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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
§. 49.

Nachdem wir nun des berühmten Whistons Lehr-
gebäude von der Sündfluth betrachtet haben, und ich die
Schwierigkeiten angezeiget, welche sich noch dabey befin-
den, und deren Anzahl bey genanerer Untersuchung viel-
leicht noch grösser werden können, so werden wohl die mei-
sten meiner Leser auf die Gedanken gerathen, daß ich kein
Freund von dieser Theorie sey. Aber sie werden sich
sehr betrügen. Denn sie müssen mich nach meiner vor-
her beygebrachten Regel beurtheilen, daß ich keine Sache
blos darum verwerfe, weil sich Schwierigkeiten dabey
befinden. Nein, man muß es gestehen, daß unter allen
bekannten Erklärungen der Sündfluth die Whistoni-
sche
die sinnreichste und wahrscheinlichste sey. Wenn
nun sowohl die Erzehlungen Mosis als anderer Geschichts-
schreiber von einer allgemeinen Ueberschwemmung der
Erde melden, so müssen doch nothwendig gewisse Mittel
gewesen seyn, dadurch dieselbige bewerkstelliget worden.
Die Naturkündiger bemühen sich diese Mittel zu entde-
cken, sie erklären dieselbe zum wenigsten auf dreysigerley
Art, und vielleicht ist die ein und dreysigste die wahre.
Und dieses ist zu allen Unglücke gerade die, auf die sie nicht
gefallen sind. Sollten aber deßwegen alle übrige verwor-
fen werden? Keinesweges. Man behält die dreysigste,
wenn sie wahrscheinlicher als die übrigen 29. ist, so lange
bis die 31sigste bekannt wird. Man gibt sie aber für kein
Evangelium, sondern für einen menschlichen Gedanken
aus, der weder in die Geometrie gehört, noch unter die
Glaubensartikel zu rechnen ist. Daß wir aber in der
That keine wahrscheinlichere Erklärung der Sündfluth
haben, als die Whistonische ist, kan man aus den üb-
rigen abnehmen. Denn ausser denen bereits angeführten
können mehrere Muthmassungen und Versuche die innere
Erweißlichkeit der Sündfluth darzu thun durch vorgestell-
te Begreiflichkeit und Möglichkeit derselben nachgesehen

werden
Geſchichte der Erde
§. 49.

Nachdem wir nun des beruͤhmten Whiſtons Lehr-
gebaͤude von der Suͤndfluth betrachtet haben, und ich die
Schwierigkeiten angezeiget, welche ſich noch dabey befin-
den, und deren Anzahl bey genanerer Unterſuchung viel-
leicht noch groͤſſer werden koͤnnen, ſo werden wohl die mei-
ſten meiner Leſer auf die Gedanken gerathen, daß ich kein
Freund von dieſer Theorie ſey. Aber ſie werden ſich
ſehr betruͤgen. Denn ſie muͤſſen mich nach meiner vor-
her beygebrachten Regel beurtheilen, daß ich keine Sache
blos darum verwerfe, weil ſich Schwierigkeiten dabey
befinden. Nein, man muß es geſtehen, daß unter allen
bekannten Erklaͤrungen der Suͤndfluth die Whiſtoni-
ſche
die ſinnreichſte und wahrſcheinlichſte ſey. Wenn
nun ſowohl die Erzehlungen Moſis als anderer Geſchichts-
ſchreiber von einer allgemeinen Ueberſchwemmung der
Erde melden, ſo muͤſſen doch nothwendig gewiſſe Mittel
geweſen ſeyn, dadurch dieſelbige bewerkſtelliget worden.
Die Naturkuͤndiger bemuͤhen ſich dieſe Mittel zu entde-
cken, ſie erklaͤren dieſelbe zum wenigſten auf dreyſigerley
Art, und vielleicht iſt die ein und dreyſigſte die wahre.
Und dieſes iſt zu allen Ungluͤcke gerade die, auf die ſie nicht
gefallen ſind. Sollten aber deßwegen alle uͤbrige verwor-
fen werden? Keinesweges. Man behaͤlt die dreyſigſte,
wenn ſie wahrſcheinlicher als die uͤbrigen 29. iſt, ſo lange
bis die 31ſigſte bekannt wird. Man gibt ſie aber fuͤr kein
Evangelium, ſondern fuͤr einen menſchlichen Gedanken
aus, der weder in die Geometrie gehoͤrt, noch unter die
Glaubensartikel zu rechnen iſt. Daß wir aber in der
That keine wahrſcheinlichere Erklaͤrung der Suͤndfluth
haben, als die Whiſtoniſche iſt, kan man aus den uͤb-
rigen abnehmen. Denn auſſer denen bereits angefuͤhrten
koͤnnen mehrere Muthmaſſungen und Verſuche die innere
Erweißlichkeit der Suͤndfluth darzu thun durch vorgeſtell-
te Begreiflichkeit und Moͤglichkeit derſelben nachgeſehen

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[86/0100] Geſchichte der Erde §. 49. Nachdem wir nun des beruͤhmten Whiſtons Lehr- gebaͤude von der Suͤndfluth betrachtet haben, und ich die Schwierigkeiten angezeiget, welche ſich noch dabey befin- den, und deren Anzahl bey genanerer Unterſuchung viel- leicht noch groͤſſer werden koͤnnen, ſo werden wohl die mei- ſten meiner Leſer auf die Gedanken gerathen, daß ich kein Freund von dieſer Theorie ſey. Aber ſie werden ſich ſehr betruͤgen. Denn ſie muͤſſen mich nach meiner vor- her beygebrachten Regel beurtheilen, daß ich keine Sache blos darum verwerfe, weil ſich Schwierigkeiten dabey befinden. Nein, man muß es geſtehen, daß unter allen bekannten Erklaͤrungen der Suͤndfluth die Whiſtoni- ſche die ſinnreichſte und wahrſcheinlichſte ſey. Wenn nun ſowohl die Erzehlungen Moſis als anderer Geſchichts- ſchreiber von einer allgemeinen Ueberſchwemmung der Erde melden, ſo muͤſſen doch nothwendig gewiſſe Mittel geweſen ſeyn, dadurch dieſelbige bewerkſtelliget worden. Die Naturkuͤndiger bemuͤhen ſich dieſe Mittel zu entde- cken, ſie erklaͤren dieſelbe zum wenigſten auf dreyſigerley Art, und vielleicht iſt die ein und dreyſigſte die wahre. Und dieſes iſt zu allen Ungluͤcke gerade die, auf die ſie nicht gefallen ſind. Sollten aber deßwegen alle uͤbrige verwor- fen werden? Keinesweges. Man behaͤlt die dreyſigſte, wenn ſie wahrſcheinlicher als die uͤbrigen 29. iſt, ſo lange bis die 31ſigſte bekannt wird. Man gibt ſie aber fuͤr kein Evangelium, ſondern fuͤr einen menſchlichen Gedanken aus, der weder in die Geometrie gehoͤrt, noch unter die Glaubensartikel zu rechnen iſt. Daß wir aber in der That keine wahrſcheinlichere Erklaͤrung der Suͤndfluth haben, als die Whiſtoniſche iſt, kan man aus den uͤb- rigen abnehmen. Denn auſſer denen bereits angefuͤhrten koͤnnen mehrere Muthmaſſungen und Verſuche die innere Erweißlichkeit der Suͤndfluth darzu thun durch vorgeſtell- te Begreiflichkeit und Moͤglichkeit derſelben nachgeſehen werden

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/100>, abgerufen am 22.11.2024.