klein auch mein Ansehen in der Welt
ist; so glaube ich doch, daß sich einige finden würden,
welche meiner Meinung beypflichteten, und wenn sie auch
keinen andern Grund dazu haben sollten: als weil es was
neues wäre. Sie würden nicht unterlassen mich wider
die gemachten Einwürfe zu vertheidigen. Daraus würde
nun ein gelehrter Krieg entstehen, welcher nothwendig für
mich vortheilhaft seyn müste. Denn er würde sich ver-
muthlich wie die meisten Kriege von dieser Art, das ist,
so endigen, daß beyde Theile Victoria schrien. Aber
ich verlange diese Ehre nicht. Denn ich würde mich nicht
entschliessen können, meine Armee selbst zu commandiren;
und ein General wird nicht gelobt, wenn er der Schlacht
nur von weiten zusiehet. Ich gestehe also offenherzig, daß
ich selbst nicht weiß, ob das, was ich sagen werde, seine
Richtigkeit habe, oder nicht. Denn ich besorge, die
Vorstellung, daß ich diese Erklärung selber ersonnen hätte,
möchte machen, daß ich ihr mehr Wahrscheinlichkeit bey-
legen möchte, als sie vielleicht in der That hat. Nein,
ich weiß, daß die Eigenliebe eine Delila ist, der es nie-
mals an Geschicklichkeit fehlet die Menschen in Irrthümer
zu verleiten. Meine einzige Absicht ist also blos diese,
daß ich zeigen will, es könne eine vielleicht eben so sinn-
reiche Erklärung der Sündfluth als die Whistonische

ist,

Geſchichte der Erde
die doch wohl eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit haͤtte, als die
uͤbrigen. Ich ſehe hier ein ſicheres Mittel vor Augen mei-
ne Eitelkeit zu befriedigen; aber ich bin doch noch nicht
eitel genug um dieſes thun zu koͤnnen. Man wuͤrde dieſe
Meinung vielleicht nach meinen Nahmen nennen, und
ich habe mir ſagen laſſen, daß dieſes eine ſehr groſſe Gluͤck-
ſeligkeit fuͤr einen Gelehrten ſey; und daß ſie um derſel-
ben theilhaftig zu werden die groͤſten Unbequemlichkeiten
des Nachſinnens und der Arbeit fuͤr lauter Kleinigkeiten
hielten, ja oͤfters lieber ungluͤcklich ſeyn, als das Vergnuͤ-
gen entbehren wollten, daß ihr Nahme bisweilen ausge-
ſprochen wird. So klein auch mein Anſehen in der Welt
iſt; ſo glaube ich doch, daß ſich einige finden wuͤrden,
welche meiner Meinung beypflichteten, und wenn ſie auch
keinen andern Grund dazu haben ſollten: als weil es was
neues waͤre. Sie wuͤrden nicht unterlaſſen mich wider
die gemachten Einwuͤrfe zu vertheidigen. Daraus wuͤrde
nun ein gelehrter Krieg entſtehen, welcher nothwendig fuͤr
mich vortheilhaft ſeyn muͤſte. Denn er wuͤrde ſich ver-
muthlich wie die meiſten Kriege von dieſer Art, das iſt,
ſo endigen, daß beyde Theile Victoria ſchrien. Aber
ich verlange dieſe Ehre nicht. Denn ich wuͤrde mich nicht
entſchlieſſen koͤnnen, meine Armee ſelbſt zu commandiren;
und ein General wird nicht gelobt, wenn er der Schlacht
nur von weiten zuſiehet. Ich geſtehe alſo offenherzig, daß
ich ſelbſt nicht weiß, ob das, was ich ſagen werde, ſeine
Richtigkeit habe, oder nicht. Denn ich beſorge, die
Vorſtellung, daß ich dieſe Erklaͤrung ſelber erſonnen haͤtte,
moͤchte machen, daß ich ihr mehr Wahrſcheinlichkeit bey-
legen moͤchte, als ſie vielleicht in der That hat. Nein,
ich weiß, daß die Eigenliebe eine Delila iſt, der es nie-
mals an Geſchicklichkeit fehlet die Menſchen in Irrthuͤmer
zu verleiten. Meine einzige Abſicht iſt alſo blos dieſe,
daß ich zeigen will, es koͤnne eine vielleicht eben ſo ſinn-
reiche Erklaͤrung der Suͤndfluth als die Whiſtoniſche

iſt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="110"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/>
die doch wohl eben &#x017F;o viel Wahr&#x017F;cheinlichkeit ha&#x0364;tte, als die<lb/>
u&#x0364;brigen. Ich &#x017F;ehe hier ein &#x017F;icheres Mittel vor Augen mei-<lb/>
ne Eitelkeit zu befriedigen; aber ich bin doch noch nicht<lb/>
eitel genug um die&#x017F;es thun zu ko&#x0364;nnen. Man wu&#x0364;rde die&#x017F;e<lb/>
Meinung vielleicht nach meinen Nahmen nennen, und<lb/>
ich habe mir &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, daß die&#x017F;es eine &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eligkeit fu&#x0364;r einen Gelehrten &#x017F;ey; und daß &#x017F;ie um der&#x017F;el-<lb/>
ben theilhaftig zu werden die gro&#x0364;&#x017F;ten Unbequemlichkeiten<lb/>
des Nach&#x017F;innens und der Arbeit fu&#x0364;r lauter Kleinigkeiten<lb/>
hielten, ja o&#x0364;fters lieber unglu&#x0364;cklich &#x017F;eyn, als das Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen entbehren wollten, daß ihr Nahme bisweilen ausge-<lb/>
&#x017F;prochen wird. So klein auch mein An&#x017F;ehen in der Welt<lb/>
i&#x017F;t; &#x017F;o glaube ich doch, daß &#x017F;ich einige finden wu&#x0364;rden,<lb/>
welche meiner Meinung beypflichteten, und wenn &#x017F;ie auch<lb/>
keinen andern Grund dazu haben &#x017F;ollten: als weil es was<lb/>
neues wa&#x0364;re. Sie wu&#x0364;rden nicht unterla&#x017F;&#x017F;en mich wider<lb/>
die gemachten Einwu&#x0364;rfe zu vertheidigen. Daraus wu&#x0364;rde<lb/>
nun ein gelehrter Krieg ent&#x017F;tehen, welcher nothwendig fu&#x0364;r<lb/>
mich vortheilhaft &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;te. Denn er wu&#x0364;rde &#x017F;ich ver-<lb/>
muthlich wie die mei&#x017F;ten Kriege von die&#x017F;er Art, das i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o endigen, daß beyde Theile <hi rendition="#fr">Victoria</hi> &#x017F;chrien. Aber<lb/>
ich verlange die&#x017F;e Ehre nicht. Denn ich wu&#x0364;rde mich nicht<lb/>
ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, meine Armee &#x017F;elb&#x017F;t zu commandiren;<lb/>
und ein General wird nicht gelobt, wenn er der Schlacht<lb/>
nur von weiten zu&#x017F;iehet. Ich ge&#x017F;tehe al&#x017F;o offenherzig, daß<lb/>
ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht weiß, ob das, was ich &#x017F;agen werde, &#x017F;eine<lb/>
Richtigkeit habe, oder nicht. Denn ich be&#x017F;orge, die<lb/>
Vor&#x017F;tellung, daß ich die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung &#x017F;elber er&#x017F;onnen ha&#x0364;tte,<lb/>
mo&#x0364;chte machen, daß ich ihr mehr Wahr&#x017F;cheinlichkeit bey-<lb/>
legen mo&#x0364;chte, als &#x017F;ie vielleicht in der That hat. Nein,<lb/>
ich weiß, daß die Eigenliebe eine <hi rendition="#fr">Delila</hi> i&#x017F;t, der es nie-<lb/>
mals an Ge&#x017F;chicklichkeit fehlet die Men&#x017F;chen in Irrthu&#x0364;mer<lb/>
zu verleiten. Meine einzige Ab&#x017F;icht i&#x017F;t al&#x017F;o blos die&#x017F;e,<lb/>
daß ich zeigen will, es ko&#x0364;nne eine vielleicht eben &#x017F;o &#x017F;inn-<lb/>
reiche Erkla&#x0364;rung der Su&#x0364;ndfluth als die <hi rendition="#fr">Whi&#x017F;toni&#x017F;che</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0124] Geſchichte der Erde die doch wohl eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit haͤtte, als die uͤbrigen. Ich ſehe hier ein ſicheres Mittel vor Augen mei- ne Eitelkeit zu befriedigen; aber ich bin doch noch nicht eitel genug um dieſes thun zu koͤnnen. Man wuͤrde dieſe Meinung vielleicht nach meinen Nahmen nennen, und ich habe mir ſagen laſſen, daß dieſes eine ſehr groſſe Gluͤck- ſeligkeit fuͤr einen Gelehrten ſey; und daß ſie um derſel- ben theilhaftig zu werden die groͤſten Unbequemlichkeiten des Nachſinnens und der Arbeit fuͤr lauter Kleinigkeiten hielten, ja oͤfters lieber ungluͤcklich ſeyn, als das Vergnuͤ- gen entbehren wollten, daß ihr Nahme bisweilen ausge- ſprochen wird. So klein auch mein Anſehen in der Welt iſt; ſo glaube ich doch, daß ſich einige finden wuͤrden, welche meiner Meinung beypflichteten, und wenn ſie auch keinen andern Grund dazu haben ſollten: als weil es was neues waͤre. Sie wuͤrden nicht unterlaſſen mich wider die gemachten Einwuͤrfe zu vertheidigen. Daraus wuͤrde nun ein gelehrter Krieg entſtehen, welcher nothwendig fuͤr mich vortheilhaft ſeyn muͤſte. Denn er wuͤrde ſich ver- muthlich wie die meiſten Kriege von dieſer Art, das iſt, ſo endigen, daß beyde Theile Victoria ſchrien. Aber ich verlange dieſe Ehre nicht. Denn ich wuͤrde mich nicht entſchlieſſen koͤnnen, meine Armee ſelbſt zu commandiren; und ein General wird nicht gelobt, wenn er der Schlacht nur von weiten zuſiehet. Ich geſtehe alſo offenherzig, daß ich ſelbſt nicht weiß, ob das, was ich ſagen werde, ſeine Richtigkeit habe, oder nicht. Denn ich beſorge, die Vorſtellung, daß ich dieſe Erklaͤrung ſelber erſonnen haͤtte, moͤchte machen, daß ich ihr mehr Wahrſcheinlichkeit bey- legen moͤchte, als ſie vielleicht in der That hat. Nein, ich weiß, daß die Eigenliebe eine Delila iſt, der es nie- mals an Geſchicklichkeit fehlet die Menſchen in Irrthuͤmer zu verleiten. Meine einzige Abſicht iſt alſo blos dieſe, daß ich zeigen will, es koͤnne eine vielleicht eben ſo ſinn- reiche Erklaͤrung der Suͤndfluth als die Whiſtoniſche iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/124
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/124>, abgerufen am 24.11.2024.