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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Er nahm bedächtig eine Prise; dann fügte er in seiner
ruhigen, gemessenen Sprechweise hinzu:

"Ich will ebenfalls bauen und meine Werkstätten ver¬
größern."

Ferdinand Friedrich Urban blickte überrascht auf und maß
den Meister mit einem Seitenblick, dann sagte er mit ge¬
zwungener Gleichgültigkeit: "So, so, also ebenfalls im Großen
fabriziren, he?"

Während die Hände sich mit der dicken, goldenen Uhr¬
kette beschäftigten, vergaß er nicht, mit leicht gesenktem
Haupte über die Brille hinweg das Antlitz des Gefragten
zu studiren.

Und Johannes Timpe, erfreut darüber, in diesem an¬
gesehenen Kaufmann einen Mann gefunden zu haben, der so
leutselig mit ihm über seine geschäftlichen Pläne sprach, wußte
nichts Besseres zu thun, als mit gleichem Vertrauen ent¬
gegenzukommen und sein Herz auszuschütten.

Seines Sohnes, ja nur seines einzigen Sohnes willen
würde er das thun. Natürlich sei vorläufig noch nicht daran
zu denken. Der Junge müsse erst etwas Ordentliches lernen,
ein tüchtiger Kaufmann werden, sich Fachkenntnisse aneignen;
dann, ja dann könne er wohl der Sache näher treten. Lange
werde das ja nicht dauern, denn ein paar Jahre seien bald
herum. Ein Handwerker würde er trotzdem immer
bleiben, aber heute, wo Alles rechne und die Zahlen bei
den Menschen die größte Rolle spielten, sei es jedenfalls von
Vortheil, auch ein wenig direkt mit dem Handel in Verbindung
zu treten.

Herr Ferdinand Friedrich Urban hatte diesen Herzens¬
ergüssen aufmerksam und ohne Unterbrechung zugehört; nur

Er nahm bedächtig eine Priſe; dann fügte er in ſeiner
ruhigen, gemeſſenen Sprechweiſe hinzu:

„Ich will ebenfalls bauen und meine Werkſtätten ver¬
größern.“

Ferdinand Friedrich Urban blickte überraſcht auf und maß
den Meiſter mit einem Seitenblick, dann ſagte er mit ge¬
zwungener Gleichgültigkeit: „So, ſo, alſo ebenfalls im Großen
fabriziren, he?“

Während die Hände ſich mit der dicken, goldenen Uhr¬
kette beſchäftigten, vergaß er nicht, mit leicht geſenktem
Haupte über die Brille hinweg das Antlitz des Gefragten
zu ſtudiren.

Und Johannes Timpe, erfreut darüber, in dieſem an¬
geſehenen Kaufmann einen Mann gefunden zu haben, der ſo
leutſelig mit ihm über ſeine geſchäftlichen Pläne ſprach, wußte
nichts Beſſeres zu thun, als mit gleichem Vertrauen ent¬
gegenzukommen und ſein Herz auszuſchütten.

Seines Sohnes, ja nur ſeines einzigen Sohnes willen
würde er das thun. Natürlich ſei vorläufig noch nicht daran
zu denken. Der Junge müſſe erſt etwas Ordentliches lernen,
ein tüchtiger Kaufmann werden, ſich Fachkenntniſſe aneignen;
dann, ja dann könne er wohl der Sache näher treten. Lange
werde das ja nicht dauern, denn ein paar Jahre ſeien bald
herum. Ein Handwerker würde er trotzdem immer
bleiben, aber heute, wo Alles rechne und die Zahlen bei
den Menſchen die größte Rolle ſpielten, ſei es jedenfalls von
Vortheil, auch ein wenig direkt mit dem Handel in Verbindung
zu treten.

Herr Ferdinand Friedrich Urban hatte dieſen Herzens¬
ergüſſen aufmerkſam und ohne Unterbrechung zugehört; nur

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[41/0053] Er nahm bedächtig eine Priſe; dann fügte er in ſeiner ruhigen, gemeſſenen Sprechweiſe hinzu: „Ich will ebenfalls bauen und meine Werkſtätten ver¬ größern.“ Ferdinand Friedrich Urban blickte überraſcht auf und maß den Meiſter mit einem Seitenblick, dann ſagte er mit ge¬ zwungener Gleichgültigkeit: „So, ſo, alſo ebenfalls im Großen fabriziren, he?“ Während die Hände ſich mit der dicken, goldenen Uhr¬ kette beſchäftigten, vergaß er nicht, mit leicht geſenktem Haupte über die Brille hinweg das Antlitz des Gefragten zu ſtudiren. Und Johannes Timpe, erfreut darüber, in dieſem an¬ geſehenen Kaufmann einen Mann gefunden zu haben, der ſo leutſelig mit ihm über ſeine geſchäftlichen Pläne ſprach, wußte nichts Beſſeres zu thun, als mit gleichem Vertrauen ent¬ gegenzukommen und ſein Herz auszuſchütten. Seines Sohnes, ja nur ſeines einzigen Sohnes willen würde er das thun. Natürlich ſei vorläufig noch nicht daran zu denken. Der Junge müſſe erſt etwas Ordentliches lernen, ein tüchtiger Kaufmann werden, ſich Fachkenntniſſe aneignen; dann, ja dann könne er wohl der Sache näher treten. Lange werde das ja nicht dauern, denn ein paar Jahre ſeien bald herum. Ein Handwerker würde er trotzdem immer bleiben, aber heute, wo Alles rechne und die Zahlen bei den Menſchen die größte Rolle ſpielten, ſei es jedenfalls von Vortheil, auch ein wenig direkt mit dem Handel in Verbindung zu treten. Herr Ferdinand Friedrich Urban hatte dieſen Herzens¬ ergüſſen aufmerkſam und ohne Unterbrechung zugehört; nur

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/53>, abgerufen am 22.11.2024.