delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch ist dieser Artikel noch viel zu theuer. Neue Maschinenerfin¬ dungen werden auch hier noch eine große Rolle spielen müssen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?"
Meister Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick glitt prüfend über den Fabrikanten, der anscheinend gleich¬ gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zusah. Ein gewisses Mißtrauen stieg in ihm auf, aber es verschwand auch ebenso schnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieser Mann, der in einem vortrefflichen Renommee stand, um sein Vertrauen bat, so würde er dasselbe jedenfalls auch zu achten verstehen. Und dann: man stiehlt nicht gleich mit den Augen, man prägt sich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren Herstellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch längerer Zeit bedurfte.
So sagte er denn höflich: "Wollen Sie die Güte haben --?" und führte den reichen Kaufmann in das Allerheiligste seines Hauses: in seine Arbeitsstube, die ihm zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier stand seine Drehbank, pflegte er allein zu sinnen und zu schaffen. Selbst die Gesellen hatten hier keinen Zutritt; sie mußten vorher anklopfen, wollten sie den Meister sprechen. Wenn mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, so geschah es nur, weil dessen Treue und Ehrlichkeit seit langer Zeit er¬ probt waren.
Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die Wände entlang, wo an Bindfaden befestigt und mit Nummern versehen, unzählige Holzgegenstände hingen, die in alen Formen und Gestalten aus Meister Timpes kunstgeübter Hand hervorgegangen waren.
delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch iſt dieſer Artikel noch viel zu theuer. Neue Maſchinenerfin¬ dungen werden auch hier noch eine große Rolle ſpielen müſſen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?“
Meiſter Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick glitt prüfend über den Fabrikanten, der anſcheinend gleich¬ gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zuſah. Ein gewiſſes Mißtrauen ſtieg in ihm auf, aber es verſchwand auch ebenſo ſchnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieſer Mann, der in einem vortrefflichen Renommee ſtand, um ſein Vertrauen bat, ſo würde er daſſelbe jedenfalls auch zu achten verſtehen. Und dann: man ſtiehlt nicht gleich mit den Augen, man prägt ſich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren Herſtellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch längerer Zeit bedurfte.
So ſagte er denn höflich: „Wollen Sie die Güte haben —?“ und führte den reichen Kaufmann in das Allerheiligſte ſeines Hauſes: in ſeine Arbeitsſtube, die ihm zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier ſtand ſeine Drehbank, pflegte er allein zu ſinnen und zu ſchaffen. Selbſt die Geſellen hatten hier keinen Zutritt; ſie mußten vorher anklopfen, wollten ſie den Meiſter ſprechen. Wenn mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, ſo geſchah es nur, weil deſſen Treue und Ehrlichkeit ſeit langer Zeit er¬ probt waren.
Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die Wände entlang, wo an Bindfaden befeſtigt und mit Nummern verſehen, unzählige Holzgegenſtände hingen, die in alen Formen und Geſtalten aus Meiſter Timpes kunſtgeübter Hand hervorgegangen waren.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0058"n="46"/>
delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch<lb/>
iſt dieſer Artikel noch viel zu theuer. Neue Maſchinenerfin¬<lb/>
dungen werden auch hier noch eine große Rolle ſpielen<lb/>
müſſen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?“</p><lb/><p>Meiſter Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick<lb/>
glitt prüfend über den Fabrikanten, der anſcheinend gleich¬<lb/>
gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zuſah. Ein gewiſſes<lb/>
Mißtrauen ſtieg in ihm auf, aber es verſchwand auch ebenſo<lb/>ſchnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieſer<lb/>
Mann, der in einem vortrefflichen Renommee ſtand, um ſein<lb/>
Vertrauen bat, ſo würde er daſſelbe jedenfalls auch zu achten<lb/>
verſtehen. Und dann: man ſtiehlt nicht gleich mit den Augen,<lb/>
man prägt ſich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren<lb/>
Herſtellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch<lb/>
längerer Zeit bedurfte.</p><lb/><p>So ſagte er denn höflich: „Wollen Sie die Güte<lb/>
haben —?“ und führte den reichen Kaufmann in das<lb/>
Allerheiligſte ſeines Hauſes: in ſeine Arbeitsſtube, die ihm<lb/>
zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier ſtand<lb/>ſeine Drehbank, pflegte er allein zu ſinnen und zu ſchaffen.<lb/>
Selbſt die Geſellen hatten hier keinen Zutritt; ſie mußten<lb/>
vorher anklopfen, wollten ſie den Meiſter ſprechen. Wenn<lb/>
mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, ſo geſchah<lb/>
es nur, weil deſſen Treue und Ehrlichkeit ſeit langer Zeit er¬<lb/>
probt waren.</p><lb/><p>Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die<lb/>
Wände entlang, wo an Bindfaden befeſtigt und mit Nummern<lb/>
verſehen, unzählige Holzgegenſtände hingen, die in alen<lb/>
Formen und Geſtalten aus Meiſter Timpes kunſtgeübter<lb/>
Hand hervorgegangen waren.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[46/0058]
delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch
iſt dieſer Artikel noch viel zu theuer. Neue Maſchinenerfin¬
dungen werden auch hier noch eine große Rolle ſpielen
müſſen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?“
Meiſter Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick
glitt prüfend über den Fabrikanten, der anſcheinend gleich¬
gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zuſah. Ein gewiſſes
Mißtrauen ſtieg in ihm auf, aber es verſchwand auch ebenſo
ſchnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieſer
Mann, der in einem vortrefflichen Renommee ſtand, um ſein
Vertrauen bat, ſo würde er daſſelbe jedenfalls auch zu achten
verſtehen. Und dann: man ſtiehlt nicht gleich mit den Augen,
man prägt ſich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren
Herſtellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch
längerer Zeit bedurfte.
So ſagte er denn höflich: „Wollen Sie die Güte
haben —?“ und führte den reichen Kaufmann in das
Allerheiligſte ſeines Hauſes: in ſeine Arbeitsſtube, die ihm
zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier ſtand
ſeine Drehbank, pflegte er allein zu ſinnen und zu ſchaffen.
Selbſt die Geſellen hatten hier keinen Zutritt; ſie mußten
vorher anklopfen, wollten ſie den Meiſter ſprechen. Wenn
mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, ſo geſchah
es nur, weil deſſen Treue und Ehrlichkeit ſeit langer Zeit er¬
probt waren.
Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die
Wände entlang, wo an Bindfaden befeſtigt und mit Nummern
verſehen, unzählige Holzgegenſtände hingen, die in alen
Formen und Geſtalten aus Meiſter Timpes kunſtgeübter
Hand hervorgegangen waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/58>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.