Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.nur die weiblichen sondern auch die männlichen Familienglieder sich am Gottesdienste und am kirchlichen Leben betheiligt hätten. Darum machten mir auch die 300 Gulden Zulage keine rechte Freude, wenn sie auch meiner Kasse sehr zustatten kamen. Ein Zeichen grossen Vertrauens war es, dass ich im Frühjahr 1876 als Vertreter der prot. Geistlichen im Landrath der Pfalz durch die Wahlmänner der 9 westlichen Dekanate gewählt wurde. Wahrscheinlich hatte Dekan Rettig mich vorgeschlagen. Dringenden Bitten meiner Freunde nachgebend nahm ich die Wahl schweren Herzens an. Immer nach 6 Jahren wurde mein Mandat durch die Wahlmänner aller oder der westlichen Dekanate erneuert, zum letzten Male im Jahre 1906, so dass ich in diesem Jahre zum 30. Male an den Verhandlungen des Landrathes theilnahme und z. Zt. das älteste Landrathsmitglied an Jahren und an Funktionszeit bin, zugleich seit 15 Jahren Mitglied des ständigen Landrathsausschusses. Interimistisch habe ich ab und zu als Vorsitzender und als Schriftführer fungiert. Mit mir sassen zeitweilig die angesehensten Geistlichen: Prodekan Neysen, Kirchenrath Lyneker, Dekan jetzt Oberkonsistorialrath Dr. Ney und Kirchenrath Maurer. Unter schweren Kämpfen um die Schulaufsicht trat ich in den Landrath, war von Anfang an genöthigt, mich an den Verhandlungen in der Debatte und durch Referate zu betheiligen, arbeitete mich in sachlicher und formeller Beziehung rasch ein und gewann Einfluss. Der konservativen "pfälz. Post" diente ich dabei als Berichterstatter, für den Landrath sah ich die Protokolle der 7 jenseitigen Kreise durch und arbeitete ich Übersichtstabellen über die Budgets der 8 k. bayer. Kreise aus, die von den Mitgliedern des Kollegiums, von der Regierung und dem Ministerium dankbar entgegengenommen wurden. Über einige Einzelheiten meiner Thätigkeit im Landrathe werden meine Erinnerungen aus späteren Jahren Aufschluss geben. Hier will ich bekennen, dass ich sehr gerne Landrath war und dass trotz angestrengter Arbeit die Wochen der Landrathsverhandlungen wie angenehme Ferien, oder - um den Ausdruck eines anderen Landrathes zu gebrauchen - wie eine erfolgreiche nur die weiblichen sondern auch die männlichen Familienglieder sich am Gottesdienste und am kirchlichen Leben betheiligt hätten. Darum machten mir auch die 300 Gulden Zulage keine rechte Freude, wenn sie auch meiner Kasse sehr zustatten kamen. Ein Zeichen grossen Vertrauens war es, dass ich im Frühjahr 1876 als Vertreter der prot. Geistlichen im Landrath der Pfalz durch die Wahlmänner der 9 westlichen Dekanate gewählt wurde. Wahrscheinlich hatte Dekan Rettig mich vorgeschlagen. Dringenden Bitten meiner Freunde nachgebend nahm ich die Wahl schweren Herzens an. Immer nach 6 Jahren wurde mein Mandat durch die Wahlmänner aller oder der westlichen Dekanate erneuert, zum letzten Male im Jahre 1906, so dass ich in diesem Jahre zum 30. Male an den Verhandlungen des Landrathes theilnahme und z. Zt. das älteste Landrathsmitglied an Jahren und an Funktionszeit bin, zugleich seit 15 Jahren Mitglied des ständigen Landrathsausschusses. Interimistisch habe ich ab und zu als Vorsitzender und als Schriftführer fungiert. Mit mir sassen zeitweilig die angesehensten Geistlichen: Prodekan Neysen, Kirchenrath Lyneker, Dekan jetzt Oberkonsistorialrath Dr. Ney und Kirchenrath Maurer. Unter schweren Kämpfen um die Schulaufsicht trat ich in den Landrath, war von Anfang an genöthigt, mich an den Verhandlungen in der Debatte und durch Referate zu betheiligen, arbeitete mich in sachlicher und formeller Beziehung rasch ein und gewann Einfluss. Der konservativen „pfälz. Post“ diente ich dabei als Berichterstatter, für den Landrath sah ich die Protokolle der 7 jenseitigen Kreise durch und arbeitete ich Übersichtstabellen über die Budgets der 8 k. bayer. Kreise aus, die von den Mitgliedern des Kollegiums, von der Regierung und dem Ministerium dankbar entgegengenommen wurden. Über einige Einzelheiten meiner Thätigkeit im Landrathe werden meine Erinnerungen aus späteren Jahren Aufschluss geben. Hier will ich bekennen, dass ich sehr gerne Landrath war und dass trotz angestrengter Arbeit die Wochen der Landrathsverhandlungen wie angenehme Ferien, oder - um den Ausdruck eines anderen Landrathes zu gebrauchen - wie eine erfolgreiche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="110"/> nur die weiblichen sondern auch die männlichen Familienglieder sich am Gottesdienste und am kirchlichen Leben betheiligt hätten. Darum machten mir auch die 300 Gulden Zulage keine rechte Freude, wenn sie auch meiner Kasse sehr zustatten kamen.</p> <p>Ein Zeichen grossen Vertrauens war es, dass ich im Frühjahr 1876 als Vertreter der prot. Geistlichen im Landrath der Pfalz durch die Wahlmänner der 9 westlichen Dekanate gewählt wurde. Wahrscheinlich hatte Dekan Rettig mich vorgeschlagen. Dringenden Bitten meiner Freunde nachgebend nahm ich die Wahl schweren Herzens an. Immer nach 6 Jahren wurde mein Mandat durch die Wahlmänner aller oder der westlichen Dekanate erneuert, zum letzten Male im Jahre 1906, so dass ich in diesem Jahre zum 30. Male an den Verhandlungen des Landrathes theilnahme und z. Zt. das älteste Landrathsmitglied an Jahren und an Funktionszeit bin, zugleich seit 15 Jahren Mitglied des ständigen Landrathsausschusses. Interimistisch habe ich ab und zu als Vorsitzender und als Schriftführer fungiert. Mit mir sassen zeitweilig die angesehensten Geistlichen: Prodekan Neysen, Kirchenrath Lyneker, Dekan jetzt Oberkonsistorialrath Dr. Ney und Kirchenrath Maurer. Unter schweren Kämpfen um die Schulaufsicht trat ich in den Landrath, war von Anfang an genöthigt, mich an den Verhandlungen in der Debatte und durch Referate zu betheiligen, arbeitete mich in sachlicher und formeller Beziehung rasch ein und gewann Einfluss. Der konservativen „pfälz. Post“ diente ich dabei als Berichterstatter, für den Landrath sah ich die Protokolle der 7 jenseitigen Kreise durch und arbeitete ich Übersichtstabellen über die Budgets der 8 k. bayer. Kreise aus, die von den Mitgliedern des Kollegiums, von der Regierung und dem Ministerium dankbar entgegengenommen wurden.</p> <p>Über einige Einzelheiten meiner Thätigkeit im Landrathe werden meine Erinnerungen aus späteren Jahren Aufschluss geben. 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nur die weiblichen sondern auch die männlichen Familienglieder sich am Gottesdienste und am kirchlichen Leben betheiligt hätten. Darum machten mir auch die 300 Gulden Zulage keine rechte Freude, wenn sie auch meiner Kasse sehr zustatten kamen.
Ein Zeichen grossen Vertrauens war es, dass ich im Frühjahr 1876 als Vertreter der prot. Geistlichen im Landrath der Pfalz durch die Wahlmänner der 9 westlichen Dekanate gewählt wurde. Wahrscheinlich hatte Dekan Rettig mich vorgeschlagen. Dringenden Bitten meiner Freunde nachgebend nahm ich die Wahl schweren Herzens an. Immer nach 6 Jahren wurde mein Mandat durch die Wahlmänner aller oder der westlichen Dekanate erneuert, zum letzten Male im Jahre 1906, so dass ich in diesem Jahre zum 30. Male an den Verhandlungen des Landrathes theilnahme und z. Zt. das älteste Landrathsmitglied an Jahren und an Funktionszeit bin, zugleich seit 15 Jahren Mitglied des ständigen Landrathsausschusses. Interimistisch habe ich ab und zu als Vorsitzender und als Schriftführer fungiert. Mit mir sassen zeitweilig die angesehensten Geistlichen: Prodekan Neysen, Kirchenrath Lyneker, Dekan jetzt Oberkonsistorialrath Dr. Ney und Kirchenrath Maurer. Unter schweren Kämpfen um die Schulaufsicht trat ich in den Landrath, war von Anfang an genöthigt, mich an den Verhandlungen in der Debatte und durch Referate zu betheiligen, arbeitete mich in sachlicher und formeller Beziehung rasch ein und gewann Einfluss. Der konservativen „pfälz. Post“ diente ich dabei als Berichterstatter, für den Landrath sah ich die Protokolle der 7 jenseitigen Kreise durch und arbeitete ich Übersichtstabellen über die Budgets der 8 k. bayer. Kreise aus, die von den Mitgliedern des Kollegiums, von der Regierung und dem Ministerium dankbar entgegengenommen wurden.
Über einige Einzelheiten meiner Thätigkeit im Landrathe werden meine Erinnerungen aus späteren Jahren Aufschluss geben. Hier will ich bekennen, dass ich sehr gerne Landrath war und dass trotz angestrengter Arbeit die Wochen der Landrathsverhandlungen wie angenehme Ferien, oder - um den Ausdruck eines anderen Landrathes zu gebrauchen - wie eine erfolgreiche
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