richtig, daß Sie mir einen Stimmzettel für Ihren Kandi¬ daten in die Hand drückten, aber ich habe ihn nicht ab¬ gegeben. Verstehen Sie? Wie wird Ihnen nun, he? . . . Ich habe mich nämlich im Vorzimmer des Wahllokales noch besonnen und mir einen anderen Zettel geben lassen. Der Name eines guten Patrioten stand auf ihm -- wie wird Ihnen jetzt, he? . . . Und was meine Rede in der Ver¬ sammlung anbetrifft, so . . . so kann auch mal einem Manne, der gut monarchisch gesinnt ist, etwas Menschliches passiren . . . daß er zum Beispiel von der Wuth sich hinreißen läßt und so ein bischen Revolution predigt -- das schadet manch¬ mal garnichts, denn das giebt Stoff zum Nachdenken. . . . Aber um noch einmal darauf zurückzukommen: was Ihre Sozialdemokratie anbetrifft, so pfeife ich darauf! Ich bin keiner, ich will keiner sein und ich dulde hier keinen. Punk¬ tum!"
Er hatte sich von seiner Lebhaftigkeit so hinreißen lassen, daß er nach jedem Satze den Schemel verließ, sich dicht vor den Altgesellen hinpflanzte und mit dem Zeigefinger auf dessen Brust tippte, als wollte er nach der Angewohnheit Herrn Ferdinand Friedrich Urban's jedes Wort dem Zuhörer auf den Körper nageln. Zuletzt hatte er sich der Thür genähert und verließ die Werkstatt, ohne die Antwort Beyer's abzu¬ warten.
Dieser hatte ihn mit halbgeöffnetem Munde angestarrt und blickte ihm in derselben Verfassung nach.
"Er lügt, oder ist er verrückt geworden", dachte er, mußte sich dann aber doch gestehen, daß es mit der neuen Gesinnung des Meisters nicht weit her sein könne. Dann fühlte er abermals die Neigung, ein Selbstgespräch zu be¬
richtig, daß Sie mir einen Stimmzettel für Ihren Kandi¬ daten in die Hand drückten, aber ich habe ihn nicht ab¬ gegeben. Verſtehen Sie? Wie wird Ihnen nun, he? . . . Ich habe mich nämlich im Vorzimmer des Wahllokales noch beſonnen und mir einen anderen Zettel geben laſſen. Der Name eines guten Patrioten ſtand auf ihm — wie wird Ihnen jetzt, he? . . . Und was meine Rede in der Ver¬ ſammlung anbetrifft, ſo . . . ſo kann auch mal einem Manne, der gut monarchiſch geſinnt iſt, etwas Menſchliches paſſiren . . . daß er zum Beiſpiel von der Wuth ſich hinreißen läßt und ſo ein bischen Revolution predigt — das ſchadet manch¬ mal garnichts, denn das giebt Stoff zum Nachdenken. . . . Aber um noch einmal darauf zurückzukommen: was Ihre Sozialdemokratie anbetrifft, ſo pfeife ich darauf! Ich bin keiner, ich will keiner ſein und ich dulde hier keinen. Punk¬ tum!“
Er hatte ſich von ſeiner Lebhaftigkeit ſo hinreißen laſſen, daß er nach jedem Satze den Schemel verließ, ſich dicht vor den Altgeſellen hinpflanzte und mit dem Zeigefinger auf deſſen Bruſt tippte, als wollte er nach der Angewohnheit Herrn Ferdinand Friedrich Urban's jedes Wort dem Zuhörer auf den Körper nageln. Zuletzt hatte er ſich der Thür genähert und verließ die Werkſtatt, ohne die Antwort Beyer's abzu¬ warten.
Dieſer hatte ihn mit halbgeöffnetem Munde angeſtarrt und blickte ihm in derſelben Verfaſſung nach.
„Er lügt, oder iſt er verrückt geworden“, dachte er, mußte ſich dann aber doch geſtehen, daß es mit der neuen Geſinnung des Meiſters nicht weit her ſein könne. Dann fühlte er abermals die Neigung, ein Selbſtgeſpräch zu be¬
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richtig, daß Sie mir einen Stimmzettel für Ihren Kandi¬
daten in die Hand drückten, aber ich habe ihn nicht ab¬
gegeben. Verſtehen Sie? Wie wird Ihnen nun, he? . . .
Ich habe mich nämlich im Vorzimmer des Wahllokales noch
beſonnen und mir einen anderen Zettel geben laſſen. Der
Name eines guten Patrioten ſtand auf ihm — wie wird
Ihnen jetzt, he? . . . Und was meine Rede in der Ver¬
ſammlung anbetrifft, ſo . . . ſo kann auch mal einem Manne,
der gut monarchiſch geſinnt iſt, etwas Menſchliches paſſiren
. . . daß er zum Beiſpiel von der Wuth ſich hinreißen läßt
und ſo ein bischen Revolution predigt — das ſchadet manch¬
mal garnichts, denn das giebt Stoff zum Nachdenken. . . .
Aber um noch einmal darauf zurückzukommen: was Ihre
Sozialdemokratie anbetrifft, ſo pfeife ich darauf! Ich bin
keiner, ich will keiner ſein und ich dulde hier keinen. Punk¬
tum!“
Er hatte ſich von ſeiner Lebhaftigkeit ſo hinreißen laſſen,
daß er nach jedem Satze den Schemel verließ, ſich dicht vor
den Altgeſellen hinpflanzte und mit dem Zeigefinger auf
deſſen Bruſt tippte, als wollte er nach der Angewohnheit Herrn
Ferdinand Friedrich Urban's jedes Wort dem Zuhörer auf
den Körper nageln. Zuletzt hatte er ſich der Thür genähert
und verließ die Werkſtatt, ohne die Antwort Beyer's abzu¬
warten.
Dieſer hatte ihn mit halbgeöffnetem Munde angeſtarrt
und blickte ihm in derſelben Verfaſſung nach.
„Er lügt, oder iſt er verrückt geworden“, dachte er,
mußte ſich dann aber doch geſtehen, daß es mit der neuen
Geſinnung des Meiſters nicht weit her ſein könne. Dann
fühlte er abermals die Neigung, ein Selbſtgeſpräch zu be¬
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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