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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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erzitternd machende Geräusch, das die Nähe großer, in Be¬
wegung gesetzter Maschinen verkündet.

Wenn er nur genau gewußt hätte, wann das Bauen
drüben seinen Anfang nehmen sollte. Er war nicht umsonst
plötzlich so still geworden. Ihm fielen seine alten Pläne
wieder ein, welche sich um die Vergrößerung seines eigenen
Geschäftes drehten. Wenn an Stelle dieser Mauer eine
schwindelhohe Wand erstünde, wenn man ihn immer mehr
umschlösse, um ihm das Licht des Himmels zu nehmen? Er
hatte nie daran gedacht, daß die Verhältnisse jenseits der
Mauer sich jemals ändern würden. Etwas wie Traurigkeit
überkam ihn, eingedenk der Möglichkeit, daß sein Gärtchen
eines Tages einem jener dunklen Höfe gleichen könne, über
welche die Sonnenstrahlen nur auf Minuten dahinhuschen,
ohne jemals ganz die Tiefe zu erreichen.

Als er sich umwendete, um an seinen Sohn noch eine
Frage zu richten, war dieser bereits verschwunden; die Mutter
hatte ihm vom Flur aus einen Wink gegeben, dem er ge¬
folgt war.

Es war nahe an ein Uhr. In der Werkstatt hatten die
Gesellen sich nach eingefunden, um die Arbeit wieder
aufzunehmen. An dem geöffneten Flügel des einen Fensters
saß Thomas Beyer, der älteste Gehülfe Timpe's. Seit fünf¬
zehn Jahren stand er bereits an ein und derselben Drehbank.
Er war ein hagerer, starkknochiger Mann von etwa 40 Jahren
und wohnte mit einer Schwester zusammen, die ihm die
Wirthschaft führte. Er lebte sehr mäßig, besuchte sehr
häufig populäre Vorträge und benutzte jede Gelegenheit, seine
Belesenheit zu beweisen. Dadurch war er zu einer gewissen
Autorität bei seinen Kollegen in der Werkstatt gelangt, die

erzitternd machende Geräuſch, das die Nähe großer, in Be¬
wegung geſetzter Maſchinen verkündet.

Wenn er nur genau gewußt hätte, wann das Bauen
drüben ſeinen Anfang nehmen ſollte. Er war nicht umſonſt
plötzlich ſo ſtill geworden. Ihm fielen ſeine alten Pläne
wieder ein, welche ſich um die Vergrößerung ſeines eigenen
Geſchäftes drehten. Wenn an Stelle dieſer Mauer eine
ſchwindelhohe Wand erſtünde, wenn man ihn immer mehr
umſchlöſſe, um ihm das Licht des Himmels zu nehmen? Er
hatte nie daran gedacht, daß die Verhältniſſe jenſeits der
Mauer ſich jemals ändern würden. Etwas wie Traurigkeit
überkam ihn, eingedenk der Möglichkeit, daß ſein Gärtchen
eines Tages einem jener dunklen Höfe gleichen könne, über
welche die Sonnenſtrahlen nur auf Minuten dahinhuſchen,
ohne jemals ganz die Tiefe zu erreichen.

Als er ſich umwendete, um an ſeinen Sohn noch eine
Frage zu richten, war dieſer bereits verſchwunden; die Mutter
hatte ihm vom Flur aus einen Wink gegeben, dem er ge¬
folgt war.

Es war nahe an ein Uhr. In der Werkſtatt hatten die
Geſellen ſich nach eingefunden, um die Arbeit wieder
aufzunehmen. An dem geöffneten Flügel des einen Fenſters
ſaß Thomas Beyer, der älteſte Gehülfe Timpe's. Seit fünf¬
zehn Jahren ſtand er bereits an ein und derſelben Drehbank.
Er war ein hagerer, ſtarkknochiger Mann von etwa 40 Jahren
und wohnte mit einer Schweſter zuſammen, die ihm die
Wirthſchaft führte. Er lebte ſehr mäßig, beſuchte ſehr
häufig populäre Vorträge und benutzte jede Gelegenheit, ſeine
Beleſenheit zu beweiſen. Dadurch war er zu einer gewiſſen
Autorität bei ſeinen Kollegen in der Werkſtatt gelangt, die

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[29/0041] erzitternd machende Geräuſch, das die Nähe großer, in Be¬ wegung geſetzter Maſchinen verkündet. Wenn er nur genau gewußt hätte, wann das Bauen drüben ſeinen Anfang nehmen ſollte. Er war nicht umſonſt plötzlich ſo ſtill geworden. Ihm fielen ſeine alten Pläne wieder ein, welche ſich um die Vergrößerung ſeines eigenen Geſchäftes drehten. Wenn an Stelle dieſer Mauer eine ſchwindelhohe Wand erſtünde, wenn man ihn immer mehr umſchlöſſe, um ihm das Licht des Himmels zu nehmen? Er hatte nie daran gedacht, daß die Verhältniſſe jenſeits der Mauer ſich jemals ändern würden. Etwas wie Traurigkeit überkam ihn, eingedenk der Möglichkeit, daß ſein Gärtchen eines Tages einem jener dunklen Höfe gleichen könne, über welche die Sonnenſtrahlen nur auf Minuten dahinhuſchen, ohne jemals ganz die Tiefe zu erreichen. Als er ſich umwendete, um an ſeinen Sohn noch eine Frage zu richten, war dieſer bereits verſchwunden; die Mutter hatte ihm vom Flur aus einen Wink gegeben, dem er ge¬ folgt war. Es war nahe an ein Uhr. In der Werkſtatt hatten die Geſellen ſich nach eingefunden, um die Arbeit wieder aufzunehmen. An dem geöffneten Flügel des einen Fenſters ſaß Thomas Beyer, der älteſte Gehülfe Timpe's. Seit fünf¬ zehn Jahren ſtand er bereits an ein und derſelben Drehbank. Er war ein hagerer, ſtarkknochiger Mann von etwa 40 Jahren und wohnte mit einer Schweſter zuſammen, die ihm die Wirthſchaft führte. Er lebte ſehr mäßig, beſuchte ſehr häufig populäre Vorträge und benutzte jede Gelegenheit, ſeine Beleſenheit zu beweiſen. Dadurch war er zu einer gewiſſen Autorität bei ſeinen Kollegen in der Werkſtatt gelangt, die

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/41>, abgerufen am 24.11.2024.