"Na, der Meister wird sich wundern, wenn er mich hier wiedersieht", sagte er vor sich hin und betrachtete mit großem Behagen die Arbeit, die er bereits angefertigt hatte. "Der und mich los werden, da hat sich was!" fuhr er fort. "Sind wir jetzt nicht zwei Genossen, die zu einander stehen müssen in Freud und Leid? . . . Ich habe ihm immer gesagt, er würde einmal anders denken, und nun thut er es wirklich. Ob ich nicht immer Recht habe! . . . Das Gesicht, das er zuerst machte, als ich ihm unseren Stimmzettel in die Hand drückte . . . das wäre zum Malen gewesen! . . . Na, und erst die alten Philister da drinnen am Wahltisch hätte ich sehen mögen, wie die beinahe vor Schreck vom Stuhle gefallen sind, als sie Timpe die Hand ausstrecken sahen. . . Als ob die nicht unsere Zettel ganz genau kennen! . . . Auf zehn Schritte schon riechen sie die sozial¬ demokratische Lunte. . . Wenn ich noch an die Rede denke, die er gehalten hat . . . wer hätte es diesem alten Kunden zugetraut. Wie ein junger Gott hat er gesprochen. . . . wahrhaftig er muß in den Reichstag! Solche Leute können wir gebrauchen. Nicht war, Spillrich?"
Er hatte sich so sehr in sein Selbstgespräch vertieft, daß er diese Frage an die Drehbank vor sich richtete, wo in früheren Zeiten der kleine Sachse ihm den Rücken zuzukehren pflegte. Als er endlich aufblickte, merkte er erst die Selbst¬ täuschung.
"Ach so, der ist nicht mehr hier", begann er wieder . . . "und doch war es mir eben, als stände er vor mir und drehte mir seinen breiten Buckel zu. Ich glaube gar, es fängt hier an zu spuken . . . am hellen, lichten Tage sogar . . . Ach, wo sind die schönen Tage von damals! Es wird auf
„Na, der Meiſter wird ſich wundern, wenn er mich hier wiederſieht“, ſagte er vor ſich hin und betrachtete mit großem Behagen die Arbeit, die er bereits angefertigt hatte. „Der und mich los werden, da hat ſich was!“ fuhr er fort. „Sind wir jetzt nicht zwei Genoſſen, die zu einander ſtehen müſſen in Freud und Leid? . . . Ich habe ihm immer geſagt, er würde einmal anders denken, und nun thut er es wirklich. Ob ich nicht immer Recht habe! . . . Das Geſicht, das er zuerſt machte, als ich ihm unſeren Stimmzettel in die Hand drückte . . . das wäre zum Malen geweſen! . . . Na, und erſt die alten Philiſter da drinnen am Wahltiſch hätte ich ſehen mögen, wie die beinahe vor Schreck vom Stuhle gefallen ſind, als ſie Timpe die Hand ausſtrecken ſahen. . . Als ob die nicht unſere Zettel ganz genau kennen! . . . Auf zehn Schritte ſchon riechen ſie die ſozial¬ demokratiſche Lunte. . . Wenn ich noch an die Rede denke, die er gehalten hat . . . wer hätte es dieſem alten Kunden zugetraut. Wie ein junger Gott hat er geſprochen. . . . wahrhaftig er muß in den Reichstag! Solche Leute können wir gebrauchen. Nicht war, Spillrich?“
Er hatte ſich ſo ſehr in ſein Selbſtgeſpräch vertieft, daß er dieſe Frage an die Drehbank vor ſich richtete, wo in früheren Zeiten der kleine Sachſe ihm den Rücken zuzukehren pflegte. Als er endlich aufblickte, merkte er erſt die Selbſt¬ täuſchung.
„Ach ſo, der iſt nicht mehr hier“, begann er wieder . . . „und doch war es mir eben, als ſtände er vor mir und drehte mir ſeinen breiten Buckel zu. Ich glaube gar, es fängt hier an zu ſpuken . . . am hellen, lichten Tage ſogar . . . Ach, wo ſind die ſchönen Tage von damals! Es wird auf
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„Na, der Meiſter wird ſich wundern, wenn er mich hier
wiederſieht“, ſagte er vor ſich hin und betrachtete mit großem
Behagen die Arbeit, die er bereits angefertigt hatte. „Der
und mich los werden, da hat ſich was!“ fuhr er fort. „Sind
wir jetzt nicht zwei Genoſſen, die zu einander ſtehen müſſen
in Freud und Leid? . . . Ich habe ihm immer geſagt, er
würde einmal anders denken, und nun thut er es wirklich.
Ob ich nicht immer Recht habe! . . . Das Geſicht,
das er zuerſt machte, als ich ihm unſeren Stimmzettel
in die Hand drückte . . . das wäre zum Malen geweſen! . . .
Na, und erſt die alten Philiſter da drinnen am Wahltiſch
hätte ich ſehen mögen, wie die beinahe vor Schreck vom
Stuhle gefallen ſind, als ſie Timpe die Hand ausſtrecken
ſahen. . . Als ob die nicht unſere Zettel ganz genau
kennen! . . . Auf zehn Schritte ſchon riechen ſie die ſozial¬
demokratiſche Lunte. . . Wenn ich noch an die Rede denke,
die er gehalten hat . . . wer hätte es dieſem alten Kunden
zugetraut. Wie ein junger Gott hat er geſprochen. . . .
wahrhaftig er muß in den Reichstag! Solche Leute können
wir gebrauchen. Nicht war, Spillrich?“
Er hatte ſich ſo ſehr in ſein Selbſtgeſpräch vertieft, daß
er dieſe Frage an die Drehbank vor ſich richtete, wo in
früheren Zeiten der kleine Sachſe ihm den Rücken zuzukehren
pflegte. Als er endlich aufblickte, merkte er erſt die Selbſt¬
täuſchung.
„Ach ſo, der iſt nicht mehr hier“, begann er wieder . . .
„und doch war es mir eben, als ſtände er vor mir und
drehte mir ſeinen breiten Buckel zu. Ich glaube gar, es
fängt hier an zu ſpuken . . . am hellen, lichten Tage ſogar . . .
Ach, wo ſind die ſchönen Tage von damals! Es wird auf
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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