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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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bargrundstück einen Besuch abzustatten. Er hielt diesen Gang
heute nicht mehr für so gefährlich wie früher; ja glaubte
sogar berechtigt zu sein, sich an Ort und Stelle von der be¬
ginnenden Umwandlung des Parkes überzeugen zu dürfen.
Sollte doch auch er dereinst seine Thätigkeit auf dem feind¬
lichen Gebiete fortsetzen.

Er war eben im Begriff, sich zu erheben, als eine helle
Mädchenstimme ganz in der Nähe laut und vernehmlich sagte:

"Papa Timpe's Haus sieht immer noch so häßlich aus
wie früher."

Als die Sprecherin, die sich in dem Durchbruch der
Mauer wie in einem Rahmen präsentirte, den jungen Mann
erblickte, zog sie verlegen den Kopf zurück; Franz aber, be¬
reits außerordentlich geübt in Galanterien Damen gegenüber,
lüftete sehr höflich den Hut und gebrauchte einige zuvor¬
kommende Redensarten, die ihre Wirkung nicht verfehlten;
denn alsbald zeigten sich die Locken wieder und dieselbe
Stimme sagte:

"Ach, Sie sind's, Herr Timpe! Man kennt Sie gar
nicht mehr wieder" ...

Es war Fräulein Emma Kirchberg, die jüngste Tochter
der jetzigen Frau Urban, ein schlank gewachsenes Mädchen
von nahezu siebzehn Jahren, das sich noch in der körperlichen
Entwickelung befand und etwas zu groß gerathene Hände
besaß, die ihren größten Kummer bildeten, und welche sie
daher so wenig als möglich zu zeigen versuchte. Ihr läng¬
liches, gesund aussehendes Gesicht enthielt regelmäßige Züge,
deren Harmonie nur durch einen etwas breiten Mund, der
beim Lachen zwei Reihen gesunder Zähne zeigte (und das
geschah oft, denn sie lachte gern), gestört wurde.

Kretzer, Meister Timpe. 4

bargrundſtück einen Beſuch abzuſtatten. Er hielt dieſen Gang
heute nicht mehr für ſo gefährlich wie früher; ja glaubte
ſogar berechtigt zu ſein, ſich an Ort und Stelle von der be¬
ginnenden Umwandlung des Parkes überzeugen zu dürfen.
Sollte doch auch er dereinſt ſeine Thätigkeit auf dem feind¬
lichen Gebiete fortſetzen.

Er war eben im Begriff, ſich zu erheben, als eine helle
Mädchenſtimme ganz in der Nähe laut und vernehmlich ſagte:

„Papa Timpe's Haus ſieht immer noch ſo häßlich aus
wie früher.“

Als die Sprecherin, die ſich in dem Durchbruch der
Mauer wie in einem Rahmen präſentirte, den jungen Mann
erblickte, zog ſie verlegen den Kopf zurück; Franz aber, be¬
reits außerordentlich geübt in Galanterien Damen gegenüber,
lüftete ſehr höflich den Hut und gebrauchte einige zuvor¬
kommende Redensarten, die ihre Wirkung nicht verfehlten;
denn alsbald zeigten ſich die Locken wieder und dieſelbe
Stimme ſagte:

„Ach, Sie ſind's, Herr Timpe! Man kennt Sie gar
nicht mehr wieder“ ...

Es war Fräulein Emma Kirchberg, die jüngſte Tochter
der jetzigen Frau Urban, ein ſchlank gewachſenes Mädchen
von nahezu ſiebzehn Jahren, das ſich noch in der körperlichen
Entwickelung befand und etwas zu groß gerathene Hände
beſaß, die ihren größten Kummer bildeten, und welche ſie
daher ſo wenig als möglich zu zeigen verſuchte. Ihr läng¬
liches, geſund ausſehendes Geſicht enthielt regelmäßige Züge,
deren Harmonie nur durch einen etwas breiten Mund, der
beim Lachen zwei Reihen geſunder Zähne zeigte (und das
geſchah oft, denn ſie lachte gern), geſtört wurde.

Kretzer, Meiſter Timpe. 4
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[49/0061] bargrundſtück einen Beſuch abzuſtatten. Er hielt dieſen Gang heute nicht mehr für ſo gefährlich wie früher; ja glaubte ſogar berechtigt zu ſein, ſich an Ort und Stelle von der be¬ ginnenden Umwandlung des Parkes überzeugen zu dürfen. Sollte doch auch er dereinſt ſeine Thätigkeit auf dem feind¬ lichen Gebiete fortſetzen. Er war eben im Begriff, ſich zu erheben, als eine helle Mädchenſtimme ganz in der Nähe laut und vernehmlich ſagte: „Papa Timpe's Haus ſieht immer noch ſo häßlich aus wie früher.“ Als die Sprecherin, die ſich in dem Durchbruch der Mauer wie in einem Rahmen präſentirte, den jungen Mann erblickte, zog ſie verlegen den Kopf zurück; Franz aber, be¬ reits außerordentlich geübt in Galanterien Damen gegenüber, lüftete ſehr höflich den Hut und gebrauchte einige zuvor¬ kommende Redensarten, die ihre Wirkung nicht verfehlten; denn alsbald zeigten ſich die Locken wieder und dieſelbe Stimme ſagte: „Ach, Sie ſind's, Herr Timpe! Man kennt Sie gar nicht mehr wieder“ ... Es war Fräulein Emma Kirchberg, die jüngſte Tochter der jetzigen Frau Urban, ein ſchlank gewachſenes Mädchen von nahezu ſiebzehn Jahren, das ſich noch in der körperlichen Entwickelung befand und etwas zu groß gerathene Hände beſaß, die ihren größten Kummer bildeten, und welche ſie daher ſo wenig als möglich zu zeigen verſuchte. Ihr läng¬ liches, geſund ausſehendes Geſicht enthielt regelmäßige Züge, deren Harmonie nur durch einen etwas breiten Mund, der beim Lachen zwei Reihen geſunder Zähne zeigte (und das geſchah oft, denn ſie lachte gern), geſtört wurde. Kretzer, Meiſter Timpe. 4

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/61>, abgerufen am 22.11.2024.