Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.entscheidender und nach ihnen kam in St. Ingbert nichts mehr vor, was ein Deutsch gesinntes Herz betrüben und ärgern musste. Unsere Lazarethe waren gefüllt. Neben den Verwundeten von Spichern viele auf dem Marsch erkrankte oder marode gewordenen Soldaten darin. Die verwundeten Franzosen zeichneten sich durch Wehleidigkeit und Geschwätzigkeit aus. Nur ein korsikanischer Sergeant war auch auf seinem Schmerzenslager tapfer und über Frankreichs Missgeschick traurig. Als ich ihm nach Sedan die dortigen Ereignisse schonend berichtete, rann eine Thräne nach der anderen über die braunen hageren Wangen. Er sagte aber nichts als: merci Monsieur! Mein Französisch reichte schlecht aus zur Verständigung mit der grande nation, elsässische Verwundete mussten manchmal dolmetschen. Die preussischen Verwundeten waren gefasst, auch religiösem Zuspruche meist zugänglich, wünschten aber von den Franzosen wegzukommen. Wir hatten viele schwer Verwundete, z.B. mehr Oberschenkelfrakturen als im ganzen Feldzuge von 1864 zu behandeln waren, wie mir ein Arzt sagte. Es fehlte an Ärzten; die durchmarschierenden Militärärzte durften nicht dableiben und konnten nur vorübergehend Hilfe leisten. Auch die durchmarschierenden Feldgeistlichen gingen eilend vorüber. Einer fuhr lieber nach Spicheren, um das frische Schlachtfeld zu sehen, statt mir zu helfen, sterbenden Soldaten das Abendmahl zu reichen. Die verstorbenen Tapferen beerdigte ich mit allen kirchlichen Ehren, später auch mit militärischen, nachdem eine Kompagnie bayer. Landwehr nach St. Ingbert gelegt war. Die Leitung meiner Spitäler, die Listenführung, Korrespondenz, auch die Beschaffung von Nahrung, Erquickung und Medikamenten machte viele Arbeit. Einmal mussten die zu den Operationen nöthigen Betäubungsmittel von Kaiserslautern her mittels Extra-Lokomotive beschafft werden, weil in der Nähe keine zu haben waren. Um Wein, Suppeneinlagen, Verbandzeug und Leintücher in ausreichender Weise zu bekommen, musste ich mich mit mehreren Wagen zum Johanniter-Depot in Saarbrücken begeben. Dort sah ich ein grossartiges Bild des Kriegselendes. Auf der Etappe war ein beängstigendes Gedränge. Zum Glück war ich dem bayer. Delegierten zur Etappe, entscheidender und nach ihnen kam in St. Ingbert nichts mehr vor, was ein Deutsch gesinntes Herz betrüben und ärgern musste. Unsere Lazarethe waren gefüllt. Neben den Verwundeten von Spichern viele auf dem Marsch erkrankte oder marode gewordenen Soldaten darin. Die verwundeten Franzosen zeichneten sich durch Wehleidigkeit und Geschwätzigkeit aus. Nur ein korsikanischer Sergeant war auch auf seinem Schmerzenslager tapfer und über Frankreichs Missgeschick traurig. Als ich ihm nach Sedan die dortigen Ereignisse schonend berichtete, rann eine Thräne nach der anderen über die braunen hageren Wangen. Er sagte aber nichts als: merci Monsieur! Mein Französisch reichte schlecht aus zur Verständigung mit der grande nation, elsässische Verwundete mussten manchmal dolmetschen. Die preussischen Verwundeten waren gefasst, auch religiösem Zuspruche meist zugänglich, wünschten aber von den Franzosen wegzukommen. Wir hatten viele schwer Verwundete, z.B. mehr Oberschenkelfrakturen als im ganzen Feldzuge von 1864 zu behandeln waren, wie mir ein Arzt sagte. Es fehlte an Ärzten; die durchmarschierenden Militärärzte durften nicht dableiben und konnten nur vorübergehend Hilfe leisten. Auch die durchmarschierenden Feldgeistlichen gingen eilend vorüber. Einer fuhr lieber nach Spicheren, um das frische Schlachtfeld zu sehen, statt mir zu helfen, sterbenden Soldaten das Abendmahl zu reichen. Die verstorbenen Tapferen beerdigte ich mit allen kirchlichen Ehren, später auch mit militärischen, nachdem eine Kompagnie bayer. Landwehr nach St. Ingbert gelegt war. Die Leitung meiner Spitäler, die Listenführung, Korrespondenz, auch die Beschaffung von Nahrung, Erquickung und Medikamenten machte viele Arbeit. Einmal mussten die zu den Operationen nöthigen Betäubungsmittel von Kaiserslautern her mittels Extra-Lokomotive beschafft werden, weil in der Nähe keine zu haben waren. Um Wein, Suppeneinlagen, Verbandzeug und Leintücher in ausreichender Weise zu bekommen, musste ich mich mit mehreren Wagen zum Johanniter-Depot in Saarbrücken begeben. Dort sah ich ein grossartiges Bild des Kriegselendes. Auf der Etappe war ein beängstigendes Gedränge. Zum Glück war ich dem bayer. Delegierten zur Etappe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="96"/> entscheidender und nach ihnen kam in St. Ingbert nichts mehr vor, was ein Deutsch gesinntes Herz betrüben und ärgern musste.</p> <p>Unsere Lazarethe waren gefüllt. Neben den Verwundeten von Spichern viele auf dem Marsch erkrankte oder marode gewordenen Soldaten darin. Die verwundeten Franzosen zeichneten sich durch Wehleidigkeit und Geschwätzigkeit aus. Nur ein korsikanischer Sergeant war auch auf seinem Schmerzenslager tapfer und über Frankreichs Missgeschick traurig. Als ich ihm nach Sedan die dortigen Ereignisse schonend berichtete, rann eine Thräne nach der anderen über die braunen hageren Wangen. Er sagte aber nichts als: merci Monsieur! Mein Französisch reichte schlecht aus zur Verständigung mit der grande nation, elsässische Verwundete mussten manchmal dolmetschen. Die preussischen Verwundeten waren gefasst, auch religiösem Zuspruche meist zugänglich, wünschten aber von den Franzosen wegzukommen.</p> <p>Wir hatten viele schwer Verwundete, z.B. mehr Oberschenkelfrakturen als im ganzen Feldzuge von 1864 zu behandeln waren, wie mir ein Arzt sagte. Es fehlte an Ärzten; die durchmarschierenden Militärärzte durften nicht dableiben und konnten nur vorübergehend Hilfe leisten. Auch die durchmarschierenden Feldgeistlichen gingen eilend vorüber. Einer fuhr lieber nach Spicheren, um das frische Schlachtfeld zu sehen, statt mir zu helfen, sterbenden Soldaten das Abendmahl zu reichen. Die verstorbenen Tapferen beerdigte ich mit allen kirchlichen Ehren, später auch mit militärischen, nachdem eine Kompagnie bayer. Landwehr nach St. Ingbert gelegt war.</p> <p>Die Leitung meiner Spitäler, die Listenführung, Korrespondenz, auch die Beschaffung von Nahrung, Erquickung und Medikamenten machte viele Arbeit. Einmal mussten die zu den Operationen nöthigen Betäubungsmittel von Kaiserslautern her mittels Extra-Lokomotive beschafft werden, weil in der Nähe keine zu haben waren. Um Wein, Suppeneinlagen, Verbandzeug und Leintücher in ausreichender Weise zu bekommen, musste ich mich mit mehreren Wagen zum Johanniter-Depot in Saarbrücken begeben. Dort sah ich ein grossartiges Bild des Kriegselendes. Auf der Etappe war ein beängstigendes Gedränge. Zum Glück war ich dem bayer. Delegierten zur Etappe, </p> </div> </body> </text> </TEI> [96/0096]
entscheidender und nach ihnen kam in St. Ingbert nichts mehr vor, was ein Deutsch gesinntes Herz betrüben und ärgern musste.
Unsere Lazarethe waren gefüllt. Neben den Verwundeten von Spichern viele auf dem Marsch erkrankte oder marode gewordenen Soldaten darin. Die verwundeten Franzosen zeichneten sich durch Wehleidigkeit und Geschwätzigkeit aus. Nur ein korsikanischer Sergeant war auch auf seinem Schmerzenslager tapfer und über Frankreichs Missgeschick traurig. Als ich ihm nach Sedan die dortigen Ereignisse schonend berichtete, rann eine Thräne nach der anderen über die braunen hageren Wangen. Er sagte aber nichts als: merci Monsieur! Mein Französisch reichte schlecht aus zur Verständigung mit der grande nation, elsässische Verwundete mussten manchmal dolmetschen. Die preussischen Verwundeten waren gefasst, auch religiösem Zuspruche meist zugänglich, wünschten aber von den Franzosen wegzukommen.
Wir hatten viele schwer Verwundete, z.B. mehr Oberschenkelfrakturen als im ganzen Feldzuge von 1864 zu behandeln waren, wie mir ein Arzt sagte. Es fehlte an Ärzten; die durchmarschierenden Militärärzte durften nicht dableiben und konnten nur vorübergehend Hilfe leisten. Auch die durchmarschierenden Feldgeistlichen gingen eilend vorüber. Einer fuhr lieber nach Spicheren, um das frische Schlachtfeld zu sehen, statt mir zu helfen, sterbenden Soldaten das Abendmahl zu reichen. Die verstorbenen Tapferen beerdigte ich mit allen kirchlichen Ehren, später auch mit militärischen, nachdem eine Kompagnie bayer. Landwehr nach St. Ingbert gelegt war.
Die Leitung meiner Spitäler, die Listenführung, Korrespondenz, auch die Beschaffung von Nahrung, Erquickung und Medikamenten machte viele Arbeit. Einmal mussten die zu den Operationen nöthigen Betäubungsmittel von Kaiserslautern her mittels Extra-Lokomotive beschafft werden, weil in der Nähe keine zu haben waren. Um Wein, Suppeneinlagen, Verbandzeug und Leintücher in ausreichender Weise zu bekommen, musste ich mich mit mehreren Wagen zum Johanniter-Depot in Saarbrücken begeben. Dort sah ich ein grossartiges Bild des Kriegselendes. Auf der Etappe war ein beängstigendes Gedränge. Zum Glück war ich dem bayer. Delegierten zur Etappe,
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