"Die Geschichte macht sich", sagte er ein über das andere Mal. Nach dieser stehenden Redensart folgten Worte des Lobes und der Bewunderung, so daß Johannes Timpe von einem gewissen ungekünstelten Stolz beseelt wurde, schweigend dabei stand und sich beflissen zeigte, den besonderen Wunsch seines Nachbarn nach näherer Besichtigung irgend eines Gegenstandes zu erfüllen.
"Heinicke hat nicht zu viel gesagt: Sie sind ein tüchtiger Mann!"
Als Ferdinand Friedrich Urban sich mit den üblichen Dankesworten verabschiedet und den Weg wieder durch die Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:
"Aber wie gesagt, der Artikel ist noch viel zu theuer, viel zu theuer." . . .
Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod nach Hause.
"Wißt ihr das Neueste?" sagte er zu seinen Eltern, "die Stadtbahn soll hier durchgelegt werden. Die ganze Gegend wird dadurch gewinnen."
Johannes Timpe führte vor Erstaunen den Happen Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz Merkwürdiges ein, so daß er fragte:
"Weiß Dein Chef schon davon?"
"Ei freilich; er selbst hat es unserem Geschäftsführer erzählt."
"Potz Blitz, jetzt ist mir Alles erklärlich! Er wollte nämlich zu einem dreifachen Preise unser Haus kaufen, um vielleicht das Zehnfache herauszuschlagen. Dieser Schlau¬ berger, dieser Schlauberger. . . ."
„Die Geſchichte macht ſich“, ſagte er ein über das andere Mal. Nach dieſer ſtehenden Redensart folgten Worte des Lobes und der Bewunderung, ſo daß Johannes Timpe von einem gewiſſen ungekünſtelten Stolz beſeelt wurde, ſchweigend dabei ſtand und ſich befliſſen zeigte, den beſonderen Wunſch ſeines Nachbarn nach näherer Beſichtigung irgend eines Gegenſtandes zu erfüllen.
„Heinicke hat nicht zu viel geſagt: Sie ſind ein tüchtiger Mann!“
Als Ferdinand Friedrich Urban ſich mit den üblichen Dankesworten verabſchiedet und den Weg wieder durch die Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:
„Aber wie geſagt, der Artikel iſt noch viel zu theuer, viel zu theuer.“ . . .
Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod nach Hauſe.
„Wißt ihr das Neueſte?“ ſagte er zu ſeinen Eltern, „die Stadtbahn ſoll hier durchgelegt werden. Die ganze Gegend wird dadurch gewinnen.“
Johannes Timpe führte vor Erſtaunen den Happen Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz Merkwürdiges ein, ſo daß er fragte:
„Weiß Dein Chef ſchon davon?“
„Ei freilich; er ſelbſt hat es unſerem Geſchäftsführer erzählt.“
„Potz Blitz, jetzt iſt mir Alles erklärlich! Er wollte nämlich zu einem dreifachen Preiſe unſer Haus kaufen, um vielleicht das Zehnfache herauszuſchlagen. Dieſer Schlau¬ berger, dieſer Schlauberger. . . .“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0059"n="47"/><p>„Die Geſchichte macht ſich“, ſagte er ein über das andere<lb/>
Mal. Nach dieſer ſtehenden Redensart folgten Worte des<lb/>
Lobes und der Bewunderung, ſo daß Johannes Timpe von<lb/>
einem gewiſſen ungekünſtelten Stolz beſeelt wurde, ſchweigend<lb/>
dabei ſtand und ſich befliſſen zeigte, den beſonderen Wunſch<lb/>ſeines Nachbarn nach näherer Beſichtigung irgend eines<lb/>
Gegenſtandes zu erfüllen.</p><lb/><p>„Heinicke hat nicht zu viel geſagt: Sie ſind ein tüchtiger<lb/>
Mann!“</p><lb/><p>Als Ferdinand Friedrich Urban ſich mit den üblichen<lb/>
Dankesworten verabſchiedet und den Weg wieder durch die<lb/>
Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:</p><lb/><p>„Aber wie geſagt, der Artikel iſt noch viel zu theuer,<lb/>
viel zu theuer.“ . . .</p><lb/><p>Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod<lb/>
nach Hauſe.</p><lb/><p>„Wißt ihr das Neueſte?“ſagte er zu ſeinen Eltern,<lb/>„die Stadtbahn ſoll hier durchgelegt werden. Die ganze<lb/>
Gegend wird dadurch gewinnen.“</p><lb/><p>Johannes Timpe führte vor Erſtaunen den Happen<lb/>
Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz<lb/>
Merkwürdiges ein, ſo daß er fragte:</p><lb/><p>„Weiß Dein Chef ſchon davon?“</p><lb/><p>„Ei freilich; er ſelbſt hat es unſerem Geſchäftsführer<lb/>
erzählt.“</p><lb/><p>„Potz Blitz, jetzt iſt mir Alles erklärlich! Er wollte<lb/>
nämlich zu einem dreifachen Preiſe unſer Haus kaufen, um<lb/>
vielleicht das Zehnfache herauszuſchlagen. Dieſer Schlau¬<lb/>
berger, dieſer Schlauberger. . . .“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[47/0059]
„Die Geſchichte macht ſich“, ſagte er ein über das andere
Mal. Nach dieſer ſtehenden Redensart folgten Worte des
Lobes und der Bewunderung, ſo daß Johannes Timpe von
einem gewiſſen ungekünſtelten Stolz beſeelt wurde, ſchweigend
dabei ſtand und ſich befliſſen zeigte, den beſonderen Wunſch
ſeines Nachbarn nach näherer Beſichtigung irgend eines
Gegenſtandes zu erfüllen.
„Heinicke hat nicht zu viel geſagt: Sie ſind ein tüchtiger
Mann!“
Als Ferdinand Friedrich Urban ſich mit den üblichen
Dankesworten verabſchiedet und den Weg wieder durch die
Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:
„Aber wie geſagt, der Artikel iſt noch viel zu theuer,
viel zu theuer.“ . . .
Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod
nach Hauſe.
„Wißt ihr das Neueſte?“ ſagte er zu ſeinen Eltern,
„die Stadtbahn ſoll hier durchgelegt werden. Die ganze
Gegend wird dadurch gewinnen.“
Johannes Timpe führte vor Erſtaunen den Happen
Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz
Merkwürdiges ein, ſo daß er fragte:
„Weiß Dein Chef ſchon davon?“
„Ei freilich; er ſelbſt hat es unſerem Geſchäftsführer
erzählt.“
„Potz Blitz, jetzt iſt mir Alles erklärlich! Er wollte
nämlich zu einem dreifachen Preiſe unſer Haus kaufen, um
vielleicht das Zehnfache herauszuſchlagen. Dieſer Schlau¬
berger, dieſer Schlauberger. . . .“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/59>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.