Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Uneigennützigkeit steigerte nur Timpe's gallsüchtige
Stimmung.

"Ihr ewiger Edelmuth! Sie wissen, daß ich mir ein¬
für allemal nichts schenken lasse. Sie thun wirklich so, als
wenn Sie hier Herr im Hause wären . . . Ich muß Ihnen
aber ein- für allemal sagen, daß ich in meiner Werkstatt
keinen Sozialdemokraten dulde."

Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das so plötzlich
hervorquoll, daß Timpe seinen Gang durch die Werkstatt ein¬
stellte und ihn groß anblickte.

"Das sagen Sie mir, Meister, Sie, der selbst jetzt
auf unsere Fahne schwört? Verzeihen Sie, wenn ich das
komisch finde. Sie haben sich versprochen, Meister, so ist's,
nicht wahr?"

Nun passirte etwas Merkwürdiges, was der Geselle nicht
erwartet hatte. Timpe fing nun seinerseits an zu lachen,
schlug seinen weiten Rock über den Bauch zusammen, ging
mit sehr lustiger Miene, als amüsire er sich ganz außer¬
ordentlich, einige Male in der Werkstatt auf und ab,
setzte sich dann, da er etwas erschöpft war, auf einen
Schemel vor dem Altgesellen nieder und begann folgender¬
maßen:

"Sie sind doch bei Verstande, Beyer, haben doch zwei
gesunde Ohren, he? . . . Ja? -- dann hören Sie mich ge¬
fälligst einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen
hier sagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz,
sage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals
Mumpitz, verstehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was
meine Wahl anbetrifft, so sage ich zum dritten Male: Mumpitz,
verstehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es ist ganz

20*

Dieſe Uneigennützigkeit ſteigerte nur Timpe's gallſüchtige
Stimmung.

„Ihr ewiger Edelmuth! Sie wiſſen, daß ich mir ein¬
für allemal nichts ſchenken laſſe. Sie thun wirklich ſo, als
wenn Sie hier Herr im Hauſe wären . . . Ich muß Ihnen
aber ein- für allemal ſagen, daß ich in meiner Werkſtatt
keinen Sozialdemokraten dulde.“

Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das ſo plötzlich
hervorquoll, daß Timpe ſeinen Gang durch die Werkſtatt ein¬
ſtellte und ihn groß anblickte.

„Das ſagen Sie mir, Meiſter, Sie, der ſelbſt jetzt
auf unſere Fahne ſchwört? Verzeihen Sie, wenn ich das
komiſch finde. Sie haben ſich verſprochen, Meiſter, ſo iſt's,
nicht wahr?“

Nun paſſirte etwas Merkwürdiges, was der Geſelle nicht
erwartet hatte. Timpe fing nun ſeinerſeits an zu lachen,
ſchlug ſeinen weiten Rock über den Bauch zuſammen, ging
mit ſehr luſtiger Miene, als amüſire er ſich ganz außer¬
ordentlich, einige Male in der Werkſtatt auf und ab,
ſetzte ſich dann, da er etwas erſchöpft war, auf einen
Schemel vor dem Altgeſellen nieder und begann folgender¬
maßen:

„Sie ſind doch bei Verſtande, Beyer, haben doch zwei
geſunde Ohren, he? . . . Ja? — dann hören Sie mich ge¬
fälligſt einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen
hier ſagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz,
ſage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals
Mumpitz, verſtehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was
meine Wahl anbetrifft, ſo ſage ich zum dritten Male: Mumpitz,
verſtehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es iſt ganz

20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0319" n="307"/>
        <p>Die&#x017F;e Uneigennützigkeit &#x017F;teigerte nur Timpe's gall&#x017F;üchtige<lb/>
Stimmung.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr ewiger Edelmuth! Sie wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich mir ein¬<lb/>
für allemal nichts &#x017F;chenken la&#x017F;&#x017F;e. Sie thun wirklich &#x017F;o, als<lb/>
wenn Sie hier Herr im Hau&#x017F;e wären . . . Ich muß Ihnen<lb/>
aber ein- für allemal &#x017F;agen, daß ich in meiner Werk&#x017F;tatt<lb/>
keinen Sozialdemokraten dulde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das &#x017F;o plötzlich<lb/>
hervorquoll, daß Timpe &#x017F;einen Gang durch die Werk&#x017F;tatt ein¬<lb/>
&#x017F;tellte und ihn groß anblickte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das &#x017F;agen <hi rendition="#g">Sie</hi> mir, Mei&#x017F;ter, <hi rendition="#g">Sie</hi>, der &#x017F;elb&#x017F;t jetzt<lb/>
auf un&#x017F;ere Fahne &#x017F;chwört? Verzeihen Sie, wenn ich das<lb/>
komi&#x017F;ch finde. Sie haben &#x017F;ich ver&#x017F;prochen, Mei&#x017F;ter, &#x017F;o i&#x017F;t's,<lb/>
nicht wahr?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nun pa&#x017F;&#x017F;irte etwas Merkwürdiges, was der Ge&#x017F;elle nicht<lb/>
erwartet hatte. Timpe fing nun &#x017F;einer&#x017F;eits an zu lachen,<lb/>
&#x017F;chlug &#x017F;einen weiten Rock über den Bauch zu&#x017F;ammen, ging<lb/>
mit &#x017F;ehr lu&#x017F;tiger Miene, als amü&#x017F;ire er &#x017F;ich ganz außer¬<lb/>
ordentlich, einige Male in der Werk&#x017F;tatt auf und ab,<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich dann, da er etwas er&#x017F;chöpft war, auf einen<lb/>
Schemel vor dem Altge&#x017F;ellen nieder und begann folgender¬<lb/>
maßen:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind doch bei Ver&#x017F;tande, Beyer, haben doch zwei<lb/>
ge&#x017F;unde Ohren, he? . . . Ja? &#x2014; dann hören Sie mich ge¬<lb/>
fällig&#x017F;t einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen<lb/>
hier &#x017F;agen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz,<lb/>
&#x017F;age ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals<lb/>
Mumpitz, ver&#x017F;tehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was<lb/>
meine Wahl anbetrifft, &#x017F;o &#x017F;age ich zum dritten Male: Mumpitz,<lb/>
ver&#x017F;tehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es i&#x017F;t ganz<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">20*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0319] Dieſe Uneigennützigkeit ſteigerte nur Timpe's gallſüchtige Stimmung. „Ihr ewiger Edelmuth! Sie wiſſen, daß ich mir ein¬ für allemal nichts ſchenken laſſe. Sie thun wirklich ſo, als wenn Sie hier Herr im Hauſe wären . . . Ich muß Ihnen aber ein- für allemal ſagen, daß ich in meiner Werkſtatt keinen Sozialdemokraten dulde.“ Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das ſo plötzlich hervorquoll, daß Timpe ſeinen Gang durch die Werkſtatt ein¬ ſtellte und ihn groß anblickte. „Das ſagen Sie mir, Meiſter, Sie, der ſelbſt jetzt auf unſere Fahne ſchwört? Verzeihen Sie, wenn ich das komiſch finde. Sie haben ſich verſprochen, Meiſter, ſo iſt's, nicht wahr?“ Nun paſſirte etwas Merkwürdiges, was der Geſelle nicht erwartet hatte. Timpe fing nun ſeinerſeits an zu lachen, ſchlug ſeinen weiten Rock über den Bauch zuſammen, ging mit ſehr luſtiger Miene, als amüſire er ſich ganz außer¬ ordentlich, einige Male in der Werkſtatt auf und ab, ſetzte ſich dann, da er etwas erſchöpft war, auf einen Schemel vor dem Altgeſellen nieder und begann folgender¬ maßen: „Sie ſind doch bei Verſtande, Beyer, haben doch zwei geſunde Ohren, he? . . . Ja? — dann hören Sie mich ge¬ fälligſt einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen hier ſagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz, ſage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals Mumpitz, verſtehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was meine Wahl anbetrifft, ſo ſage ich zum dritten Male: Mumpitz, verſtehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es iſt ganz 20*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/319
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/319>, abgerufen am 22.11.2024.