Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Die Thätigkeit in den Lazarethen ging fort, obgleich stark evakuiert worden war. Zur Abschiebung der Franzosen drängte theilweise deren Unbotmässigkeit. Ein solcher widersetzte sich in einem der mir unterstellten Lazarethe der Schwester, warf die ihm gebrachte Kost zum Fenster hinaus und randalierte derart, dass die preuss. Rekonvaleszenten ihn prügeln wollten. Ich liess ihn sofort durch die Gendarmerie zur nächsten Etappe bringen. Das Gegenstück war ein franz. Fussjäger aus Rouen der sich zum Lazarethgehilfen herausarbeitete und bei seiner Evakuierung unter Thränen bat, bleiben zu dürfen oder doch wieder in ein Spital mit Diakonissen verbracht zu werden. Da wir Pflegekräfte und Vorräthe, dazu in den auf 3 reduzierten Lazarethen gute Betriebseinrichtungen hatten, erbaten wir einen neuen Transport von Verwundeten und erhielten Ostpreussen aus den Kämpfen vom 1. Sept. vor Metz. Es waren sehr schwer Kranke darunter und nach wiederholten Evakuierungen wurden die letzten Pfleglinge in das mir unterstellte Diakonissen- Lazareth verbracht, das sie erst im März 1871 verliessen. Die Korrespondenzen über die bei uns verpflegten Verwundeten zogen sich 2 Jahre fort und gaben mir einen Einblick in die skrupulöse Arbeit der preuss. Revisionsbehörden. Dem verdienstvollen Leiter des grossen St. Ingberter Kriegslazarethes wurde eine höhere Auszeichnung für seine Thätigkeit aus mir unbekannten Gründen versagt. Daraufhin verzichtete ich auf eine solche Auszeichnung und begnügte mich mit der Kriegsdenkmünze. Meine Frau aber erhielt verdientermassen das baier. Verdienstkreuz. Nach dem Tage von Sedan und seinem hohen Siegesjubel trat grössere Stille ein. Wir waren dem Kriegsleben ferner gerückt. An die Truppendurchmärsche erinnerte nur noch das abgelegte Gepäck eines Bataillons, welches lange Wochen auf einer Wiese seiner Abholung wartete. Der Soldat liebt sonst seinen Tornister nicht sonderlich, aber jenes für seinen beschleunigten Vormarsch erleichterte Bataillon mag sich doch sehr nach seinen "Affen" gesehnt haben. Die Thätigkeit in den Lazarethen ging fort, obgleich stark evakuiert worden war. Zur Abschiebung der Franzosen drängte theilweise deren Unbotmässigkeit. Ein solcher widersetzte sich in einem der mir unterstellten Lazarethe der Schwester, warf die ihm gebrachte Kost zum Fenster hinaus und randalierte derart, dass die preuss. Rekonvaleszenten ihn prügeln wollten. Ich liess ihn sofort durch die Gendarmerie zur nächsten Etappe bringen. Das Gegenstück war ein franz. Fussjäger aus Rouen der sich zum Lazarethgehilfen herausarbeitete und bei seiner Evakuierung unter Thränen bat, bleiben zu dürfen oder doch wieder in ein Spital mit Diakonissen verbracht zu werden. Da wir Pflegekräfte und Vorräthe, dazu in den auf 3 reduzierten Lazarethen gute Betriebseinrichtungen hatten, erbaten wir einen neuen Transport von Verwundeten und erhielten Ostpreussen aus den Kämpfen vom 1. Sept. vor Metz. Es waren sehr schwer Kranke darunter und nach wiederholten Evakuierungen wurden die letzten Pfleglinge in das mir unterstellte Diakonissen- Lazareth verbracht, das sie erst im März 1871 verliessen. Die Korrespondenzen über die bei uns verpflegten Verwundeten zogen sich 2 Jahre fort und gaben mir einen Einblick in die skrupulöse Arbeit der preuss. Revisionsbehörden. Dem verdienstvollen Leiter des grossen St. Ingberter Kriegslazarethes wurde eine höhere Auszeichnung für seine Thätigkeit aus mir unbekannten Gründen versagt. Daraufhin verzichtete ich auf eine solche Auszeichnung und begnügte mich mit der Kriegsdenkmünze. Meine Frau aber erhielt verdientermassen das baier. Verdienstkreuz. Nach dem Tage von Sedan und seinem hohen Siegesjubel trat grössere Stille ein. Wir waren dem Kriegsleben ferner gerückt. An die Truppendurchmärsche erinnerte nur noch das abgelegte Gepäck eines Bataillons, welches lange Wochen auf einer Wiese seiner Abholung wartete. Der Soldat liebt sonst seinen Tornister nicht sonderlich, aber jenes für seinen beschleunigten Vormarsch erleichterte Bataillon mag sich doch sehr nach seinen ”Affen“ gesehnt haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0099" n="99"/> <p>Die Thätigkeit in den Lazarethen ging fort, obgleich stark evakuiert worden war. Zur Abschiebung der Franzosen drängte theilweise deren Unbotmässigkeit. Ein solcher widersetzte sich in einem der mir unterstellten Lazarethe der Schwester, warf die ihm gebrachte Kost zum Fenster hinaus und randalierte derart, dass die preuss. Rekonvaleszenten ihn prügeln wollten. Ich liess ihn sofort durch die Gendarmerie zur nächsten Etappe bringen. Das Gegenstück war ein franz. Fussjäger aus Rouen der sich zum Lazarethgehilfen herausarbeitete und bei seiner Evakuierung unter Thränen bat, bleiben zu dürfen oder doch wieder in ein Spital mit Diakonissen verbracht zu werden.</p> <p>Da wir Pflegekräfte und Vorräthe, dazu in den auf 3 reduzierten Lazarethen gute Betriebseinrichtungen hatten, erbaten wir einen neuen Transport von Verwundeten und erhielten Ostpreussen aus den Kämpfen vom 1. Sept. vor Metz. Es waren sehr schwer Kranke darunter und nach wiederholten Evakuierungen wurden die letzten Pfleglinge in das mir unterstellte Diakonissen- Lazareth verbracht, das sie erst im März 1871 verliessen.</p> <p>Die Korrespondenzen über die bei uns verpflegten Verwundeten zogen sich 2 Jahre fort und gaben mir einen Einblick in die skrupulöse Arbeit der preuss. Revisionsbehörden.</p> <p>Dem verdienstvollen Leiter des grossen St. Ingberter Kriegslazarethes wurde eine höhere Auszeichnung für seine Thätigkeit aus mir unbekannten Gründen versagt. Daraufhin verzichtete ich auf eine solche Auszeichnung und begnügte mich mit der Kriegsdenkmünze. Meine Frau aber erhielt verdientermassen das baier. Verdienstkreuz.</p> <p>Nach dem Tage von Sedan und seinem hohen Siegesjubel trat grössere Stille ein. Wir waren dem Kriegsleben ferner gerückt. An die Truppendurchmärsche erinnerte nur noch das abgelegte Gepäck eines Bataillons, welches lange Wochen auf einer Wiese seiner Abholung wartete. Der Soldat liebt sonst seinen Tornister nicht sonderlich, aber jenes für seinen beschleunigten Vormarsch erleichterte Bataillon mag sich doch sehr nach seinen ”Affen“ gesehnt haben.</p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0099]
Die Thätigkeit in den Lazarethen ging fort, obgleich stark evakuiert worden war. Zur Abschiebung der Franzosen drängte theilweise deren Unbotmässigkeit. Ein solcher widersetzte sich in einem der mir unterstellten Lazarethe der Schwester, warf die ihm gebrachte Kost zum Fenster hinaus und randalierte derart, dass die preuss. Rekonvaleszenten ihn prügeln wollten. Ich liess ihn sofort durch die Gendarmerie zur nächsten Etappe bringen. Das Gegenstück war ein franz. Fussjäger aus Rouen der sich zum Lazarethgehilfen herausarbeitete und bei seiner Evakuierung unter Thränen bat, bleiben zu dürfen oder doch wieder in ein Spital mit Diakonissen verbracht zu werden.
Da wir Pflegekräfte und Vorräthe, dazu in den auf 3 reduzierten Lazarethen gute Betriebseinrichtungen hatten, erbaten wir einen neuen Transport von Verwundeten und erhielten Ostpreussen aus den Kämpfen vom 1. Sept. vor Metz. Es waren sehr schwer Kranke darunter und nach wiederholten Evakuierungen wurden die letzten Pfleglinge in das mir unterstellte Diakonissen- Lazareth verbracht, das sie erst im März 1871 verliessen.
Die Korrespondenzen über die bei uns verpflegten Verwundeten zogen sich 2 Jahre fort und gaben mir einen Einblick in die skrupulöse Arbeit der preuss. Revisionsbehörden.
Dem verdienstvollen Leiter des grossen St. Ingberter Kriegslazarethes wurde eine höhere Auszeichnung für seine Thätigkeit aus mir unbekannten Gründen versagt. Daraufhin verzichtete ich auf eine solche Auszeichnung und begnügte mich mit der Kriegsdenkmünze. Meine Frau aber erhielt verdientermassen das baier. Verdienstkreuz.
Nach dem Tage von Sedan und seinem hohen Siegesjubel trat grössere Stille ein. Wir waren dem Kriegsleben ferner gerückt. An die Truppendurchmärsche erinnerte nur noch das abgelegte Gepäck eines Bataillons, welches lange Wochen auf einer Wiese seiner Abholung wartete. Der Soldat liebt sonst seinen Tornister nicht sonderlich, aber jenes für seinen beschleunigten Vormarsch erleichterte Bataillon mag sich doch sehr nach seinen ”Affen“ gesehnt haben.
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