Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.

Bild:
<< vorherige Seite


eine Landstreicherin vor euch habt? denkt
ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe?
ich bin eine ehrliche, brave Conrecktor-
wittwe, und muß in acht Tagen eine Prie-
sterfrau seyn.
Peter. Nicht so böse, Frau Conrecktorwittwe!
ich habe allen Respeckt vor ihnen, ich wu-
ste nicht, daß sie so hoch tituliret sind. Sa-
gen sie mir nur in der Güte, wie man sie
nennen muß, man kan einem ja seinen Ti-
tul nicht gleich an der Stirn lesen.
Brigitte. Jetzo heisse ich noch die Frau Con-
recktorin, und das mit Recht. Denn es
hat mir 400. Rthlr. an Präsenten geko-
stet, als mein seliger Eheliebster das Sub-
conrecktorat mit dem Conrecktorate verwech-
selte. Ja ich habe noch überdem bey den
Patronen der Schule manche bittre Thrä-
nen vergiessen müssen, ehe mein Mann
durchdringen konnte.
Peter. Jst denn ein Conrecktor eine so grosse
Creatur, daß sie ihren sel. Eheliebsten mit
400. Rthlrn. und mit ihren milden Zähren
darzu verhelfen müssen?
Brigitte. Allerdings. Ueberdem wollte mein
Mann nicht länger den kleinen Jungen
die Knipgen mit dem Lineale auszahlen,
und ich wollte gern Frau Conrecktorin
heissen.
Peter. Was sind sie denn nun aber geworden?
sind sie eine Excellenz, oder eine gnädige
Frau, oder - - -
Brigi-


eine Landſtreicherin vor euch habt? denkt
ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe?
ich bin eine ehrliche, brave Conrecktor-
wittwe, und muß in acht Tagen eine Prie-
ſterfrau ſeyn.
Peter. Nicht ſo boͤſe, Frau Conrecktorwittwe!
ich habe allen Reſpeckt vor ihnen, ich wu-
ſte nicht, daß ſie ſo hoch tituliret ſind. Sa-
gen ſie mir nur in der Guͤte, wie man ſie
nennen muß, man kan einem ja ſeinen Ti-
tul nicht gleich an der Stirn leſen.
Brigitte. Jetzo heiſſe ich noch die Frau Con-
recktorin, und das mit Recht. Denn es
hat mir 400. Rthlr. an Praͤſenten geko-
ſtet, als mein ſeliger Eheliebſter das Sub-
conrecktorat mit dem Conrecktorate verwech-
ſelte. Ja ich habe noch uͤberdem bey den
Patronen der Schule manche bittre Thraͤ-
nen vergieſſen muͤſſen, ehe mein Mann
durchdringen konnte.
Peter. Jſt denn ein Conrecktor eine ſo groſſe
Creatur, daß ſie ihren ſel. Eheliebſten mit
400. Rthlrn. und mit ihren milden Zaͤhren
darzu verhelfen muͤſſen?
Brigitte. Allerdings. Ueberdem wollte mein
Mann nicht laͤnger den kleinen Jungen
die Knipgen mit dem Lineale auszahlen,
und ich wollte gern Frau Conrecktorin
heiſſen.
Peter. Was ſind ſie denn nun aber geworden?
ſind ſie eine Excellenz, oder eine gnaͤdige
Frau, oder ‒ ‒ ‒
Brigi-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#BRI">
            <p><pb facs="#f0088" n="84"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
eine Land&#x017F;treicherin vor euch habt? denkt<lb/>
ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe?<lb/>
ich bin eine ehrliche, brave Conrecktor-<lb/>
wittwe, und muß in acht Tagen eine Prie-<lb/>
&#x017F;terfrau &#x017F;eyn.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PET">
            <speaker>Peter.</speaker>
            <p>Nicht &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e, Frau Conrecktorwittwe!<lb/>
ich habe allen Re&#x017F;peckt vor ihnen, ich wu-<lb/>
&#x017F;te nicht, daß &#x017F;ie &#x017F;o hoch tituliret &#x017F;ind. Sa-<lb/>
gen &#x017F;ie mir nur in der Gu&#x0364;te, wie man &#x017F;ie<lb/>
nennen muß, man kan einem ja &#x017F;einen Ti-<lb/>
tul nicht gleich an der Stirn le&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BRI">
            <speaker>Brigitte.</speaker>
            <p>Jetzo hei&#x017F;&#x017F;e ich noch die Frau Con-<lb/>
recktorin, und das mit Recht. Denn es<lb/>
hat mir 400. Rthlr. an Pra&#x0364;&#x017F;enten geko-<lb/>
&#x017F;tet, als mein &#x017F;eliger Ehelieb&#x017F;ter das Sub-<lb/>
conrecktorat mit dem Conrecktorate verwech-<lb/>
&#x017F;elte. Ja ich habe noch u&#x0364;berdem bey den<lb/>
Patronen der Schule manche bittre Thra&#x0364;-<lb/>
nen vergie&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ehe mein Mann<lb/>
durchdringen konnte.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PET">
            <speaker>Peter.</speaker>
            <p>J&#x017F;t denn ein Conrecktor eine &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Creatur, daß &#x017F;ie ihren &#x017F;el. Ehelieb&#x017F;ten mit<lb/>
400. Rthlrn. und mit ihren milden Za&#x0364;hren<lb/>
darzu verhelfen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BRI">
            <speaker>Brigitte.</speaker>
            <p>Allerdings. Ueberdem wollte mein<lb/>
Mann nicht la&#x0364;nger den kleinen Jungen<lb/>
die Knipgen mit dem Lineale auszahlen,<lb/>
und ich wollte gern Frau Conrecktorin<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PET">
            <speaker>Peter.</speaker>
            <p>Was &#x017F;ind &#x017F;ie denn nun aber geworden?<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie eine Excellenz, oder eine gna&#x0364;dige<lb/>
Frau, oder &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Brigi-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0088] eine Landſtreicherin vor euch habt? denkt ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe? ich bin eine ehrliche, brave Conrecktor- wittwe, und muß in acht Tagen eine Prie- ſterfrau ſeyn. Peter. Nicht ſo boͤſe, Frau Conrecktorwittwe! ich habe allen Reſpeckt vor ihnen, ich wu- ſte nicht, daß ſie ſo hoch tituliret ſind. Sa- gen ſie mir nur in der Guͤte, wie man ſie nennen muß, man kan einem ja ſeinen Ti- tul nicht gleich an der Stirn leſen. Brigitte. Jetzo heiſſe ich noch die Frau Con- recktorin, und das mit Recht. Denn es hat mir 400. Rthlr. an Praͤſenten geko- ſtet, als mein ſeliger Eheliebſter das Sub- conrecktorat mit dem Conrecktorate verwech- ſelte. Ja ich habe noch uͤberdem bey den Patronen der Schule manche bittre Thraͤ- nen vergieſſen muͤſſen, ehe mein Mann durchdringen konnte. Peter. Jſt denn ein Conrecktor eine ſo groſſe Creatur, daß ſie ihren ſel. Eheliebſten mit 400. Rthlrn. und mit ihren milden Zaͤhren darzu verhelfen muͤſſen? Brigitte. Allerdings. Ueberdem wollte mein Mann nicht laͤnger den kleinen Jungen die Knipgen mit dem Lineale auszahlen, und ich wollte gern Frau Conrecktorin heiſſen. Peter. Was ſind ſie denn nun aber geworden? ſind ſie eine Excellenz, oder eine gnaͤdige Frau, oder ‒ ‒ ‒ Brigi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/88
Zitationshilfe: Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/88>, abgerufen am 24.11.2024.