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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Minuten erst eingetreten sein, denn der Körper war noch
warm. Mit der linken Hand hielt er das Bild seines Sohnes
umklammert, während die rechte wie zum Schwur an der
Sprosse der Leiter lehnte; als wollte sie noch im Tode
Anklage zum Himmel erheben. Auf dem unberührten Lager,
das er sich zuerst gemacht hatte, lag neben den Bildern des
Großvaters und Karolinen's Allen sichtbar sein "letzter Wille."
Alles deutete darauf hin, daß ein außergewöhnlicher Umstand
ihn getödtet habe. An der Kalkwand standen mit großen
Buchstaben, wie von unsicherer Kinderhand drei-, viermal die
Worte geschrieben: "Es lebe der Kaiser ... Hoch lebe der
Kaiser!"

Als man ihn endlich hinauf nach dem Garten getragen
hatte, um die letzten Belebungsversuche anzustellen, vermochte
Beyer sich nicht mehr zu beherrschen.

Er beugte sich über den entseelten Körper und rief mit
schluchzender Stimme: "Meister, Meister, wachen Sie doch
auf .... reden Sie! ..."

Dann, als er lange auf das Antlitz geblickt hatte und
nun einsah, daß Alles vorüber war, richtete er sich empor. Er
schlug die Hände vor das Gesicht und verharrte minutenlang
in stummem Schmerze. Seine Gestalt erbebte, heiße Thränen
benetzten seine Hände.

Man trug den Leichnam in die Wohnung. Noch immer
ringelte der Rauch in dünnen Säulen zum Fenster hinaus
und über das Dach hinweg. Das Häuschen mit seinen ein¬
geschlagenen Fenstern und Thüren, der durchlöcherten Wand,
mit den halbverkohlten Dielen glich einer Trümmerstätte.
Durch die geöffneten Thüren hatte man eine Durchsicht nach
der Straße, wo die Menge Kopf an Kopf gleich einem leben¬

Minuten erſt eingetreten ſein, denn der Körper war noch
warm. Mit der linken Hand hielt er das Bild ſeines Sohnes
umklammert, während die rechte wie zum Schwur an der
Sproſſe der Leiter lehnte; als wollte ſie noch im Tode
Anklage zum Himmel erheben. Auf dem unberührten Lager,
das er ſich zuerſt gemacht hatte, lag neben den Bildern des
Großvaters und Karolinen's Allen ſichtbar ſein „letzter Wille.“
Alles deutete darauf hin, daß ein außergewöhnlicher Umſtand
ihn getödtet habe. An der Kalkwand ſtanden mit großen
Buchſtaben, wie von unſicherer Kinderhand drei-, viermal die
Worte geſchrieben: „Es lebe der Kaiſer ... Hoch lebe der
Kaiſer!“

Als man ihn endlich hinauf nach dem Garten getragen
hatte, um die letzten Belebungsverſuche anzuſtellen, vermochte
Beyer ſich nicht mehr zu beherrſchen.

Er beugte ſich über den entſeelten Körper und rief mit
ſchluchzender Stimme: „Meiſter, Meiſter, wachen Sie doch
auf .... reden Sie! ...“

Dann, als er lange auf das Antlitz geblickt hatte und
nun einſah, daß Alles vorüber war, richtete er ſich empor. Er
ſchlug die Hände vor das Geſicht und verharrte minutenlang
in ſtummem Schmerze. Seine Geſtalt erbebte, heiße Thränen
benetzten ſeine Hände.

Man trug den Leichnam in die Wohnung. Noch immer
ringelte der Rauch in dünnen Säulen zum Fenſter hinaus
und über das Dach hinweg. Das Häuschen mit ſeinen ein¬
geſchlagenen Fenſtern und Thüren, der durchlöcherten Wand,
mit den halbverkohlten Dielen glich einer Trümmerſtätte.
Durch die geöffneten Thüren hatte man eine Durchſicht nach
der Straße, wo die Menge Kopf an Kopf gleich einem leben¬

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[326/0338] Minuten erſt eingetreten ſein, denn der Körper war noch warm. Mit der linken Hand hielt er das Bild ſeines Sohnes umklammert, während die rechte wie zum Schwur an der Sproſſe der Leiter lehnte; als wollte ſie noch im Tode Anklage zum Himmel erheben. Auf dem unberührten Lager, das er ſich zuerſt gemacht hatte, lag neben den Bildern des Großvaters und Karolinen's Allen ſichtbar ſein „letzter Wille.“ Alles deutete darauf hin, daß ein außergewöhnlicher Umſtand ihn getödtet habe. An der Kalkwand ſtanden mit großen Buchſtaben, wie von unſicherer Kinderhand drei-, viermal die Worte geſchrieben: „Es lebe der Kaiſer ... Hoch lebe der Kaiſer!“ Als man ihn endlich hinauf nach dem Garten getragen hatte, um die letzten Belebungsverſuche anzuſtellen, vermochte Beyer ſich nicht mehr zu beherrſchen. Er beugte ſich über den entſeelten Körper und rief mit ſchluchzender Stimme: „Meiſter, Meiſter, wachen Sie doch auf .... reden Sie! ...“ Dann, als er lange auf das Antlitz geblickt hatte und nun einſah, daß Alles vorüber war, richtete er ſich empor. Er ſchlug die Hände vor das Geſicht und verharrte minutenlang in ſtummem Schmerze. Seine Geſtalt erbebte, heiße Thränen benetzten ſeine Hände. Man trug den Leichnam in die Wohnung. Noch immer ringelte der Rauch in dünnen Säulen zum Fenſter hinaus und über das Dach hinweg. Das Häuschen mit ſeinen ein¬ geſchlagenen Fenſtern und Thüren, der durchlöcherten Wand, mit den halbverkohlten Dielen glich einer Trümmerſtätte. Durch die geöffneten Thüren hatte man eine Durchſicht nach der Straße, wo die Menge Kopf an Kopf gleich einem leben¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/338>, abgerufen am 24.11.2024.